OVG beendet Personalgerangel in Niedersachsen: Lang­jäh­rige Daten­schutz­be­auf­tragte bekommt keine zweite Chance

von Hasso Suliak

15.09.2023

Im Mai hatte der Landtag einstimmig einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten gewählt, doch weil seine Vorgängerin klagte, musste er wochenlang auf seinen Jobantritt warten. Nach einem OVG-Beschluss wird er nun ernannt.

Auf dem Organisationplan der Behörde des Landesdatenschutzbeauftragten in Niedersachsen ist das Feld der Leitung seit Wochen blank. "N.N." heißt es dort. Verantwortlich für die Datenschutzbelange im Land ist seit Anfang Juli stattdessen der Stellvertreter Christoph Lahmann, ein promovierter Physiker. Noch bis Ende Juni führte die Behörde achteinhalb Jahre die gelernte Juristin Barbara Thiel (CDU). Die 68-Jährige hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie gerne auch eine weitere Amtszeit drangehängt hätte.  

Da in Niedersachsen die Datenschutzbeauftragten in der Regel von der größten Oppositionspartei – unter aktuell rot-grüner Regierung also von der CDU – vorgeschlagen werden, hätte CDU-Frau Thiel eigentlich auch weitermachen können. Umso erstaunter reagierte die in Datenschutzkreisen geschätzte Expertin, dass ihre Partei bzw. die Landtagsfraktion mit Dennis Lehmkemper, ebenfalls CDU-Mitglied, nach Absprachen mit den Koalitionsfraktionen einen anderen Kandidaten auserkoren hatte.

Lag es vielleicht daran, dass Thiel in ihrer Amtszeit wenig Rücksicht auf politische Interessen der CDU genommen hatte, wie einige vermuten? Jedenfalls wurde der 50-jährige Lehmkemper am 3. Mai im Landtag mit breiter Mehrheit zum Nachfolger Thiels gewählt. Seinen Job zum 1. Juli antreten konnte er jedoch nicht.

Zweifel an transparentem Verfahren

Offiziell zurückgestellt wurde seine Ernennung, weil Thiel gerichtlichen Eilrechtsschutz begehrte. Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover beantragte sie, der Staatskanzlei einstweilen zu untersagen, Lehmkemper zu berufen. Zur Begründung berief sie sich im Wesentlichen auf zwei Aspekte: Zum einen leide die Auswahl des neuen Datenschutzbeauftragten an einem Verfahrensmangel. Es sei keine öffentliche Ausschreibung erfolgt, womit ihr die Möglichkeit genommen worden sei, sich um eine weitere Amtszeit zu bewerben. Zudem könne von einem transparenten Verfahren nicht die Rede sein, man habe sie nicht einmal gefragt, ob die weitermachen wolle, obwohl sie ihre Bereitschaft öffentlich bekundet hatte. In diesem Kontext machte Thiel u.a. eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geltend. Danach besteht grundsätzlich ein Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl um ein öffentliches Amt (Bewerbungsverfahrensanspruch).

Außerdem rügte sie einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die in Art. 53 Abs. 1 nicht nur ein transparentes Ernennungsverfahrens verlange, sondern in Abs. 2 auch die erforderliche Sachkunde und Qualifikation des Bewerbers erfordere.  Lehmkemper, so hatte Thiel bzw. ihr Berliner Anwalt Niko Härting immer wieder geltend gemacht, habe mit Datenschutz in seiner beruflichen Laufbahn bisher herzlich wenig am Hut gehabt.

OVG sieht keine Fehler im Verfahren 

Tatsächlich sind einschlägige datenschutzrechtliche Erfahrungen bei Lehmkemper zumindest nicht offensichtlich erkennbar. Der Beamte arbeitete zuletzt im Landwirtschaftsministerium in Hannover und dort gegen Ende als Leiter der Abteilung Raumordnung. Hinter vorgehaltener Hand wird vermutet, dass bereits die Beförderung des CDU-Mannes zum Abteilungsleiter mit seiner späteren Berufung zum Landesdatenschutzbeauftragten zu tun haben soll. Denn geführt wird das niedersächsische Landwirtschaftsministerium von den Grünen, ein CDU-Abteilungsleiter passt da nicht unbedingt ins Bild.

Doch zurück zum Rechtsstreit: Thiel hat nunmehr in zwei Instanzen verloren. Nachdem erst das VG Hannover im Juni für die Ernennung Lehmkempers grünes Licht gab (Az.: 13 B 3358/23), ist die Sache seit Donnerstag auch rechtskräftig. Denn der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) entschied mit unanfechtbarem Beschluss (Az. 5 ME 55/23), dass Thiel sich weder auf eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG berufen könne noch auf die Vorschriften der DSGVO. 

Art. 33 Abs. 2 GG gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für Ämter auf staatlicher oder kommunaler Ebene, die durch demokratische Wahlen der Wahlbürger oder durch eine Wahl von diesen gewählter Wahlkörper besetzt werden, so das OVG. Das Demokratieprinzip habe insoweit Vorrang. Das sei hier einschlägig, der Landesbeauftragte für den Datenschutz durch den Landtag gewählt werde (Art. 62 Abs. 2 der Niedersächsische Verfassung).

Ebenso wenig könne Thiel aus den Regelungen der DSGVO über die Transparenz des Ernennungsverfahrens (Art. 53 Abs. 1) und über die erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde des Bewerbers (Art. 53 Abs. 2) subjektive Rechte abgleiten. Die Vorschriften dienten allein dem öffentlichen Interesse an einem transparenten Verfahren zur ordnungsgemäßen Besetzung der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz, so das OVG in einer Presseerklärung.

Thiel-Anwalt Härting sauer: "OVG prüft Qualifikation Lehmkempers erst gar nicht"

Dagegen hatte das VG Lehmkemper sogar noch ausdrücklich hinreichende Qualifikation beschieden: "Herr Lehmkemper erfüllt die Voraussetzungen für die Übernahme des Amtes des Datenschutzbeauftragten. Er ist Volljurist und verfügt über die erforderlichen datenschutzrechtlichen Kenntnisse durch seine langjährige Tätigkeit in der Landesverwaltung.

Auf die Palme bringt die Begründung des OVG, vor allem in puncto Art. 53 Abs.2 DSGVO, Thiels Rechtsanwalt Niko Härting: Der versierte Datenschutzrechtler sagte zu LTO: "Wir haben moniert, dass Herr Lehmkemper die von Art. 53 Abs. 2 DSGVO geforderte Erfahrung und Qualifikation nicht hat. Das OVG prüft dies gar nicht, sondern spricht einer Mitbewerberin das Klagerecht ab. Nicht aus Gründen, die in der Person von Barbara Thiel liegen. Sondern weil das OVG meint, dass die Wahl eines Landesdatenschutzbeauftragtem von niemandem gerichtlich angreifbar sein darf." Damit, so Härting, stehe Art. 53 Abs. 2 DSGVO natürlich nur auf dem Papier. "Und dies mitten im Muster-Datenschutzland Deutschland, dem Land, das immer meint, dem Rest der Welt erklären zu müssen, wie Datenschutz funktioniert."

Ob Härting für seine Mandantin nun eine Verfassungsbeschwerde einlegen wird, ist noch offen. Erleichterung pur herrscht jedenfalls in Lehmkempers zukünftiger Behörde: "Wir sind froh, dass der Schwebezustand für dieses wichtige Amt nach vergleichsweise kurzer Zeit beendet werden konnte", erklärte Behördensprecher Marius Engelskirchen gegenüber LTO.

Zitiervorschlag

OVG beendet Personalgerangel in Niedersachsen: Langjährige Datenschutzbeauftragte bekommt keine zweite Chance . In: Legal Tribune Online, 15.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52720/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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