Akademie für Deutsches Recht: Die juristische Travestie des Dr. Frank

von Martin Rath

07.10.2012

Neben den Verfassungsorganen, dem Deutschen Juristentag, den zehn juristischen Max-Planck-Instituten und den juristischen Fakultäten wird es wohl nie wieder eine zentrale "Akademie" für Juristen geben. Den Grund liefert die "Akademie für Deutsches Recht". Eine böse Geschichte von Martin Rath.

Der Richter aus der Sowjetunion stimmte auch für "schuldig" in einem Punkt, in dem gegen den Angeklagten gar nicht verhandelt worden war – und selbstverständlich für die Todesstrafe. Auch der britische und der US-amerikanische Richter stimmten für "schuldig" und Tod durch Erhängen. Allein der französische Richter Henri Donnedieu de Vabres (1880-1952) sollte sich als "merkwürdig zartfühlend" erweisen und eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Diskussion stellen.

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 1946 wurde Hans Frank dem Urteil im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess entsprechend hingerichtet. Bekannt ist der im Jahr 1900 in Karlsruhe geborene, 1924 von Walter Jellinek und Max Pappenheim promovierte Jurist vor allem als "Schlächter von Polen" – zwischen 1939 und 1945 diente der NS-Politiker als Hitlers Verwaltungschef im so genannten Generalgouvernement Polen. Auch die wütende Abrechnung seines Sohnes, des Journalisten Niklas Frank (geb. 1939) brachte den Mann in den 1980er-Jahren ins öffentliche Gedächtnis.

Juristische Akademie als Spielwiese und Propagandamittel

Gehängt wurde Frank als Kriegsverbrecher, mitschuldig an der Ausbeutung und Ermordung von Millionen Menschen in Polen und der Ukraine. Seine Tätigkeit als Wissenschaftspolitiker ist weniger bekannt, obwohl die Zeitschriftenbände seiner "Akademie für Deutsches Recht", gedruckt auf schlechtem Papier, leicht greifbar in jeder juristischen Fakultätsbibliothek vor sich hinbröckeln und -stauben.

Im Juni 1933 trafen sich auf Einladung des bayerischen Justizministers einige Professoren der Universität München sowie führende NS-Rechtspolitiker, um die Akademie für Deutsches Recht zu gründen. Der erst jüngst ernannte Minister hatte sich sein Amt als Strafverteidiger von Nazi-Schlägern "erdient" und ermöglichte 1930 im so genannten Ulmer Reichswehrprozess – vor dem Reichsgericht waren drei Offiziere wegen Hochverrats angeklagt – Hitler durch eine Zeugenaussage über die vermeintliche Verfassungstreue der NSDAP den sogenannten "Legalitätseid". Zu den ersten "Amtshandlungen" des bayerischen Justizministers zählten die Anordnung, seinen Vater wieder in die Anwaltskammer aufzunehmen und die Vernichtung der Akten, die zum Ausschluss geführt hatten – Karl Frank, der Vater des Ministers, war 1925 wegen Mandantenverrats und Veruntreuung von Mitarbeitergeldern ausgeschlossen worden.

In der für rechtextreme und auch manche brav "basisdemokratische" Politiker bis heute nicht untypischen Mischung von Größenwahn und Projektemacherei begründete er die Notwendigkeit der Akademie mit seiner Verachtung der verfassungsmäßigen Institutionen:

"Denn kaum auf einem anderen Lebensgebiet haben sich die parlamentarischen Methoden des Parteienstaats verhängnisvoller ausgewirkt als auf dem Gebiete der Rechtsschöpfung und Rechtssetzung. Hier war im verflossenen Staat der Tummelplatz anonymer, der Verantwortung entzogener wirtschaftlicher und politischer Machtgruppen. Die verfassungsmäßig verankerte Forderung, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgehe und daß daher die Gesetze Ausdruck des Rechtswollens des Volkes seien, war zur reinen Fiktion herabgesunken."

Die Akademie für Deutsches Recht, 1933 beim "inoffiziellen" Deutschen Juristentag in Leipzig mit Pomp verkündet, wurde 1934 durch Reichsgesetz zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts "erhoben". Frank, der sich zu Höherem berufen fühlte, wurde nach der "Gleichschaltung" der Länder mit dem Reich als Akademiepräsident mit der Position eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich abgespeist.

Ein ganz normaler Akademiebetrieb

Der Akademiebetrieb wurde in den Jahren bis zum Kriegsbeginn erfolgreich aufgenommen. Bis zu 300 Mitglieder waren vorgesehen, bekannte Juristen darunter, beispielsweise Reichsgerichtspräsident Erwin Bumke (1874-1945), Roland Freisler (1893-1945) oder der spätere Präsident des Bundesarbeitsgerichts Hans Carl Nipperdey (1895-1968). Zahlreiche Juristen aus dem europäischen Ausland konnten als korrespondierende Mitglieder gewonnen werden. So sprach beispielsweise 1935 auf der Vollsitzung der Akademie der Dekan der juristischen Fakultät an der Sorbonne über "Die internationale Bekämpfung der Delikte des Völkerrechts", ein gewisser Donnedieu de Vabres. Bei den feierlichen Sitzungen in München marschierten die Juraprofessoren in vollem Ornat auf, in Berlin beehrte der US-Botschafter die Eröffnungstreffen.

Natürlich wurden die Zeitschriften der Akademie bei einem großen juristischen Verlag in München publiziert und der – dank seiner eigenen und der Verschwendungssucht seiner Frau – stets in Geldnöten befindliche Hans Frank durfte sich auch über eine monatliche Zahlung des Verlages C.H. Beck freuen.

Zum zahlreich eingeladenen internationalen Publikum passend wurden bei Akademietreffen durchaus seriöse rechtswissenschaftliche Diskussionen geführt. Ernst Heymann (1870-1946), Dekan der Berliner Juristenfakultät, referierte beispielsweise 1935 sachlich über die "Bedeutung der Rechtsvergleichung". In den zahllosen Arbeitsgruppen der Akademie wurde zwischen den propagandistisch genutzten Vollsitzungen juristische Grundlagenforschung betrieben. In einem Artikel für die "Juristische Schulung" betonte Hans Hattenhauer denn auch die Normalität des Akademiebetriebs, der weitgehend dem Betrieb heutiger Einrichtungen dieses Typs entsprochen habe (JuS 1986, S. 680-684).

Diese Einschätzung in der juristischen Ausbildungszeitschrift wird nicht allein durch die propagandistischen Tagungen der Akademie konterkariert: Vor Heymann sprach etwa der "Reichsbauernführer" Walter Darré (1895-1953) über "Blut und Boden im Recht" und darüber, dass das – auch dogmatisch leicht irrsinnige – Reichserbhofgesetz von einigen Landwirten wegen  "sorgsam verheimlichte(r) Webfehler in ihrer Ahnentafel infolge jüdischen Blutes" nicht gut aufgenommen worden sei.

Die vom Akademiemitglied Carl Schmitt (1888-1985) propagierte Ausmerzung jüdischer Autoren aus dem juristischen Schrifttum wurde in der Akademiebibliothek selbstverständlich umgesetzt, eine entsprechende Kartei angelegt. Während die Gerichte über die Verwendung der Generalklauseln zum Beispiel Mietverträge jüdischer Mieter contra legem für nichtig erklärten, kam die Arbeit der Akademie nicht recht voran, die "Werte" des neuen Staates in einem "Volksgesetzbuch" niederzuschreiben, mit dem das "liberalistische" Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) abgelöst werden sollte.

Kein rechtspolitischer Einfluss von Gewicht

Rechtspolitischen Einfluss konnte die Akademie indes nicht ausüben. Frank hatte sich versprochen, sie könnte die Funktion des parlamentarischen Beratungsprozesses übernehmen. Hitler kam seinem Wunsch aber nicht nach, die Referentenentwürfe der nach wie vor arbeitenden Ministerialbürokratie der Akademie zur Prüfung vorlegen zu lassen.

Frank, der die Akademie auch weiter führte, nachdem er 1939 als Generalgouverneur nach Krakau gegangen war – und dort nicht nur als mörderischer "Gesetzgeber" fungierte, sondern auch ein Regime extremer persönlicher Bereicherung etablierte –, erlitt weitere Rückschläge. Der langjährige Geschäftsführer der Akademie, der 1935 von der Universität zu Köln in einem 30-stündigen Schnellverfahren zum Doktor der Rechte promovierte Karl Lasch, wurde 1942 der Veruntreuung von Akademiegeldern bezichtigt, wegen seiner Bereicherung im Generalgouvernement verhaftet und auf persönliche Weisung Heinrich Himmlers erschossen.

Im Frühjahr 1942 war vor dem Landgericht Oldenburg ein gewisser Ewald Schlitt wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Davon las Hitler in der Zeitung und ließ das Urteil durch einen "außerordentlichen Einspruch" aufheben – woraufhin der der Besondere Strafsenat des Reichsgerichts unter Präsident Bumke Schlitt zum Tode verurteilte.

Dass sich Hitler daraufhin vom willfährigen Reichstag auch noch zum obersten "Gerichtsherrn" deklarieren ließ, verleitete Frank zu einigen Reden vor juristischem Publikum, in denen er die "Unabhängigkeit" der Richterschaft thematisierte – eine "Unabhängigkeit", die freilich nichts weiter beinhaltete als die Forderung, der Richter möge NS-konform urteilen, ohne dazu Anweisungen empfangen zu müssen.

Entlassung und Ende

Die "Akademie für Deutsches Recht" verlor daraufhin ihren Präsidenten und wurde in die Obhut des Reichsjustizministeriums überführt. Franks Motivation zum Widerspruch wird von Historikern wie seinem Biografen Dieter Schenk auf eine Art "enttäuschte Liebe" zu seinem "Führer" zurückgeführt. Auch die maßgebende Dissertation zur Akademie von Hans-Rainer Pichinot (Kiel, 1981) belegt, dass es Frank immer wieder vergeblich um Einfluss auf die Rechtspolitik des "Dritten Reichs" ging.

Zu den – für ihren Präsidenten – wirksamsten "rechtswissenschaftlichen" Arbeiten der Akademie sollte sein Versuch zählen, sein Verhältnis zum SS-Chef Heinrich Himmler zu verbessern, das – wie die Hinrichtung von Lasch zeigte – sehr gespannt war: Der "Nationalitätenrechtliche Ausschuss" der Akademie erarbeitete 1940 ein Rechtsgutachten zur  "Rechtsgestaltung deutscher Polenpolitik nach volkspolitischen Gesichtspunkten" – also zur Kolonialisierung und Versklavung des besetzen Polens.

Himmler wollte von so viel rechtlicher Förmlichkeit nichts wissen. Interessierter zeigte sich 1945/46 der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg, der das Gutachten als Beweisstück "661-PS" einführte.

Die an Absurditäten und Gemeinheiten reiche Geschichte der "Akademie für Deutsches Recht" ist damit noch gar nicht zu Ende erzählt. Aber dass eines ihrer Rechtsgutachten schließlich mit zur Verurteilung der Hauptkriegsverbrecher geführt hat, ist immerhin eine bemerkenswerte Leistung.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.

Auf den Hinweis eines Lesers wurde der Teaser am 8. Oktober 2012 geändert. Statt "sieben juristischen Max-Planck-Gesellschaften" muss es heißen "zehn juristischen Max-Planck-Institute". Wir danken für den Hinweis.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Akademie für Deutsches Recht: Die juristische Travestie des Dr. Frank . In: Legal Tribune Online, 07.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7249/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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