Joseph von Eichendorff zum Todestag: Der Spätromantiker in der preußischen Justiz

Seine Werke schwärmen vom Fernweh, vom rastlosen Wandern und vom romantischen Leben eines Taugenichts. Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff selbst entsprach überhaupt nicht dem Bild des ungebundenen Freigeistes. Der exzellente Jurist war vielmehr eingebunden in das strenge Reglement des preußischen Staatsdienstes.

Joseph von Eichendorff, am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor/Oberschlesien geboren, entstammte katholischem Landadel. Seine wichtigste Bezugsperson war der knapp zwei Jahre ältere Bruder Wilhelm. Mit ihm teilte er auch die Leidenschaft für Dichtung und Theater.

Als die Schulzeit an einem Gymnasium in Breslau begann und Eichendorff das erste Mal die Familie verlassen musste, kam er vor Heimweh fast um. "Die Monate in Breslau waren oft quälend", so der Biograf Paul Stöcklein, "Examina, Heimweh, Blutspucken. Die Ferien in Lubowitz haben bald alles wieder geheilt."

Canapé -Abende mit Hofrath Thibaut

Gemeinsam zog es die Eichendorff-Brüder 1805 zum Studium der Rechtswissenschaften  nach Halle. Dabei widmeten sie sich vor allem den gesellschaftlichen Ablenkungen. Die schöne Zeit endete nach zwei Semestern mit dem Einmarsch der napoleonischen Eroberungstruppen in die Stadt, deren Universität daraufhin geschlossen wurde.

Zur Fortsetzung des Jurastudiums wandten sich die Brüder im Mai 1807 nach Heidelberg, das schon damals einen besonderen akademischen Ruf genoss. Anders als in Halle beschlossen die Eichendorffs ihr rechtswissenschaftliches Studium mit eisernem Fleiß fortzuführen – was ihnen auch gelang.

Überliefert ist der Studienalltag: Gegen fünf Uhr morgens wurde aufgestanden. An dem einen Tag wurden bis 9 Uhr am Abend Vorlesungen besucht und gelernt, während man sich am folgenden Tag mit Sprachen beschäftigte. Und obwohl Eichendorff erfolgreich studierte, empfand er die Juristerei dennoch als "geistloses Brotstudium", beschwerte er sich über die "entsetzliche Langeweile" der Kollegs. An dieser Bewertung änderte auch nichts der Umstand, dass in Heidelberg die bedeutendsten Rechtslehrer ihrer Zeit dozierten. Mit einem von ihnen – dem bekannten Rechtswissenschaftler Anton Friedrich Justus Thibaut – verbrachte Joseph von Eichendorff auch private und unterhaltsame Canapé-Abende.

Im Mai 1808 trieb es die Eichendorffs wieder fort aus Heidelberg. Über Joseph von Eichendorffs juristische Studienleistungen existiert ein Abschlusstestat, in dem es u.a. heißt, dass er "während seines Aufenthalts auf der Hiesigen Academie von Ostern 1807 bis Ostern 1808 die Vorlesungen über die Institutionen, die Pandecten und das Criminalrecht mit musterhaftem Fleiße und ununterbrochener Aufmerksamkeit, nicht weniger auch die Vorlesungen über das Kirchenrecht mit Fleiß besucht, auch durch sein vorzüglich gutes und sittliches Betragen die volle Achtung seiner sämmtlichen Lehrer erworben und sich des vorzüglichsten Lobes werth gemacht habe."

"Taugenichts" und Beamter

Im selben Jahr, als er Heidelberg verließ, unternahm Joseph von Eichendorff mit seinem Bruder eine Bildungsreise nach Paris und Wien. Den Winter 1809/10 verbrachten sie in Berlin, besuchten Vorlesungen des Rechtsphilosophen Johann Gottlieb Fichte und kamen mit Dichtern wie Heinrich von Kleist zusammen. Das Jurastudium setzten die Eichendorffs 1810 in Wien fort und schlossen es 1812 erfolgreich mit der Staatsprüfung ab.

Kurz darauf trennen sich die Lebenswege der Brüder: Wilhelm beschritt die Verwaltungslaufbahn in Österreich, während Joseph von 1813 bis Anfang 1816 an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilnahm. Dazwischen liegt, 1815, seine Heirat mit Luise von Larisch, sehr zum Unwillen der Mutter, die sich eine bessere Partie für den Sohn und für das Familiengut erhofft hat.

Der Dichterjurist kehrte nach Berlin zurück und übernahm 1831 einen Posten beim Berliner Kultusministerium. In dieser Zeit begegnete er Adalbert von Chamisso. Er schrieb nach Feierabend zahlreiche Beiträge in Journalen und übersetzte die Werke des Spaniers Pedro Calderon de la Barca ins Deutsche.

Distanz zwischen Werk und Leben

Dass Eichendorff weder ein unbeschwertes Vagabundenleben führte, noch das romantische Ideal des weltentrückten Schriftstellers auf dem Elfenbeinturm realisierte, war nicht zuletzt seinem Realitätssinn und Verantwortungsgefühl geschuldet. "Hüte jeder das wilde Tier in seiner Brust, dass es nicht plötzlich ausbricht und ihn selbst zerreißt", bemerkte er vielsagend.

Als er 1840 von Berlin nach Königsberg zurückversetzt werden sollte, schrieb er empört an König Friedrich Wilhelm IV. Eine Versetzung in die Provinz ließe ihn in der "öffentlichen Meinung" als einen "Trägen und Untauglichen" erscheinen. Der König zeigte Verständnis.

Im Jahr 1841 wurde Eichendorff schließlich Geheimer Regierungsrat. Drei Jahre darauf ließ er sich pensionieren. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er bereits zu den bedeutendsten Dichtern der Romantik. Sein Lebensabend verlief äußerst zurückgezogen. 1851 schrieb Otto von Bismarck über Eichendorff verwundert an seine Braut: "Weißt Du, daß der Mensch noch lebt? Wohnt hier im Kadettenkorps .."

Joseph Freiherr von Eichendorff starb wegen Magenkrebs am 26. November 1857 in Neiße.

Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.

Zitiervorschlag

Jürgen Seul, Joseph von Eichendorff zum Todestag: Der Spätromantiker in der preußischen Justiz . In: Legal Tribune Online, 26.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2051/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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