Abschlussbericht der Rühe-Kommission: Ver­trauen der Regie­rung

von Dr. Oliver Daum

19.06.2015

Die unabhängige Expertenkommission will die Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen nicht beschneiden. Im Gegenteil: Das Recht solle sogar zugunsten des Bundestages überarbeitet werden, meint Oliver Daum.

Die Rühe-Kommission, unter Vorsitz des namensgebenden ehemaligen CDU-Verteidigungsministers Volker Rühe, hat am Dienstag ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Kommission hatte zu untersuchen, wie die Rechte des Parlaments in Hinblick auf die Bündnisfähigkeit der deutschen Streitkräfte gesichert werden können. Ziel der Kommission war die rechtliche und politische Prüfung eines entsprechenden Handlungsbedarfes zur Anpassung des Einsatzrechts der Bundeswehr.

Im März vergangenen Jahres hatten CDU/CSU und SPD die Rühe-Kommission eingesetzt, weil das Recht der Auslandseinsätze zu vielen praktisch relevanten Aspekten schweigt. Es geht um Fragen der Entsendung deutscher Soldaten in ständige Stäbe und Hauptquartiere der NATO und EU, um den Einsatz der Elitesoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) im Ausland und um den zustimmungsbedürftigen Einsatz selbst.

Neue Berichtspflichten für Bundestag und Wähler

Eine Änderung der Verfassung halten die Kommissionsmitglieder nicht für erforderlich. Reformiert werden soll nach den Plänen allerdings das Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG). Damit soll der Bundestag nicht nur wie bisher gem. § 6 ParlBG über Verlauf und Entwicklung eines Einsatzes informiert werden, sondern sich darüber hinaus jedem Einsatz ein umfassender Evaluierungsbericht anschließen. Zweck dieser Regelung ist, über Erfolg und Misserfolg der Mission befinden zu können und entsprechende Lehren zu ziehen.

Zudem regt die Kommission an, dass die Bundesregierung einen Jahresbericht über "multilaterale militärische Verbundfähigkeiten" präsentiert. So würden Bundestag und Wähler über die zunehmende Verflechtung deutscher Streitkräfte mit verbündeten Partnerländern aufgeklärt. Das ist grundsätzlich gut. So würde die Regierung bei Bundestag und Wählern Vertrauen schaffen, die weiteren Schritte bei der offenen und ungewissen Entwicklung der Militärbündnisse vertrauensvoll in den Händen der Bundesregierung zu belassen. Schließlich ginge es auch um das internationale Ansehen der Bundesrepublik.

Den logischen Abschluss dieser Entwicklung thematisiert der Bericht hingegen nicht – das wäre die Schaffung einer europäischen Armee.

Entsendung in konfliktfreie Staaten

Die Experten beziehen jedoch klar Stellung zu der umstrittenen Frage der Entsendung deutscher Soldaten in multilateral besetzte ständige Stäbe und Hauptquartiere. Es bedürfe keiner Zustimmung des Bundestages, wenn die Entsendung in einen konfliktfreien Staat erfolge, sagt die Kommission. Erforderlich wäre eine Zustimmung erst, wenn Soldaten in ein "Gebiet eines bewaffneten Konflikts" entsendet würden. Zur Bestimmung dieses neuen Kriteriums wird auf die – nur vermeintlich – bewährte Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 07.05.2008, Az. 2 BvE 1/03) zurückgegriffen: Entscheidend ist danach die konkrete Erwartung der Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung.

Neuer Begriff der mittelbaren Unterstützungshandlung

Die Kommission hat auch vorgeschlagen, den Begriff einer nur "mittelbaren Unterstützungshandlung für einen bewaffneten Konflikt" einzuführen. Eine weitergehende Definition ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Es scheint jedoch ein neuer Verwendungsbereich zu sein, bei dem das Zustimmungserfordernis des Bundestages nicht gegeben ist – und so der Bundesregierung weitere Entscheidungskompetenzen gibt.

Einen weiteren Pluspunkt verdient sich der Bericht mit dem Vorschlag, eine gesetzliche Vermutungsregel einzuführen. Danach würde bei vorbereitenden Maßnahmen und Planungen, humanitären Hilfsdiensten und Hilfsleistungen sowie Logistik- und medizinischen Versorgungsleistungen nach einem neu zu schaffenden Abs. 2 des § 2 ParlBG widerlegbar erwartet, dass die Soldaten hierbei nicht in bewaffnete Unternehmungen einbezogen wären. Auch in diesen Fällen würde die Bundesregierung allein entscheiden.

KSK-Einsätze: mündliche Unterrichtung normieren

Über die geheimen Einsätze der KSK wird auch künftig nicht im Bundestag debattiert oder abgestimmt. Es soll jedoch die bisherige Unterrichtspraxis der Bundesregierung normiert werden, wonach der Verteidigungsausschuss und der Auswärtige Ausschuss über militärische Geheimoperationen informiert werden. Geschaffen werden soll ein § 6a ParlBG mit der Überschrift: "Unterrichtung zu geheimhaltungsbedürftigen Einsätzen der Spezialkräfte". Um jedoch dem Geheimschutz Rechnung zu tragen, soll die Unterrichtung nur mündlich erfolgen. Die Bürger erhalten keine Informationen.

Der Abschlussbericht der Rühe-Kommission nimmt sich längst fällig gewordener reformbedürftiger Fragen an und klärt diese. Rühe und Co. schrecken dabei nicht vor neuen Wegen zurück, weshalb über den Bericht auch kontrovers diskutiert werden kann. Jedenfalls dürfte das ParlBG durch eine umfassende Novellierung an verfassungspraktischer Bedeutung gewinnen.

Oliver Daum ist Rechtsreferendar im LG Kiel und zugleich Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik der CAU Kiel. Seine Dissertationsschrift verfasste er aus dem Bereich Seerecht/Kriegsrecht und veröffentlicht regelmäßig u. a. im Bereich des deutschen Wehr(verfassungs)rechts. 

Zitiervorschlag

Abschlussbericht der Rühe-Kommission: Vertrauen der Regierung . In: Legal Tribune Online, 19.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15939/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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