Die juristische Presseschau vom 13. November 2018: Barley sorgt sich um Rechts­staat / BGH ver­han­delt über Lebend­or­gan­spenden / Euro-5-Diesel-Ver­bote in Stutt­gart

13.11.2018

Bundesjustizministerin Barley im Gespräch mit LTO. Außerdem in der Presseschau: Der BGH verhandelt heute in zwei Fällen zur Aufklärung bei Lebendorganspenden und der VGH Mannheim fordert Fahrverbote für Euro-5-Diesel.

Thema des Tages

Katarina Barley im Interview: Im Mittelpunkt eines ausführlichen Gesprächs von lto.de (Pia Lorenz/Hasso Suliak) mit Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) stehen die wachsende Sorge um die Akzeptanz des Rechtsstaats in Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union. Barley berichtet in diesem Zusammenhang von der Kampagne "Offensive für den Rechtsstaat", die dieser Entwicklung entgegenwirken soll. Zudem geht es in dem Interview um die Bestrebungen, die Behörde Eurojust im Sinne einer besseren Terrorismusbekämpfung weiter auszubauen sowie um die positive Resonanz von anderen EU-Mitgliedstaaten auf das deutsche Netzwerkdurchsuchungsgesetz. Ein Gesetzentwurf zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht sei in Arbeit.

Rechtspolitik

100 Jahre Frauenwahlrecht: Im Rahmen des hundertjährigen Jubiläums der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland fanden an diesem Montag einige Veranstaltungen statt. Bei einem Festakt äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besorgt zum anhaltend geringen Frauenanteil von 30,9 Prozent im Bundestag. Sie forderte: "Das Ziel muss Parität sein, Parität überall", wie die SZ (Henrike Roßbach) berichtet. In dieser Forderung sieht allerdings Reinhard Müller (FAZ) einen Widerspruch zur Demokratie. Seiner Ansicht nach müsse es mehr darum gehen, die "Gleichheit vor dem Gesetz durchzusetzen" als eine Quote einzuführen.

Begründungspflicht des BVerfG: Auf lawblog.de (Udo Vetter) wird ein aktueller Gesetzentwurf der AfD-Bundestagsfraktion vorgestellt und bewertet. Der Entwurf weise unter anderem darauf hin, dass die Begründungspflicht für Entscheidungen zur Nichtannahme von Verfassungsbeschwerden des Bundesverfassungsgerichts stetig ausgehöhlt worden und inzwischen "bei null" angekommen sei. Diesem "Defizit" solle mit dem Gesetzentwurf nun entgegengewirkt werden. Nach Meinung Vetters ist dieser Vorstoß durchaus begrüßenswert, da ein solches Defizit tatsächlich "eines Rechtsstaats unwürdig" sei.

Bayerischer Justizminister: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sein neues Kabinett vorgestellt. Neuer Justizminister wird der Jurist Georg Eisenreich (CSU), berichtet die SZ (Ingrid Fuchs/Wolfgang Wittl). Eisenreich war zuvor Minister in der Staatskanzlei für Europa, Medien und Digitales und gilt als enger Vertrauter Söders.

Gleichstellungsgesetz: Wie zeit.de (Kai Biermann/Astrid Geisler) berichtet, erarbeitet das Familien- in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium momentan einen Referentenentwurf zur Gleichstellung von Frauen auf der Leitungsebene von Bundeseinrichtungen. Dem Gleichstellungsgesetz solle aber lediglich der Passus beigefügt werden: "Die paritätische Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen soll nach Maßgabe dieses Gesetzes bis zum Jahre 2025 erreicht werden." Darin, dass dies nicht ausreichend sei, sind sich die Autoren des Beitrags und die von ihnen zitierte Opposition im Bundestag einig.

Justiz

EuGH – Verhältnis zwischen Urheberrecht und Pressefreiheit: Im Rahmen der Glyphosat-Kontroverse hatte der MDR einen Report und eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) auf seiner Internetseite veröffentlicht. Dagegen hatte das BfR geklagt und sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht Köln Recht bekommen, dass mit der Veröffentlichung das Urheberrecht der Behörde verletzt werde. Eine Einschränkung der Pressefreiheit sei nicht zu erkennen. netzpolitik.org (Arne Semsrott) berichtet auch über die vielfältige Kritik an der Behörde und den Gerichten. In den kommenden Wochen werde der Europäische Gerichtshof einen ähnlich gelagerten Fall entscheiden. Dort habe der Generalanwalt bereits kritisiert, "dass das Urheberrecht für die Verfolgung von Zielen instrumentalisiert wird, die ihm völlig fremd sind".

BGH zu Investorenabsprachen: Wie die FAZ (Marcus Jung) berichtet, geht aus einem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs hervor, dass innerhalb eines Unternehmens kurzfristige Absprachen zwischen strategischen Investoren und damit eine Bündelung von deren Stimmrechten im Einzelfall möglich sind. Problematisch an diesen Bündelungen sei, dass die Investoren auf diesem Weg größeren Einfluss auf die Unternehmensausrichtung nehmen könnten.

BGH – Organspende: Auf lto.de erläutert Rechtsprofessor Martin Rehborn ausführlich die zwei Fälle, die an diesem Dienstag vor dem für das Arzthaftungsrecht zuständigen VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt werden. Dabei wird das Gericht zu prüfen haben, wie umfangreich die Aufklärung und die Einwilligung der Spender vor der Lebendspende von Organen sein muss. Dem zu Grunde liegen zwei Fälle, in denen die Spender nach der Spende je einer Niere zugunsten eines Angehörigen behaupten, an einem sogenannten Fatigue-Syndrom zu leiden. Der BGH wird aller Voraussicht nach diese Gelegenheit nutzen und gleich zu einer Reihe Rechtsfragen im Zusammenhang mit Lebendorganspenden Stellung beziehen

BGH  Wisente im Sauerland: In einem Streit zwischen Waldbauern und Artschützern um eine Herde ausgewilderter Wisente im Sauerland verhandelt der Bundesgerichtshof am kommenden Freitag, so lto.de. Das mit dem Fall befasste Oberlandesgericht Hamm stand zuletzt vor der Problematik, dass der Forderung der Waldbauern nach Entfernung der Tiere nur mit einer Sondererlaubnis nachgekommen werden kann, die wiederum der Artenschutzverein einholen müsste, der sich eigentlich für den Verbleib der Tiere im Wald einsetzt. Zur Klärung dieser paradoxen Frage ließ das OLG Hamm die Revision zu.

OLG Stuttgart – IS-Anschlag: Weil er im Auftrag des sogenannten Islamischen Staats einen Anschlag mit einem Fahrzeug auf einen Karlsruher Weihnachtsmarkt geplant haben soll, begann vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen den Terrorverdächtigen Dasbar W., wie zeit.de meldet. Hauptbelastungszeuge ist ein V-Mann des Stuttgarter Landeskriminalamts. Nun wurde der V-Mann vom baden-württembergischen Innenministerium "vollumfänglich gesperrt", wie die taz (Christian Rath) berichtet. Das Gericht sei der Meinung, das Ministerium habe das gerichtliche Aufklärungsinteresse nicht ausreichend berücksichtigt, weshalb es eine Gegenvorstellung plane.

OLG Frankfurt/M. zu OlympiaSchG: Aus einem nun veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. November 2018 geht hervor, dass die rein assoziative Verwendung der Begriffe "Olympia" und "olympisch", die nach dem Olympiaschutzgesetz (OlympSchG) geschützt sind, in der Werbung nicht unlauter ist. Ausgangspunkt war ein Streit zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und einem Fitnessstudiobetreiber. Letzterer hatte im Zusammenhang mit einer Rabattaktion die Begriffe verwendet und war daraufhin vom DOSB auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Laut  OLG Frankfurt/M. bestehe aber weder eine Verwechslungsgefahr noch nutze die Werbung den guten Ruf der Olympischen Spiele in unlauterer Weise aus, wie lto.de berichtet.

VGH Mannheim zu Fahrverboten für Euro-5-Diesel: Wie der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gestern entschied, muss die baden-württembergische Landesregierung bereits jetzt den Ausschluss von Euro-5-Dieselfahrzeugen für die Luftreinhaltegebiete in Stuttgart vorbereiten. Bisher war geplant, Anfang 2019 nur Dieselfahrzeuge mit Euro 4 und niedriger aus diesen Zonen auszusperren, melden lto.de und die SZ.

ArbG Darmstadt – Ryanair: Weil die Gewerkschaft "Unabhängige Flugbegleiter Organisation" (Ufo) behauptete, es bestehe ein Zusammenhang zwischen den prekären Arbeitsbedingungen und der Flugsicherheit bei Ryanair, brach der Billigfluganbieter die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ab. Dass die Bewertungen von Ufo nicht verleumderisch waren, sondern vielmehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind, entschied jetzt das Arbeitsgericht Darmstadt. Dies geht aus Meldungen der SZ (Detlef Esslinger) und der FAZ hervor.

LG Augsburg  Pädosexueller Kinderarzt: Laut spiegel.de und der SZ wird seit Montag der Prozess gegen einen pädosexuellen Kinderarzt am Landgericht Augsburg neu aufgerollt. Das ursprüngliche Urteil des Gerichts war vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden, da nicht gründlich genug geprüft wurde, ob der Mann aufgrund einer psychischen Störung vermindert schuldfähig war. Nun entscheidet eine andere Kammer des Landgerichts. Der Arzt hat über einen Zeitraum von 15 Jahren mindestens 20 kleine Jungen missbraucht und dies im Prozess auch gestanden.

Recht in der Welt

China – deutsche Richter zu Besuch: In einem ausführlichen Gastbeitrag auf zeit.de berichtet Amtsrichter Thomas Melzer von einer zehntägigen Reise einiger deutscher Richter in die Volksrepublik China, die sich vor Ort die Gerichte anschauten und in Austausch mit ihren chinesischen Kollegen traten, was aus verschiedenen Gründen jedoch nicht immer leicht fiel.

El Salvador  Gerichtsprozess wegen Abtreibung: Laut spiegel.de begann gestern im mittelamerikanischen El Salvador der Prozess gegen eine junge Frau. Diese steht wegen versuchtem Mord vor Gericht, weil sie versucht haben soll, ihre Schwangerschaft abzubrechen. Das Kind war bei einer Vergewaltigung durch ihren Stiefvater gezeugt worden. Die salvadorianischen Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen sind die restriktivsten weltweit. Danach sind Abtreibungen unter allen Umständen verboten, auch dann, wenn die werdende Mutter zuvor vergewaltigt wurde oder bei der Geburt selbst sterben könnte.

Schweden – neues Sexualstrafrecht: Die Einführung des neuen Sexualstrafrechts in Schweden im Juni 2018 führt laut fr.de (Thomas Borchert) inzwischen zu mehr und härteren Gerichtsurteilen. Seit der Neuerung gelte, "dass Passivität nicht länger als stille Zustimmung gewertet werden kann". Zudem beträgt die Mindeststrafe für Vergewaltigungen zwei Jahre Gefängnis.

Sonstiges

Bundesamt für Verfassungsschutz: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) teilte am Montag mit, dass er dem Bundeskabinett Thomas Haldenwang als neuen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) vorschlagen wird, berichtet die SZ (Ronen Steinke). Seit 2009 arbeitet Haldenwang in der Behörde und war seit 2013 auch dessen Vizechef. Nun ersetzt er den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in dessen Amt. Maaßen war vergangene Woche in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, woraufhin Haldenwang bereits kommissarisch die Leitung der Behörde übernommen hatte. Laut FAZ (Helene Bubrowski) strebte Seehofer eine einvernehmliche Lösung mit allen Partnern der Koalition an. Haldenwang gilt im Gegensatz zu seinem Vorgänger Maaßen als ruhig und bescheiden und sei "in vielerlei Hinsicht der Gegenentwurf zu seinem Amtsvorgänger", wie die FAZ weiter ausführt.

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lto/ali

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. November 2018: Barley sorgt sich um Rechtsstaat / BGH verhandelt über Lebendorganspenden / Euro-5-Diesel-Verbote in Stuttgart . In: Legal Tribune Online, 13.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32033/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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