Einstweilige Verfügung gescheitert: Warum der GDL-Streik weiter geht

2/2: Eine zulässige Tarifforderung

Auf der Hand liegt die Frage, ob die Gewerkschaft tariflich regelbare Ziele verfolgt. Der Streik muss dazu dienen, einen Tarifvertrag zu erzwingen. Neben klassischen Tarifzielen wie Lohnerhöhungen und Arbeitszeitreduzierungen macht die GDL derzeit vor allem ihren Vertretungsanspruch auch für Zugbegleiter und Servicepersonal als Tarifziel geltend.

Den erkennt die Bahn bislang nicht an und stellt sich auf den Standpunkt, hierüber nur mit der ebenfalls bei der Bahn vertretenen und zahlenmäßig mit über 200.000 Mitgliedern weit größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) verhandeln zu wollen. Die Bahn will damit die Entstehung zweier konkurrierender Tarifverträge für ein und dieselbe Gruppe von Mitarbeitern im Unternehmen verhindern – ein Betrieb, ein Tarifvertrag, so ihr Credo.

Da Zugbegleiter mehrheitlich von der EVG vertreten werden, will die Bahn für diese nur mit der EVG in Verhandlungen treten oder jedenfalls mit GDL und EVG gemeinsam verhandeln und identische Tarifverträge abschließen. Dies lehnt die GDL ab und stützt sich insoweit auf die geänderte Rechtsprechung des BAG (Beschluss v. 23.06.2010, 10 AS 2/10; Urteil v. 27.01.2010, 4 AZR 537/08), wonach in einem Betrieb auch mehrere Gewerkschaften für die gleiche Berufsgruppe zuständig sein können. Der Grundsatz der Tarifeinheit gilt damit folglich nicht mehr.

Da die Bahn die Weigerung der GDL nicht anerkennen wollte, ließ die Gewerkschaft die gerichtlich moderierten Vergleichsgespräche am Donnerstagabend platzen. Rechtlich ist ihr iel legitim, da die GDL bereits derzeit Zugbegleiter und Rangierführer vertritt und daher auch für diese Forderungen stellen darf. Dass die GDL damit natürlich auch für sich als entschlossene Vertreterin der Arbeitnehmer Werbung in eigener Sache macht, um weitere Mitglieder zu werben, steht dem nicht entgegen.

Auch wenn es weh tut

Auch die Verhältnismäßigkeit des Streits hat das ArbG Frankfurt  bejaht. Die Richter gehen also davon aus, dass  die von der GDL eingesetzten Mittel ihrem Kampfziel entsprechen.

Hierbei müssen die Streikenden auf die Gegenseite in Maßen Rücksicht nehmen, es darf nicht ihr Streikziel sein, den Gegner wirtschaftlich zu vernichten. Die Bahn machte geltend, dass ihr durch den Streik Schäden von 100 Millionen Euro je Streiktag entstünden – von den Verlusten für die Volkswirtschaft einmal ganz abgesehen.

Eine Unverhältnismäßigkeit haben die Frankfurter Richter darin aber zu Recht nicht gesehen. Die Messlatte liegt sehr hoch bei dieser Frage, da mit einem Streik naturgemäß immer Schäden für das bestreikte Unternehmen einher gehen – der Bahn schadet der Streik zwar erheblich, nicht einmal das Unternehmen bezeichnet ihn aber als existenzbedrohend.

Die GDL darf streiken – auch oder auch gerade dann, wenn es wehtut. Dies ist Folge jedes Streiks. Eine Störung der Kampfparität, die ein staatliches Eingreifen erforderlich gemacht hätte, konnte das ArbG nicht erkennen.

Rechtlich kam die Entscheidung daher – wie bereits die Bahn bei Einreichung des Antrags fürchtete – nicht unerwartet. Die Entscheidung ist allerdings Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ein Tarifeinheitsgesetz fordern. Hiernach wäre nur noch diejenige Gewerkschaft in einem Betrieb zuständig, die die meisten Mitglieder auf sich eint. Im aktuellen Bahn-Fall wäre dies die EVG. Nach dem Koalitionsvertrag soll ein solches Gesetz erlassen werden – ein erster Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) befindet sich in der internen Abstimmung zwischen SPD und Union. Bis das Gesetz kommt, darf die GDL allerdings weiterhin streiken.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg und regelmäßiger Referent zu arbeitsrechtlichen Themen.

Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Einstweilige Verfügung gescheitert: Warum der GDL-Streik weiter geht . In: Legal Tribune Online, 07.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13736/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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