Die juristische Presseschau vom 14. April 2022: Ham­burg bleibt Hotspot / Genozid in der Ukraine? / Mats Hum­mels und die Medien

14.04.2022

Das Verwaltungsgericht Hamburg billigt die Einstufung des Stadtstaats als Corona-Hotspot. Joe Biden wirft Russland Völkermord vor. Medien dürfen über Mats Hummels' Beziehungen zu drei Frauen berichten. 

Thema des Tages

VG Hamburg zu Corona-Hotspot: Das Verwaltungsgericht Hamburg bestätigte in einem Eil-Beschluss die Einstufung Hamburgs als Corona-Hotspot und lehnte Eilanträge von vier AfD-Politikern ab. Das Land habe einen weiten Einschätzungsspielraum. Es sei auch möglich gewesen, das ganze Bundesland zum Hotspot zu erklären, weil ein Stadtstaat eine "Gebietskörperschaft" im Sinne des Infektionsschutzgesetzes sei. Die Einstufung als Hotspot erlaubt strengere Corona-Maßnahmen, z.B. eine FFP2-Maskenpflicht im Einzelhandel. Der Hamburger Senat will die Einstufung als Hotspot nach dem 29. April jedoch nicht verlängern. LTO (Hasso Suliak) berichtet. 

Ukraine-Krieg und Recht

IStGH – Ukraine: US-Präsident Joe Biden hat Russland erstmals einen "Völkermord" in der Ukraine vorgeworfen. Ob dort auch rechtlich ein Völkermord vorliege, müssten jedoch Juristen entscheiden. Andreas Ross (FAZ) kritisiert Biden: "Der amerikanische Präsident sollte mit seinen Juristen zurate gehen, ehe er zur absoluten rhetorischen Zuspitzung greift". Der Begriff "Genozid" sei nicht einfach die Steigerungsform von "grausam". Biden relativiere das Menschheitsverbrechen Genozid, "indem er das Wort leichtfertig verwendet".

Die SZ (Jörg Häntzschel/Wolfgang Janisch) präsentiert im Feuilleton ein Glossar völkerrechtlicher Begriffe des NGO-Völkerrechtlers Patrick Kroker. Unter dem Stichwort "Genozid" heißt es u.a.: "Putins Aussagen, dass es die ukrainische Nation eigentlich gar nicht gebe, dass es deshalb auch keine Menschen gebe, die dieser Nation angehören, könnte aber ein Hinweis darauf sein, dass es in die Richtung Völkermord geht."

In den USA wird darüber diskutiert, den Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen. Bislang war eine Finanzierung des IStGH gesetzlich verboten, weil die USA nicht akzeptieren, dass der IStGH auch Kriegsverbrechen der USA oder Israels untersuchen könnte. Der republikanische Senator Lindsey Graham schlägt nun vor, dass die USA immer dann mit dem IStGH kooperieren, wenn es um Staaten ohne funktionierendes Rechtssystem geht. Gemeint ist zum Beispiel Russland. Die SZ (Fabian Fellmann) berichtet. 

Rechtspolitik

Verbraucherschutz: Das Justiz- und das Umweltministerium haben eine Ressortvereinbarung geschlossen, in der der Ressortwechsel des Verbraucherschutzes im Detail geregelt wurde. Im Umweltministerium gibt es jetzt eine neue Abteilung für Verbraucherschutz. Das Justizministerium bleibt aber für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und den geplanten Digital Services Act der EU zuständig. Es berichten FAZ (Katja Gelinsky) und LTO

Whistleblowing: Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat seinen Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vorgestellt. Whistleblower sollen vor arbeitsrechtlichen Sanktionen geschützt werden, wenn sie sich an interne oder externe Meldestellen wenden. Unternehmen bis 249 Mitarbeiter:innen können sich zusammentun und gemeinsam eine interne Meldestelle betreiben. Es berichtet zeit.de

Sozialisierung von Wohnungsunternehmen: Die Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" will sich nun doch an der vom Berliner Senat eingerichteten Expertenkommission beteiligen und drei von 13 Fachleuten benennen. Die Kommission soll Vorschläge zur Umsetzung des Volksentscheids machen, der sich im September 2021 für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen ausgesprochen hatte. LTO berichtet. 

Justiz

BAG – Corona-Prämie: Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Pflegeeinrichtungen und ihren Beschäftigten über die staatliche Corona-Prämie sind die Sozialgerichte zuständig. Das entschied jetzt laut beck-community (Christian Rolfs) das Bundesarbeitsgericht.

OLG München zu russischem Spion: Das Oberlandesgericht München hat einen Wissenschaftler der Uni Augsburg wegen Spionage für den russischen Geheimdienst zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. Der russische Doktorand hatte öffentlich zugängliche Informationen an einen Mitarbeiter des russischen Generalkonsulates in München weitergegeben. Laut OLG hatte er sich "damit abgefunden", dass er für einen russischen Geheimdienst recherchierte. LTO berichtet. 

OLG Düsseldorf – türkischer Spion: Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen den mutmaßlichen türkischen Agenten Ali D. erhoben. Er soll in Deutschland Informationen über Mitglieder und Unterstützer der PKK sowie der Gülen-Bewegung gesammelt haben, um diese an türkische Geheimdienste auszuhändigen. spiegel.de berichtet. 

OLG Frankfurt/M. – Mitglied der Atomwaffen Division: Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen den 20-jährigen Tischlerlehrling Marvin E. erhoben. Er soll in Hessen versucht haben, einen Ableger der rechtsterroristischen Vereinigung "Atomwaffen-Division" zu gründen. Außerdem soll er einen Sprengstoffanschlag auf den Bundestag vorbereitet haben, um einen "Rassenkrieg" auszulösen. E. hatte im Vorjahr noch als Parteiloser bei der Kommunalwahl für die CDU kandidiert. Es berichten Welt (Alexander Nabert) und spiegel.de

VGH Hessen zu Aids im Zahnmedizinstudium: Die FAZ (Peter-Philipp Schmitt) schildert ausführlich den Fall eines HIV-infizierten Zahnmedizin-Studenten, den die Universität Marburg von Lehrveranstaltungen ausgeschlossen hatte, nachdem er monatliche Bluttests verweigerte. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel billigte im Februar in einem Eilbeschluss den Ausschluss. Der Anwalt des Studenten fand den Beschluss "schockierend", weil die Ansteckungsgefahr sehr gering sei. Er betreibt nun das Hauptsacheverfahren am Verwaltungsgericht Gießen.

VGH BaWü zu Verpackungssteuer: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat jetzt die Begründung zu einer Entscheidung von Ende März vorgelegt, in der er die Tübinger Satzung über eine kommunale Verpackungssteuer für unwirksam erklärte. Die Satzung verstoße gegen Bundesabfallrecht, das keine Verpackungssteuer vorsehe und ein "geschlossenes System" sei. Außerdem liege keine "örtliche" Verbrauchssteuer vor, weil auch die Verpackung von Speisen zum Mitnehmen erfasst sei und damit der Abfall möglicherweise außerhalb Tübingens anfalle. Es berichten FAZ (Katja Gelinsky), taz.de (Christian Rath) und LTO (Pauline Dietrich).

LG München II – Ex-Audi-Chef Stadler/Kronzeuge: Das Landgericht München II lehnte einen Antrag des wichtigsten Belastungszeugen auf Einstellung seines Verfahrens gegen Geldauflage gem. § 153a StPO ab. Die Schuld des Ex-Leiters der Audi-Abteilung Abgasnachbehandlung sei zu groß. Der Anwalt des Mannes kritisierte die Entscheidung. Im Falle einer Verurteilung drohten dem Kronzeugen Verfahrenskosten in "existenzbedrohender" Höhe. Es berichtet die SZ (Klaus Ott)

LG Heidelberg – Bodo Schiffmann: Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat gegen den Querdenker-Arzt Bodo Schiffmann und seine Frau Anklage erhoben. Sie sollen ohne Untersuchung Atteste zur Maskenbefreiung ausgestellt haben. Außerdem habe Schiffmann mehrfach den Holocaust verharmlost, etwa indem er Impfärzte mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglich. spiegel.de berichtet. 

AG Ansbach zu verhungerten Rindern: Das Amtsgericht Ansbach hat einen Landwirt, der mehr als 160 seiner Rinder verhungern ließ, zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und zu einem lebenslangen Tierhaltungsverbot verurteilt. Der Mann war infolge von Alkoholismus und einer Depression aus dem Gleichgewicht geraten, galt aber als schuldfähig. Die SZ (Benedikt Warmbrunn) schildert den Fall in einer Seite 3-Reportage. Auch spiegel.de berichtet. 

StA Stuttgart – kalabrische Mafia: zeit.de (Manuel Bogner) kritisiert das Vorgehen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen Mitglieder der kalabrischen Mafia ('Ndrangheta) und ihre Vermögenswerte als zu zögerlich. Anlass ist eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag. 

Recht in der Welt

Schweiz – Banker Pierin Vincenz: Das Bezirksgericht Zürich hat Pierin Vincenz, den langjährigen Chef der Schweizer Raiffeisen-Bankengruppe, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Vincenz hatte Gelder veruntreut, in dem er private Ausgaben u.a. in Strip-Clubs von der Bank bezahlen ließ. Außerdem habe er die Bank betrogen, indem er seine Beteiligung an Unternehmen verschwieg, die er im Namen der Bank aufkaufte. Es berichten SZ (Isabell Pfaff), FAZ (Johannes Ritter) und Hbl (Jakob Blume).

USA – Johnny Depp und Amber Heard: Vor einem Zivilgericht im Bundesstaat Virginia hat ein Schadensersatzprozess begonnen, bei dem Schauspieler Johnny Depp von seiner Ex-Frau Amber Heard 50 Millionen Dollar wegen Rufschädigung verlangt und Heard 100 Millionen Dollar von Depp u.a. wegen Verleumdung. Heard wirft Depp vor, er habe sie während der Ehe geschlagen sowie emotional und sexuell missbraucht. Depp behauptet, Heard sei eine Lügnerin. Es berichten SZ (Jürgen Schmieder) und spiegel.de.

USA – Elon Musk: Mehrere Aktionäre von Twitter bereiten eine Sammelklage gegen Elon Musk wegen Wertpapierbetrugs vor. Tesla-Chef Musk soll seinen Einstieg als Großinvestor bei Twitter nicht innerhalb der gesetzlichen Meldefrist öffentlich gemacht haben. Dadurch sei der Aktienkurs künstlich niedrig gehalten worden, während Musk seinen Anteil weiter ausbaute.Es berichtet LTO.

USA – Abtreibungsgesetz Oklahoma: Im Bundesstaat Oklahoma sind Abtreibungen künftig verboten, wenn nicht das Leben der Mutter gefährdet ist. Medizinischem Personal, das verbotene Abtreibungen durchführt, drohen bis zu zehn Jahren Haft, berichtet LTO. Das Gesetz sei "offensichtlich verfassungwidrig", kommentiert Eva Oer (taz). "Viele republikanisch regierte Bundesstaaten sind sich offenbar sicher, dass die Abtreibungsfreiheit in den USA bald fällt." Im Juni werde der US-Supreme Court über ein ähnliches Gesetz aus Missouri entscheiden. 

Juristische Ausbildung

Studienortwechsel: LTO-Karriere (Sabine Olschner) gibt Tipps für einen Uni-Wechsel während des Jurastudiums. "Wichtig ist, dass die neue Universität die Prüfungen anerkennt. Unterstützung gibt es von den Prüfungsämtern und Studienberatungen."

Sonstiges

Privatsphäre/Mats Hummels: Anwalt Lucas Brost stellt auf LTO dar, wann Prominente verhindern können, dass Medien über ihr Privatleben berichten. "Wer bewusst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sucht, kann sich nicht auf sein Recht auf Privatsphäre berufen." Die Presse dürfe dann aber "nur über Tatsachen berichten, die im Zusammenhang mit der Selbstveröffentlichung stehen". Im Fall des Fußballers Mats Hummels, der zwischen drei Frauen steht, durfte die Presse berichten, weil sich alle vier Beteiligten auf sozialen Netzwerken über die Konstellation geäußert haben. 

Gesundenprämie: Ein Unternehmen darf seine Beschäftigten mit einer Prämie belohnen, wenn sie stets zur Arbeit kommen und nie krank sind. Dies sei eine zulässige Sondervergütung, heißt es bei spiegel.de (Florian Gontek). Allerdings werden solche Prämien in der Praxis kaum noch eingesetzt.

Emails ins Gefängnis: Anders als in Rheinland-Pfalz ist es in Hessen nicht zulässig, dass Strafgefangene Emails erhalten, die dann für sie ausgedruckt werden. Landes-Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) begründete dies damit, dass die Kommunikation mit Anwälten streng vertraulich bleiben müsse, was bei ausgedruckten Emails nicht zu gewährleisten sei LTO berichtet. 

 

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Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/chr

(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. April 2022: Hamburg bleibt Hotspot / Genozid in der Ukraine? / Mats Hummels und die Medien . In: Legal Tribune Online, 14.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48157/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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