Die juristische Presseschau vom 16. Dezember 2011: Chirac verurteilt – Mediationsgesetz verabschiedet – Chevron verklagt

16.12.2011

Jacques Chirac ist wegen Untreue in seiner Zeit als Bürgermeister von Paris zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Es gibt ein neues Mediationsgesetz, gegen FDP-Generalsekretär Patrick Döring besteht der Verdacht der Fahrerflucht, der Wikileaks-Informant Bradley Manning steht vor Gericht und ein Spieler des FC Bayern leidet an Bewegungsmangel.

Chirac akzeptiert Verurteilung: Der ehemalige französische Staatspräsident Jacques Chirac ist von einem Gericht in Paris zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Dies berichtet unter anderem das Handelsblatt. Obwohl die Staatsanwaltschaft auf politischen Druck hin auf Freispruch plädiert habe, habe das Gericht die Praxis, in der Zeit von 1977 bis 1995 28 Parteifreunde mit Geschenken und Jobs bedacht zu haben geahndet, und so das Zeichen gesetzt: "Auch die Notabeln der Republik sind nicht sicher vor Strafverfolgung."

spiegel.de (Stefan Simons) wertet das Urteil als "Überraschung für Frankreichs politische Klasse" und zitiert den Pariser Anwalt Pierre-François Divier, der in dem Urteil ein "starkes Signal" sieht. Mit der Entscheidung Chiracs, das Strafmaß zu akzeptieren, ist das Urteil rechtskräftig.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Nach der Sicherungsverwahrung: Die Zeit (Anita Blasberg, Christian Denso) untersucht im Dossier, wie es einem Entlassenen nach langer Sicherungsverwahrung ergeht. Der Mann gehörte nach fast dreißig Jahren in Sicherungsverwahrung zu den Tätern, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf freien Fuß zu setzen waren. Die Arbeitsvermittlerin habe sich geweigert den Mann zu betreuen, als sie hört, wer er ist, die Sozialkompetenzen seien völlig verkümmert gewesen, Nachbarn und Anwohner würden Todesdrohungen ausstoßen.

Mediationsgesetz: Das neue Mediationsgesetzes stellt Martin Henssler (blog.handelsblatt.com) dar. Begrüßenswert sei die höhere Rechtssicherheit und die Beseitigung der derzeitigen Rechtszersplitterung aufgrund der landesgesetzlichen Regelungen und der unterschiedlichen berufsrechtlichen Standards.

Die FAZ (caf/enn) betont die Bedeutung für die Entlastung der Richter. Das Gesetze schaffe Anreize für ein Mediationsverfahren, ohne dieses zwingend vorzuschreiben.

Download bei Musik und Film: Die FTD (Thorsten Schröder) stellt das US-Gesetzesvorhaben H.R. 3262 dar, das Webfirmen zwingen soll, Geschäfte mit Webseiten außerhalb der USA zu unterbinden, die in Verbindung mit Piraterie stehen. Die Webindustrie spricht von Gängelung wie in Nordkorea. Die Filmindustrie betont, große Webfirmen wie Google hätten Milliarden durch illegale Downloads verdient.

Die taz (Julian Weber) interviewt den Musiker und Labelbetreiber Stefan Goldman zur Kultur des Downloadens und dem Urheberrecht im Zeitalter des Internets. Zu möglichen Verwertungsmodellen im Netz sagt Goldman: "Weil ferner die bestehenden Pauschalensysteme, etwa der GEMA, nicht funktionieren, ist daher die Kulturflatrate für die Kreativen völlig uninteressant."

Weitere Themen – Justiz

Verdacht auf Fahrerflucht: Der neu eingesetzte FDP-Generalsekretär Patrick Döring steht unter dem Verdacht, Fahrerflucht begangen zu haben, als er Mitte November an einem geparkten Auto den Außenspiegel zerkratzte und danach davon fuhr. Wie unter anderem focus.de berichtet, verfüge die Staatsanwaltschaft Hannover über Hinweise, dass Döring den Schaden bemerkt habe. Dieser müsse jetzt schriftlich Stellung nehmen, eine Aufhebung der Immunität käme nur bei Anklageerhebung in Frage. Der Politiker zeigte sich einsichtig und betonte: "In einer verantwortungsvollen politischen Position ist ein Außenspiegel nicht einfach ein Außenspiegel."

Franz Josef Wagner (bild.de) bringt die bundespolitische Dimension des Vorgangs für die angeschlagene FDP gewohnt pointiert auf den Punkt: "Mir tut die FDP leid, sie latscht von einer Scheiße in die andere. Sie hat kein Glück mehr."

Mobbingvorwürfe eines Sozialrichters: welt.de (Kristian Frigelej) berichtet, Jan-Robert von Renesse, Sozialrichter aus Nordrhein-Westfalen, werfe seinen Kollegen in zahlreichen internen Schreiben "niederträchtiges Verhalten" vor. Der Richter kritisiert die Rechtspraxis bei Klagen wegen Ghetto-Renten von Holocaust-Überlebenden, insbesondere die nach seinen Angaben verbreitete Entscheidung nach Aktenlage. Justizminister Thomas Kutschaty sagt, die Vorwürfe hätten sich nach eingehender Untersuchung, unter anderem durch ein Richterdienstgericht, "sämtlich als unhaltbar" erwiesen.

Kreuzverhör nicht zwingend: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zwei Entscheidungen britischer Gerichte bestätigt, wonach es, anders als nach dem Wortlaut von Art. 6 EMRK, nicht zwingend ist, dass ein Zeuge im Gerichtssaal aussagt und zu seiner Aussage befragt werden kann. Max Steinbeis (verfassungsblog.de) meint dazu: "Den Fair-Trial-Grundsatz gar so larifari dem Abwägungsvorbehalt zu unterwerfen, war das wirklich nötig?"

Weitere Themen - Recht in der Welt

Bradley Manning: Anlässlich des heute beginnenden Prozess gegen den Wikileaks-Informanten Bradley Manning vor einem Militärgericht in Fort Meade in Maryland, stellt die taz (Dorothea Hahn) die Gesetzgebung zu Whistleblowing in den USA vor.

Brasilien verklagt Chevron: Wegen des Öllecks vor der brasilianischen Küste beabsichtigt die Staatsanwaltschaft in Campos de Rio im Bundesstaat Rio de Janeiro das US-Unternehmen Chevron und das Bohrunternehmen Transocean auf Schadenersatz in Höhe von 8,3 Milliarden Dollar wegen der Umweltschäden und sozialen Folgen zu verklagen. Wie die FAZ (mos) berichtet, werde auch erwogen, Transocean die Tätigkeit in Brasilien gänzlich zu untersagen. Dies könne negative Folgen für die nationale Ölgesellschaft Petrobas haben, da Transocean 16 Prozent aller Bohrlöcher in Brasilien betreibe.

Die SZ (Peter Burghardt) schreibt, die Staatsanwaltschaft verweise auf die Katastrophe im Golf von Mexiko, nach der BP 20 Milliarden US-Dollar bezahlt habe und bezeichne die aufgerufene Summe als moderat. Das havarierte Bohrloch vor Campos illustriere, wie miserabel die Ölsucher trotz Hochtechnologie gegen Zwischenfälle gewappnet seien.

Sonstiges

Das Urteil von Nürnberg: Vor fünfzig Jahren hatte der Film Das Urteil von Nürnberg in West-Berlin Premiere. Jochen Thielmann (lto.de) erinnert an Stanley Kramers Auseinandersetzung mit dem Juristenprozess gegen hohe Vertreter des NS-Rechtsystems, bei der Maximilian Schell für seine Rolle als Verteidiger der deutschen Angeklagten einen Oscar erhielt.

Die wilde Welt des Rechts

Bayern-Profi leidet an Bewegungsmangel: Der unter dem Verdacht der Brandstiftung stehende Fußballprofi Breno vom FC Bayern München darf im Januar voraussichtlich nicht ins Trainingslager nach Katar. Das berichtet die taz (Thomas Becker). Breno, der gegen eine Kaution von 500.000 Euro im Oktober auf freien Fuß gesetzt wurde, besitzt im Moment keinen Reisepass und darf wegen der Meldeauflagen Deutschland nicht verlassen.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

lto/ro

Hinweis für Journalisten

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Dezember 2011: Chirac verurteilt – Mediationsgesetz verabschiedet – Chevron verklagt . In: Legal Tribune Online, 16.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5116/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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