Last-Minute-Weihnachtsgeschenke: Sieben Bücher von und für Juristen

von Pia Lorenz

21.12.2017

6/7: Thriller für die Feiertage: Ingo Botts "Das Recht zu strafen"

(c) Grafit Verlag

Ingo Bott ist im wahren Leben Anwalt bei Wessing und Partner. Und damit "in einer Kanzlei, die sehr anders ist als die in diesem Buch beschriebene", betont die Autorenbeschreibung zu "Das Recht zu strafen". Man ahnt, dass der noch recht junge Autor diese Distanzierung schaffen wollte, vielleicht auch sollte.

Bott ist Jahrgang 1983 und so liest sich auch sein Erstlingswerk. Mittdreißiger in der Großstadt und ihre alltäglichen Sorgen irgendwo zwischen zu viel promiskuitivem und beliebigem (männlicher Protagonist, Strafverteidiger mit entsprechendem Ego) und zu wenig (weibliche Protagonistin mit Latina-Hintergrund, von der hauptstädtischen Boulevardpresse als "Berlins heißeste Staatsanwältin" beschrieben, sich ihrer Vorzüge aber kaum bewusst) Sex bilden die Kulisse dafür. Das Buch arbeitet mit diesen Stereotypen, die es schon auf dem Umschlagtext bewirbt. Sie ziehen sich durch das Werk. Aber sie entwickeln sich nicht und gehen zunehmend unter in einer Handlung, die mit ihnen nichts zu tun hat und die sie auch nicht bräuchte.

Dennoch ist das Buch des promovierten Strafrechtlers, der in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen berät und verteidigt, eine gute Geschichte, sehr spannend* und bestens geeignet, um sich über die Weihnachtsfeiertage ein paar Stunden zurückzuziehen: Ein Thriller, dessen Charaktere trotz ihrer holzschnittartigen Einführung über die Seiten zumindest dem geneigten - will sagen: urbanen, akademischen, bindungsunfähigen Workaholic – Leser ans Herz wachsen dürften. Den man trotz schleppenden Beginns mit zunehmender Spannung liest, ungern aus der Hand legt und dessen Auflösung man erfahren will. Ein etwas strafferes Lektorat hätte den über 400 Seiten allerdings gut getan.

Aber der Thriller ist schnell gelesen. Die Mordserie wird zwar bald zu den "Philosophenmorden" erklärt, aber die Informationen über die Denker, ihr Leben, Wirken und - nicht zuletzt - Sterben bleiben so spärlich gesät, dass man nicht befürchten muss, allzu viel Bildung abzubekommen. Und wer wegen Titel, Autor und der ersten Szenen darauf spekuliert hätte, etwas über Strafzwecktheorien zu erfahren, wird spätestens mit der etwas holprigen Auflösung darüber belehrt, dass es bloß um Rache ging.

Überhaupt erhebt das Buch keinen Anspruch darauf, seine Leser allzu sehr an der juristischen Welt teilhaben zu lassen, in der seine Handlung stattfindet. So muss die junge Staatsanwältin sich zwar in den eher grauen Amtsstuben gegenüber der rein männlichen Kripo-Truppe behaupten, die sie leiten soll. Und der Strafverteidiger, der über einen Mentor den Weg zu den großen Mandaten gefunden hat, wird von einer Verkehrskontrolle vor seinem Wohnhaus daran gehindert, pünktlich zur Vernehmung seines Mandanten zu erscheinen.

Aber selbst - einem alten Haudegen von Staatsanwalt zugeschriebene - Ausführungen zur Aufgabe der Staatsanwaltschaft (Hüterin des Rechts, die auch zugunsten des Angeklagten ermittelt) bleiben blass und vermitteln keinen Zugang zu dem Umfeld, das immerhin in Teilen auch das des Autors selbst ist. Es hätte keines Juristen bedurft, um dieses Buch zu schreiben. Oder vielleicht hat ebendieser Jurist sich auch nur sehr bemüht, keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass nicht nur seine Kanzlei, sondern seine ganze Welt "sehr anders ist" als die in seinem trotz mancher struktureller Schwächen gelungenen Debütroman*.

Ingo Bott, Das Recht zu strafen, Grafit Verlag, ISBN 978-3-89425-495-7

*Geringfügige Änderungen am 22. Dezember, 9:45 Uhr

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Last-Minute-Weihnachtsgeschenke: Sieben Bücher von und für Juristen . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26153/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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