Internationale Cannabis-Konferenz ICBC in Berlin: Klappts mit der "Voll­dampf"-Lega­li­sie­rung?

von Hasso Suliak

20.07.2022

Im Herbst sollen die Eckpunkte für ein Gesetz zur kontrolliert-legalen Abgabe von Cannabis an Erwachsene stehen. Doch noch sind zentrale Inhalte des Gesetzes innerhalb der Ampel-Koalition ungeklärt.    

Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert ist in der Cannabis-Community ein gefeierter Mann. Der für seine liberale Drogenpolitik – speziell beim Thema Cannabis – geschätzte frühere MdB der SPD durfte deshalb am Dienstag in Berlin auf Europas größter Cannabis-Konferenz ICBC mit 5.000 erwarteten Gästen den Eröffnungsvortrag halten. Dieser wurde – um es vorwegzusagen – am Ende von den Anwesenden mit viel Applaus bedacht.  

Auch Blienert selbst zeigte sich von seinem Auftritt einigermaßen angetan. Er sei wohl der erste Drogenbeauftragte der Bundesregierung, der auf diesem Cannabis-Branchentreffen sprechen dürfe. Nicht verwunderlich, Blienerts Vorgängerin im Amt, die CSU-Politikerin Daniela Ludwig – bekannt als überzeugte Legalisierungs-Gegnerin – wäre von den Teilnehmenden wohl mit Brokkoli beworfen worden. 

Blienert soll die von der Ampel-Koalition verabredete Cannabis-Legalisierung in Deutschland in Fahrt bringen und den bevorstehenden Gesetzgebungsprozess begleiten. Ein Cannabis-Kontrollgesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Für Erwachsene wäre dann Marihuana in eigens hierfür lizensierten Geschäften zu Genusszwecken legal erhältlich. Bei dem ganzen Prozess soll der Staat schon mit Beginn der Produktion des Rauschmittels die Kontrolle übernehmen. "Wir wollen im Gegensatz zu den Niederlanden eine legale, klar regulierte Lieferkette gewährleisten. Von der Pflanze bis hinein in den Laden brauchen wir ein sauberes Produkt. Perspektivisch wird jeder Erwachsene, der Cannabis konsumieren möchte, es auch legal und kontrolliert erhalten können," kündigte Blienert seinerzeit im LTO-Interview an.  

Die Branche ist jedenfalls über die in Aussicht stehenden blühenden Cannabis-Landschaften in Deutschland schon jetzt voller Vorfreude. Auf der ICBC wurde deutlich:  Von Deutschland verspricht man sich eine Schrittmacherfunktion, Deutschland werde für Europa zum "Pacemaker", heißt es immer wieder. Die Cannabis-Branche erhofft sich von der Legalisierung schließlich auch eine Ausweitung ihres Geschäftsfeldes. Denn seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2017 darf Cannabis in Deutschland nur bei schwerwiegenden Erkrankungen als Medizin legal in Apotheken abgegeben werden – falls sich überhaupt ein Arzt findet, der es verschreibt. Die geplante Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken könnte auch den Verkauf von nicht psychoaktiven CBD (Cannabidol) -Produkten in Deutschland erleichtern. 

Drogenbeauftragter lässt sich nicht in die Karten gucken  

Vorhang auf also für ein Legalisierungsgesetz. Doch wer am Dienstag in Berlin von Blienert Antworten erhofft hatte, wie, wo, wieviel und zu welchem Preis Cannabis bald in Deutschland käuflich erworben werden kann, wurde enttäuscht.  

Wie bereits nach dem mehrtägigen Sachverständigen-Hearing der Bundesregierung im Juni bleibt der Drogenbeauftragte bei dem wohl wichtigsten Vorhaben in seiner Amtszeit konsequent bei seiner Linie, öffentlich keinerlei Andeutungen zu machen, wie er sich selbst im Detail die Legalisierung vorstellt: Soll es eine THC-Obergrenze geben? Soll Marihuana auch online zu erwerben sein? Darf man ein paar Pflänzchen künftig auch zu Hause ziehen? Wann endet die Strafverfolgung für Konsumenten? 

Der Drogenbeauftragte lässt sich zu keiner dieser Fragen in die Karten gucken - wohl auch, um sich später nicht angreifbar zu machen. Stattdessen betont er auch auf der Berliner Cannabis-Konferenz Altbekanntes: Wichtig seien ihm Gesundheits- und Jugendschutz, der Schwarzmarkt müsse zurückgedrängt werden und die strafrechtliche Verfolgung von Cannabis-Konsumenten sei gescheitert und daher zu beenden. "Es ist ein komplexes Vorhaben, es stellen sich viele Fragen und Schnellschüsse seien 'kein guter Ratgeber'", so Blienert. Der Nicht-Jurist weiß: Das Vorhaben müsse sorgsam in "unser deutsches Regelwerk eingebettet" werden. Er wolle kein Gesetz, das später wieder korrigiert werden muss.

So wenig, so gut. Dass Blienert zu den Details des geplanten Gesetzes kaum Antworten liefert scheint den anwesenden Branchenvertreter:innen Cannabis relativ egal – weil sie das vielleicht erwartet haben. Was für sie zählt, ist im Wesentlichen die Stoßrichtung, die der Drogenbeauftragte in Berlin dem internationalen Publikum gegenüber klar postuliert: "Wir betreiben das Vorhaben mit Volldampf." Realistischerweise sei Anfang 2023 mit der Einbringung des Gesetzes in den Bundestag zu rechnen. Und dann, so der ehemalige Abgeordnete, komme es im Parlament zu den "Krönungsberatungen". 

Ampel-MdBs zum Verhandlungsstand  

Einen Vorgeschmack, wie es in diesen Beratungen auch innerhalb der Ampel-Fraktionen zugehen könnte, lieferten nach Blienerts "Key Note" auf der Konferenz Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und FDP. Die Union hatte ihre Teilnahme abgesagt, eine erkrankte Vertreterin der Linken ließ schön grüßen. Bei aller Harmonie im Grundsatz wurde in der Diskussionsrunde zu Details des geplanten Cannabis-Kontrollgesetzes indes klar: So richtig einheitlich sind die Vorstellungen von SPD, Grünen und FDP (noch) nicht.  

Dissens besteht bereits bei der Abgabeform. Nur in Shops und Apotheken oder auch per Internet? Die drogenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Kristine Lütke, spricht sich klar für den Online-Handel aus.  "Wenn man eine Identitätsfeststellung bei der Online-Eröffnung eines Bankkontos hinkriegt, sollte man das auch beim Kauf von Cannabis schaffen", so Lütke. Man müsse schließlich auch die Konsumentinnen und Konsumenten im ländlichen Raum im Blick haben. SPD und Grüne sind in puncto Online-Verkauf vor allem wegen des Jugendschutzes eher skeptisch. 

Auch beim Thema Eigenanbau gehen die Meinungen in der Ampel auseinander: Während sich der Agrarökonom Karl Bär von Bündnis 90/Die Grünen diesen zuhause ("kontrolliert und in Grenzen") gut vorstellen kann, reagiert SPD-MdB Carlos Kasper zurückhaltend. "Wir sehen den Eigenanbau kritisch." Vorstellbar seien aus seiner Sicht allenfalls vom Staat zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten, in denen dieser dann betrieben werden könne. 

FDP: "Auch Haschisch sollte in den Fachgeschäften verfügbar sein" 

Noch nicht abschließend beraten, so hieß es unisono, habe man die Frage, ob es künftig in den lizensierten Shops oder Apotheken nur Cannabis geben wird, das eine bestimmte THC-Obergrenze nicht überschreitet. Der Hanfverband hatte sich kürzlich auch im Hinblick auf das Ziel, den Cannabis-Schwarzmarkt auszutrocknen, dagegen ausgesprochen. Wie sich die Ampel entscheiden wird, ist offen. Auch welche Cannabis-Produkte künftig erhältlich sein sollen, ist noch unklar. Nur getrocknete Blüten, also Gras? "Ich wäre dafür, dass auch Haschisch in den Fachgeschäften erhältlich ist", so Lütke.  

Keine Übereinstimmung gibt es auch bei Fragen der steuerlichen Behandlung: Soll diese an den THC-Gehalt oder an die Menge anknüpfen? Eine Lenkungswirkung sei über beide Komponenten zu erzielen, meint SPD-MdB Kasper, der im Finanzausschuss des Bundestages sitzt. Jedenfalls Zustimmung zu einer Steuer, die sich am THC-Gehalt orientiert, kommt von FDP-MdB Lütke. Sie stellte aber auch klar, dass der Preis in den Abgabestellen wettbewerbsfähig sein müsse, um am Ende nicht verfehlte Anreize für den Gang auf den Schwarzmarkt zu schaffen. 

Ampel-MdBs versprechen: Nutzhanf und CBD soll im Gesetz mitgeregelt werden 

Bei allen Differenzen in Details zur legalen Abgabeform versprachen die drei Parlamentarier den Branchen-Vertretern jedoch, das Cannabis-Kontrollgesetz künftig weit zu fassen und auch die Bereiche Nutzhanf und CBD-Produkte miteinzubeziehen. Hier hatten diverse Branchenvertreter auf der Konferenz gesetzlichen Handlungsbedarf angemahnt. Deutschland hinke mit seiner unklaren Rechtslage in diesem Bereich im internationalen Vergleich weit hinterher. Es passiere nicht selten, so ein Teilnehmer, dass bei Landwirten, die Nutzhanf anpflanzten, plötzlich die Staatsanwaltschaft vorfahre und alle Pflanzen einkassiere. Auch der CBD-Bereich sei in Deutschland wenig unternehmerfreundlich geregelt, wurde kritisiert. 

Und wann wird es so weit sein? Insgesamt dämpften die Ampel-Abgeordneten die Erwartungen an eine schnelle, legale Abgabe in Deutschland. Die Apotheken, so FDP-MdB Lütke, bräuchten nach Verabschiedung eines Gesetzes einen angemessenen Vorlauf. SPD-MdB Kasper veranschlagt hierfür etwa "neun bis zehn Monate". Mit einem ersten legalen Kauf des Feierabend-Joints dürfte es also bestenfalls im Jahr 2024 etwas werden.   

Zitiervorschlag

Internationale Cannabis-Konferenz ICBC in Berlin: Klappts mit der "Volldampf"-Legalisierung? . In: Legal Tribune Online, 20.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49107/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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