Die juristische Presseschau vom 23. September 2016: Teure Böller / Eini­gung zu Erb­schaft­steuer / BVerwG zu Glau­bens­ge­mein­schaft

23.09.2016

Nach einem BGH-Urteil können Fußballvereine auferlegte Verbandsstrafen von sich daneben benehmenden Fans zurückfordern. Außerdem in der Presseschau: Kompromiss bei Erbschaftsteuer und BVerwG zu Mitgliedschaft in religiöser Gemeinschaft.

Thema des Tages

BGH zu Fußball-Fans: Verbandsstrafen, die vom DFB gegenüber Fußballvereinen für ungebührliches Fan-Verhalten verhängt werden, können nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Schadensersatz von den betreffenden Fans zurückgefordert werden. Eine anderslautende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln wird damit aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Dort müsse vor einer endgültigen Entscheidung über die Regresspflichtigkeit des böllerwerfenden Anhängers des 1. FC Köln dessen Schuldfähigkeit festgestellt werden, so die taz (Christian Rath). Das BGH-Urteil läute "keine neue Ära ein". Untere Instanzen hätten die Haftbarmachung von Fans bislang grundsätzlich ermöglicht, dass Urteil des OLG Köln "war hier nur ein Ausreißer". In die Rechtsproblematik führt lto.de (Pia Lorenz) ein.

Im Interview mit zeit.de (Fabian Scheler) kritisiert Rechtsanwalt Matthias Düllberg, dass Verbandsstrafen bislang verschuldensunabhängig verhängt wurden. Identifizierten Einzeltätern drohten nun neben Sanktionen durch ordentliche Gerichte auch noch die Begleichung dieser Verbandsstrafen, deren Höhe aber völlig willkürlich und intransparent ermittelt würde.

Der Kommentar von Sebastian Fischer (SZ) bezeichnet das Urteil dagegen als Erfolg, wenn einige Fans davon abgehalten würden, andere Stadionbesucher zu gefährden. Es verfehle seine Wirkung, wenn es Vereine aus der Verantwortung entlasse, "auch selbst für Sicherheit zu sorgen und zudem in Fanprojekten den Dialog mit ihrer Kundschaft zu suchen".

Rechtspolitik

Erbschaftsteuer: In der vorletzten Nacht konnte im Vermittlungsausschuss eine Einigung über die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Reform der Erbschaftsteuer erreicht werden. Es berichten unter anderem Hbl (Donata Riedel/Jan Hildebrand) und SZ (Cerstin Gammelin/Wolfgang Wittl), diese mit einem Überblick zu den wichtigsten Änderungen. Ein weiterer Bericht der SZ (Wolfgang Janisch) geht davon aus, dass es auch mit dem erreichten Kompromiss eine Privilegierung von Firmenerben gegenüber normalen Erben gebe. Der hierfür notwendige Rechtfertigungsgrund könne jedoch im Erhalt von Arbeitsplätzen erkannt worden. "Über kurz oder lang" werde sich das BVerfG ohnehin mit der Neuregelung befassen müssen, bis dahin sei man in Karlsruhe wohl erleichtert, sich nicht zum Ersatzgesetzgeber aufschwingen zu müssen. Donata Riedel (Hbl) mutmaßt in einem Kommentar, dass Familienunternehmer die "Wiedervorlage in Karlsruhe" fürchten müssten. Unter Umständen wäre aber ein neues Urteil der Anlass für "Steuerreform mit dem gleichen Steuersatz für alle Erben". Eine "Erbschaftsteuer, die alle gleich, aber dafür niedrig besteuert", wird auch von Manfred Schäfers (FAZ) im Leitartikel der Zeitung als "einfach, gerecht und wirtschaftsfreundlich" bevorzugt.

Steuer-Leaks: Aus Anlass der Berichterstattung zu den Bahamas-Leaks fragt Heribert Prantl (SZ), ob wiederkehrende Enthüllungen über internationale Steuervermeidungspraktiken angesichts ebenso internationaler Geldflüsse einen wirklichen Wert hätten. Dies sei der Fall, weil mittlerweile keine Bank und kein Land mehr garantieren könne, "eine leckfreie Zone" zu bleiben.

BND-Reform: Am kommenden Montag wird Gerhard Schindler, bis zum Juni Präsident des Bundesnachrichtendienstes, im Innenausschuss des Bundestages seine Meinung zur geplanten BND-Reform kundtun. Das Manuskript seiner äußerst kritischen Stellungnahme hat die SZ (Reiko Punkert/Ronen Steinke) studiert.

Nichteinwilligungsfähige: In einem Gastbeitrag für die SZ nimmt Jochen Taupitz, Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und internationales Medizinrecht, an der Debatte über die Zulässigkeit von medizinischen Tests an Nichteinwilligungsfähigen, etwa Demenzkranken. Der Jurist spricht sich gegen ein pauschales Verbot aus, weil dem Grundgesetz kein exklusiv an den Belangen der Betroffenen orientiertes "eigennützig ausgerichtetes Menschenbild" entnommen werden könne.

Asylbewerber: In einem Kommentar erinnert Reinhard Müller (FAZ) daran, dass "mehr als eine halbe Million abgelehnter Asylbewerber" nach geltendem Recht kein Recht auf Aufenthalt in Deutschland genießen. Der "Nichtvollzug geltenden Rechts" wiederum stelle ein "Armutszeugnis für den Rechtsstaat" aus und marginalisiere die Frage, "wen wir eigentlich gern hier behalten wollen".

Arbeitsstättenverordnung: Bundesregierung, Arbeitgeberverbände und Länder haben sich überraschend auf einen neuen Entwurf zur Arbeitsstättenverordnung geeinigt. Am heutigen Freitag soll das Vorhaben den Bundesrat passieren, schreibt die SZ (Thomas Öchsner) und stellt wichtige Punkte im Überblick dar.

Sozialer Wohnungsbau: Durch eine Grundgesetzänderung will Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) dem Bund ein größeres Mitspracherecht bei öffentlicher Wohnungsbauförderung sichern. Über Einzelheiten des Vorschlags schreibt die SZ (Peter Blechschmidt).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. September 2016: Teure Böller / Einigung zu Erbschaftsteuer / BVerwG zu Glaubensgemeinschaft . In: Legal Tribune Online, 23.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20557/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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