Hauptverhandlung in bayrischer Maskenaffäre begonnen: "Ging mir nie­mals darum, zu betrügen"

04.10.2023

Andrea Tandler verdiente mit der Vermittlung von Maskenverkäufen in der Corona-Pandemie immense Summen. Dreieinhalb Jahre danach begann heute vor dem Landgericht München I die Hauptverhandlung wegen Steuerhinterziehung.

Im Steuerprozess gegen zwei Schlüsselfiguren der Corona-Maskenaffäre in Bayern hat die Angeklagte Andrea Tandler den Vorwurf zurückgewiesen, gezielt Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. "Es ging mir niemals darum zu betrügen", sagte die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler am Mittwoch vor dem Landgericht München I (Az. 6 KLs 301 Js 149894/21). Sie habe Geschäfte machen wollen, "bei denen alles korrekt gehandhabt wird", und habe immer "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Sie sprach allerdings von "Fehlern", die in der damaligen sehr hektischen Zeit passiert sein könnten.

Auch Tandlers Geschäftspartner N. wies den Vorwurf der gezielten Steuerhinterziehung über seine Rechtsanwälte zurück. Die Angeklagten verwiesen darauf, dass sie sich an Steuerrechtsexperten gewandt und eine Steuerberatungsgesellschaft in München mandatiert hätten. Beide müssen sich in dem Verfahren wegen der Vorwürfe der Steuerhinterziehung und des Subventionsbetruges verantworten. Die Wirtschaftsstrafkammer hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft München I am 22. August 2023 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

Ausgangspunkt waren hohe, aber rechtlich nicht zu beanstandende Provisionszahlungen, die Tandler und ihr Geschäftspartner N. zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 für die Vermittlung von Lieferverträgen über persönliche Schutzausrüstung, insbesondere Masken, zwischen einem Schweizer Unternehmen und verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder erhielten. Insgesamt flossen dafür laut Anklage Provisionen von mehr als 48 Millionen Euro.

Im Zusammenhang mit diesen Geschäften soll Tandler 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben, wie Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl bei der Anklageverlesung ausführte. Konkret geht es um nicht gezahlte Einkommensteuern von 8,7 Millionen Euro, gemeinschaftlich hinterzogene Schenkungssteuern von 6,6 Millionen Euro und Gewerbesteuerhinterziehung von 8,2 Millionen Euro. Den entstandenen wirtschaftlichen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft mit 15,2 Millionen Euro. Tandler soll die Provisionen etwa rechtswidrig nicht als Einzelperson, sondern über eine Firma versteuert haben, und zwar in Grünwald bei München. Dort ist im Vergleich zu München nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern. 

Tandler habe nicht von ihrem Nachnamen profitieren wollen

Es war das erste Mal, dass sich Tandler und N. äußerten. Auf die detaillierten Steuerhinterziehungsvorwürfe ging Tandler nicht ein. Sie berichtete vor allem ausführlich von der Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte. Mit einem derart großen Volumen habe man nie gerechnet. Vor dem ersten Abschluss sei man lediglich von einer niedrigen sechsstelligen Provision für jeden ausgegangen, "auch wenn das aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sein mag". Die Gründung einer gemeinsamen GmbH habe der "Professionalisierung" des Geschäfts dienen sollen, eine GmbH habe seriöser wirken sollen.

Von ihrem Nachnamen will Tandler damals nicht profitiert und ihn jedenfalls nicht bewusst eingesetzt haben. Sie habe ihren Vater auch nicht um Hilfe gebeten. "Es war uns überhaupt nicht klar, dass der Name Tandler wertvoll sein könnte." Allerdings hätten anfangs mindestens zwei Ministerien darauf hingewiesen, dass man sich wegen ihres Namens auf sie verlasse, räumte sie ein. Bestellt worden sei am Ende aber, weil man tatsächlich geliefert habe, "und nicht weil ich Tandler heiße". Zur Kontaktanbahnung hatte sich Tandler damals unter anderem an die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier gewandt.

"Es ging um gigantische Mengen"

Am Ende bestellte auch der Bund. Tandler berichtete ausführlich, wie sich auch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich mit Anforderungslisten bei ihr gemeldet habe. "Es ging tatsächlich um gigantische Mengen", sagte sie rückblickend. Einmal habe ihr Spahn geschrieben: "Wir nehmen immer noch von allem alles." Auch vom bayerischen Gesundheitsministerium, das als erstes Masken bestellte, seien sie und N. unter riesigen Druck gesetzt worden.

Sämtliche Arbeiten und Geschäfte wickelten nach Angaben Tandlers sie selbst und N. gemeinsam ab. "Wir waren Geschäftspartner fürs Leben", sagte sie - N. sei aber nicht ihr Lebenspartner, wie die Staatsanwaltschaft behaupte, auch wenn sie ihn manchmal so bezeichnet habe. Die Gewinne habe man auch für die Vision einer gemeinsamen geschäftlichen Zukunft einsetzen wollen. Als Beispiel nannte sie die Idee, hochwertige bayerische Knödel in den USA anzubieten. Zum Vorwurf, N. 13 Millionen Euro geschenkt zu haben, quasi aus Liebe, sagte sie, da wäre sie ja "durchgeknallt". Auch N. wies über seine Anwälte zurück, eine Lebenspartnerschaft mit Tandler zu führen.

Zum Vorwurf der Gewerbesteuerhinterziehung sagte Tandler: "Wir sahen unsere berufliche Zukunft in Grünwald." Sie und N. hätten sich dort "auf ein richtiges Büro" gefreut und deshalb einen Büroraum dort angemietet. Zuvor hatte sie geschildert, wie N. und sie in N.'s Lokalen in München gearbeitet hätten. Die Anklage wirft beiden vor, alle Entscheidungen seien damals von München aus getroffen worden.

Überzeugt, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten

N. argumentierte in seiner Erklärung, die seine Anwälte verlasen, man sei stets der Überzeugung gewesen, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten. Man habe quasi hoheitliche Aufgaben übernommen "und dadurch Menschenleben gerettet". Man habe einwandfreie, geprüfte und behördlich zugelassene Masken und andere Ausrüstung besorgt.

Die Wirtschaftsstrafkammer hat bislang acht Verhandlungstage bis zum 17. November geplant. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen Tandler und ihrem Partner angesichts des hohen Steuerschadens langjährige Haftstrafen. Bis dahin befinden sich beide in Untersuchungshaft. Dagegen erhobene Verfassungsbeschwerden von Andrea Tandler und ihres Geschäftspartners N. hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuvor als unzulässig abgewiesen.

mw/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Hauptverhandlung in bayrischer Maskenaffäre begonnen: "Ging mir niemals darum, zu betrügen" . In: Legal Tribune Online, 04.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52844/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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