Weltweit erste Abschaffung der Todesstrafe: Die fort­schritt­liche Tos­kana

Am 30. November 1786 erließ Pietro Leopoldo, Großherzog der Toskana, eine Strafrechtsreform, die weltweit erstmalig die Todesstrafe abschaffte. An dieses für die aktuelle Diskussion nicht ganz unwichtige Jubiläum erinnert Herbert Grziwotz.

Modellcharakter nicht nur für Europa, sondern für die gesamte Welt hat das von Großherzog Peter Leopold, später deutscher Kaiser Leopold II., am 30. November 1786 erlassene Criminalgesetz für die Toskana. Das Gesetz schaffte die Todesstrafe völlig ab – zu diesem Zeitpunkt das weltweit allererste Mal.

Vorangegangen war unter dem Geist der Aufklärung erstmals eine Diskussion über die Rechtfertigung der Todesstrafe. Nach den neuen Straftheorien sollte das Maß der Strafe im rechten Verhältnis zur Schädlichkeit der Tat stehen und sich damit am Endzweck des gemeinen Nutzens orientieren. In Deutschland war es vor allem Christian Thomasius mit seiner Schrift "Über die Folter", in Österreich Joseph von Sonnenfels und in Italien Cesare Beccaria mit seiner Schrift "Dei delitti e delle pene", welche die entsprechenden Diskussionen auslösten.

Während allerdings das Preussische Allgemeine Landrecht von 1794 noch die Todesstrafe für zahlreiche Delikte androhte und auch die Österreichische Constitutio Criminalis Theresiana ebenfalls die Todesstrafe noch ausgiebig vorsah, hat sie Leopold II. in Artikel 51 seines Criminalgesetzbuches für die Toskana völlig abgeschafft.

Artikel 51 Criminalgesetz der Toskana von 1786

Der 51. Artikel des damaligen Criminalgesetzes lautete:

"Peter Leopold, von Gottes Gnaden, königl. Prinz von Ungarn und Böhmen, Erzherzog von Oesterreich, GroßHerzog von Toskana etc.

Mit Entsetzen haben Wir bemerkt, mit welcher Leichtigkeit, in der vorigen peinlichen GerichtsOrdnung, auf so manche, eben nicht schwere Vergehungen, TodesStrafe gesetzt war. Da nun aber der Zweck der Strafen kein anderer seyn darf, als die Ersetzung des verübten Privat- und öffentlichen Schadens; dann die Besserung des Delinquenten, der doch auch ein Sohn der Gesellschafft und des Stats ist, an dessen Besserung man nie verzweifeln darf; ferner die öffentliche Sicherheit gegen grobe und ruchlose Missetäter, die deshalb außer Stand gesetzt werden müssen, ferner zu schaden; und endlich das öffentli. Beispiel:

Da nächstdem die Regirung, bei Bestrafung der Verbrechen, und zu Beförderung des durch die Strafe zu erreichenden Zwecks, verbunden ist, die wirksamsten Mittel anzuwenden, und dem Delinquenten so wenig, als möglich, Uebel zuzufügen; da ferner die Strafe öffentlicher Arbeit zu Erreichung dieses Zwecks ungleich wirksamer, und zugleich milder ist, als die TodesStrafe, indem dadurch ein bleibendes, und nicht wie bei der TodesStrafe, ein blos vorübergehendes Beispiel, das nicht selten in Mitleiden ausartet, gegeben, und der Verbrecher ebenfalls außer Stand gesetzt wird, ferner zu sündigen, ohne daß zugleich die Hoffnung verschwindet, irgend einmal einen nützlichen und gebesserten Bürger wieder in den Schos der Gesellschaffft zurückkeren zu sehen:

und Wir endlich erwogen haben, daß eine ganz verschiedene Gesetzgebung den sanfteren und biegsameren Sitten des jetzigen Jarhunderts, besonders der Toskanischen Nation, angemessener ist: so haben Wir den Entschluß gefaßt, die TodesStrafen gänzlich abzuschaffen; wie Wir sie, kraft dieses unseres Gesetzes bei allen und jeden Verbrechen, der Delinquent mag gegenwärtig oder contumacirt, er mag selbst confessus und convictus irgend eines Verbrechens seyn, welches nach den bisherigen Gesetzen für capital erklärt gewesen, auf ewige Zeiten abgeschafft und aufgehoben haben wollen."

(zit. nach Kroeschel, Deutsche Rechtsgeschichte, Band 3, 5. Auflage 2008, S. 99 ff.).

Verzicht auf Vollzug der Todesstrafe: Ein erfolgreiches Experiment

Die besondere Bedeutung dieser Gesetzgebung zeigt sich nicht nur im Vergleich zur preußischen und österreichischen Strafgesetzgebung dieser Zeit, sondern auch der anhaltenden Diskussion über die Rechtfertigung der Todesstrafe. Bekannt ist die Stellung des großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant, der für die Todesstrafe eintrat: "Hat er aber gemordet, so muss er sterben. Es gibt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit."

Dieser Meinung waren bis 1996 die Mehrheit der Staaten auf der Welt, die die Todesstrafe vorsahen. Auch heute haben viele Staaten, insbesondere auch internationale Partner Deutschlands, wie etwa die USA und Saudi Arabien, die Todesstrafe noch in ihrem Strafgesetzbüchern und praktizieren diese. In der Türkei wird aktuell die Wiedereinführung der Todesstrafe propagiert. Und denken wir selbst nicht manchmal anlässlich brutaler Terroranschläge, erpresserischen Kindesentführungen mit anschließender Tötung des Kindes sowie bei bestialischen Massenvergewaltigungen mit Todesfolge darüber nach, dass "wer zu töten weiß, auch zu sterben wissen muss"? Die philosophische Diskussion über die Rechtfertigung der Todesstrafe dauert deshalb an.

Eines der gewichtigsten Argumente gegen sie ist, dass Justizirrtümer nicht auszuschließen sind. Von Bedeutung am Toskanischen Criminalgesetzbuch ist, dass es die Diskussion um die Todesstrafe zum ersten Mal auf eine empirische Basis stellte. Die in Artikel 51 genannten "Sitten Toskanas" beruhen auf einer zehnjährigen Erfahrung mit dem Verzicht auf Vollstreckung der Todesstrafe, mit der keine Einbuße an öffentlicher Sicherheit verbunden war. Leopold II. begründete seine Ablehnung gegen den Vollzug der Todesstrafe deshalb folgendermaßen: "Er ist nur für barbarische Völker angemessen."

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Historiker und Notar in Regen und Zwiesel.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Weltweit erste Abschaffung der Todesstrafe: Die fortschrittliche Toskana . In: Legal Tribune Online, 30.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21300/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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