Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerde: Zivil­recht­liche Grund­satz­fragen auch künftig erst ab 20.000 Euro

Gastbeitrag von Hans-Uwe Pasker

19.09.2019

Der Bundesrat will die Wertgrenze für Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision entfristen. So blieben auch künftig grundsätzliche Fragen ungeklärt, meint Hans-Uwe Pasker. Und das sei nicht das einzige Übel.

Der Bundesrat will am Freitag über eine wichtige Zulassungsbeschränkung für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Berufungsgerichte entscheiden. Die Bundesregierung will § 26 Nr. 8 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) entfristen. Hierbei handelt es sich um eine Übergangsvorschrift, die das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 begleitet hat. Sie erklärt eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann für zulässig, wenn der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 Euro übersteigt oder das Berufungsgericht die Berufung verworfen hat.

Nach mehrfacher Verlängerung der Übergangsfrist, die derzeit noch bis zum 31. Dezember 2019 andauert, hat sich der Gesetzgeber nun entschlossen, aus der vorläufigen eine endgültige Wertgrenze zu machen. Die Begrenzung des Zugangs zur Revisionsinstanz soll fortan in § 544 ZPO n.F. festgeschrieben werden und, so das Bundesjustizministerium zur Begründung, eine Überlastung der Zivilsenate des BGH verhindern.

Damit werden auch künftig grundsätzliche Rechtsfragen ungeklärt bleiben, wenn sie den Beschwerdewert von 20.000 Euro nicht erreichen. Und das ist nicht der einzige Missstand für Rechtsuchende, die den Rechtsweg bis in die dritte Instanz beschreiten.

Wann man Revision einlegen kann

Die in der zweiten Instanz unterlegene Partei kann eine für sie negative Entscheidung des Berufungsgerichts grundsätzlich auf zwei Arten angreifen. Ohne besondere Probleme ist das möglich, wenn das Berufungsgericht die Revision ausdrücklich oder zumindest konkludent, beschränkt oder unbeschränkt, zugelassen hat, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. An die Zulassung ist der BGH regelmäßig gebunden, das Revisionsverfahren findet statt.

Fehlt es dagegen an einer Zulassung, bleibt der unterlegenen Partei nur das sog. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, § 544 ZPO.  Sein Ziel ist die Zulassung der Revision durch den BGH. Der Weg dorthin führt über die überzeugende Darlegung eines der in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe. Die Rechtssache müsste also von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Entscheidung des BGH nötig sein für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

So weit kommt eine Partei aber gar nicht erst, wenn sie nicht mit mehr als 20.000 Euro beschwert ist. § 26 Nr. 8 EGZPO ist die erste Hürde im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.

Nur die Beschwer der Revision zählt

Die Praxis muss sich jetzt also dauerhaft auf diese Wertgrenze einstellen, die bei der Anwendung der Vorschrift aufgetretenen Fehlerquellen werden vor allem die Anwälte auch weiterhin begleiten.

So müssen sie beachten, dass zwischen Streitwert und Beschwer zu unterscheiden ist. Für § 26 Nr. 8 EGZPO kommt es nur auf den Wert der mit der Revision geltend gemachten Beschwer an. Für die Wertgrenze zählt also der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren, nicht der Wert des Unterliegens in der Berufungsinstanz.

In Fällen, in denen man nicht mit einer abschließenden Entscheidung in der zweiten Instanz rechnen kann, sollten Anwälte diese Hürde frühzeitig bedenken, damit es bei der späteren Prüfung einer Nichtzulassungsbeschwerde keine böse Überraschung gibt.

Weiter nur begrenzter Zugang zum BGH

Die Wertgrenze erfüllt den vom Gesetzgeber intendierten Zweck. Sie führt zu einer Entlastung der BGH-Zivilsenate, weil ein großer Teil der Entscheidungen von Berufungsgerichten dadurch nicht revisibel ist. Eine Alternative, etwa ein Wegfall der Wertgrenze, kam für den Gesetzgeber offenbar ebenso wenig in Betracht wie die Bildung weiterer zusätzlicher Senate in Karlsruhe.

Für eine Partei, die eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und begründen muss, ändert sich durch die Reform also nichts.

In diesem Zusammenhang irritiert eine Passage auf S. 44 der Drucksache 366/19 zur o.g. Bundesratssitzung. Darin heißt es: "Grundsätzliche Rechtsfragen in Streitigkeiten, die unterhalb dieser Wertgrenze liegen, sollen auch weiterhin dem BGH vorgelegt werden können". Damit kann aber nur eine Vorlage durch das Berufungsgericht gemeint sein, die Rechte der unterlegenen Partei auf Zugang zum BGH ändern sich nicht.

Und das ohne Begründung

Grundlegende, klärungsbedürftige Rechtsfragen erreichen den BGH also auch in Zukunft nicht, wenn das Berufungsgericht die Revision nicht zulässt und die Beschwer unterhalb von 20.000 Euro bleibt.

Dabei trifft der Rechtsuchende im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf eine weitere Hürde. In einer großen Zahl von Fällen begründen die BGH-Zivilsenate nicht, warum sie die Nichtzulassungsbeschwerde ablehnen. Der Beschwerdeführer hört von Deutschlands höchsten Zivilrichtern dann bloß formelhaft, dass eine Begründung des Zurückweisungsbeschlusses "nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist" (§ 544 Abs. 4 S. 2 ZPO).

Eine Partei, die sich bin in die dritte Instanz vorgekämpft hat, kann sich ohne Begründung mit einer Ablehnung kaum abfinden. Woran ihr Petitum konkret gescheitert ist, erfährt sie nie. Diese Art von "Beratungsgeheimnis" sollte der Gesetzgeber bei weiteren Reformbemühungen kritisch unter die Lupe nehmen.

Der Autor Hans-Uwe Pasker war Richter am OLG. Danach war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer BGH-Anwaltskanzlei.

Zitiervorschlag

Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerde: Zivilrechtliche Grundsatzfragen auch künftig erst ab 20.000 Euro . In: Legal Tribune Online, 19.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37729/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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