BAG lehnt Entschädigung für Drittbetroffene ab: Flu­g­lot­s­en­ge­werk­schaft muss nicht für Streik­schäden zahlen

25.08.2015

Streiken die Lotsen, steht der Flugverkehr still. Die Schäden tragen die Fluglinien, obwohl sie nicht selbst bestreikt werden. Dagegen klagten sie durch alle Instanzen. Und verloren. Warum, erklären Kara Preedy und Verena Oechslen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am Dienstag  in zwei sehr ähnlichen Fällen darüber, ob von Arbeitskämpfen mittelbar Betroffene einen Anspruch auf Schadensersatz haben. In beiden Fällen verklagten Fluggesellschaften die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) auf den Ersatz von Schäden, die ihnen aufgrund eines Unterstützungsstreiks bzw. Streikankündigungen entstanden waren.

Im ersten Fall ging es um einen rund fünfstündigen Unterstützungsstreik am Stuttgarter Flughafen und Schäden in Höhe von ca. 35.000 Euro. Im zweiten Fall wurden die Schäden – um die 3,2 Millionen Euro – mit der bloßen Ankündigung eines Streiks begründet, der noch vor seinem Beginn wieder abgesagt wurde. Bereits der Streikaufruf der GdF hatte  Stornierungen und personalintensive Maßnahmen notwendig gemacht. Notfallpläne wurden erarbeitet, Informationen bereitgestellt und (potenziell) Betroffene benachrichtigt. Tatsächlich ging es den klagenden Fluggesellschaften in dem Verfahren aber wohl hauptsächlich "ums Prinzip" und um zukünftige Schäden.

Die Fluglinien sahen sich als die wahren Gegner des Streiks und fuhren zur Anspruchsbegründung schwere Geschütze auf: Neben einem Anspruch wegen Missachtung der Friedenspflicht warfen sie der GdF eine Verletzung ihres Eigentums an den Flugzeugen, einen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor.

Im Ergebnis konnte das die Erfurter Richter nicht überzeugen. Diese schlossen sich den Vorinstanzen an und wiesen die Revision als insgesamt unbegründet ab (BAG, Urt. v. 25.08.2015, Az. 1 AZR 754/13, 875/13).

Der Vorwurf: gezielte Schädigungsabsicht

Dass sich Arbeitskämpfe nicht nur beim unmittelbar bestreikten Unternehmen auswirken, ist für sich genommen noch nicht ungewöhnlich. Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) beispielsweise führte sowohl bei Privatpersonen als auch bei Gewerben, die auf Transportleistungen der Bahn angewiesen waren, zu enormen finanziellen Schäden. Auch ein Streik bei einem Zuliefererbetrieb in der Automobilindustrie kann aufgrund der üblichen just-in-time-Produktion die weiterverarbeitenden Betriebe empfindlich treffen. Diese mittelbaren Folgen sind bei Arbeitskämpfen häufig unvermeidbar. Sie können aber auch enormen Druck aufbauen.

Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass es zum Wesen des Streiks gehört, dass auch Dritte geschädigt werden können. Die Tatsache, dass Gewerkschaften diesen Umstand in ihr Kalkül miteinbeziehen und dies auch durchaus beabsichtigen mögen, löst noch keine Ansprüche der Drittbetroffenen aus.

Die klagenden Fluggesellschaften wollten diese Argumentation im konkreten Fall nicht gelten lassen. Sie warfen der GdF vor, sie habe den Arbeitskampf tatsächlich nicht gegen die Flugsicherungsgesellschaft, sondern gegen sie geführt – und das in vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigungsabsicht. Als eigentlicher Gegner des Streiks fühlten sie sich vor allem, weil sie der Ansicht waren, dass die Flugsicherungsgesellschaft selbst keine wirtschaftlichen Schäden zu befürchten hatte: Diese konnte aufgrund des "Vollkostendeckungsprinzips" Gebührenausfälle schlicht auf die Fluglinien umlegen.

Zitiervorschlag

BAG lehnt Entschädigung für Drittbetroffene ab: Fluglotsengewerkschaft muss nicht für Streikschäden zahlen . In: Legal Tribune Online, 25.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16704/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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