Das BKartA erkennt eine Entkoppelung von Rohölpreis und Spritpreis. Kartellrechtswidriges Verhalten sehen die Wettbewerbshüter aber bislang nicht. Ab Mittwoch greift die Senkung der Energiesteuer. Für Spannung ist gesorgt.
Die Hoffnungen vieler Autofahrer ruhen auf dem 1. Juni. Mit diesem Stichtag sinkt die Besteuerung von Kraftstoffen. Die theoretische Entlastung je Liter Benzin liegt bei 35,2 Cent, beim Diesel sind es rund 16,7 Cent. Beide Werte verstehen sich inklusive Mehrwertsteuer und schöpfen den europarechtlich maximal möglichen Spielraum aus. Wie hoch der bis zum 31. August befristete Tankrabatt tatsächlich sein wird, bleibt im Vorfeld eine Blackbox.
Niemand weiß genau, was in der Mitte der Nacht zum Mittwoch passiert. Wie viel der Sprit an der Tankstelle kostet, bestimmen Tankstellenbetreiber und Mineralölkonzerne. Sie sind nicht zur Weitergabe der Steuersenkung verpflichtet. Eine flächendeckende vollständige Preissenkung ist unwahrscheinlich. Die Steuersenkung gilt für den Kauf des Sprits bei Raffinerie und Tanklagern. Selbst was am Dienstagabend geliefert wurde, unterliegt noch der höheren Besteuerung.
Das stellt Tankstellen und Mineralölgesellschaften vor ein Dilemma, denn viele Kundinnen und Kunden erwarten sofort sinkende Preise. Im Ergebnis könnte es zu einem verzögerten Sinken des Preises kommen. Auch das Finanzministerium hatte am Montag noch einmal darauf hingewiesen, dass Tanken möglicherweise erst nach und nach billiger werden wird.
Höhere Nachfrage könnte zum Preistreiber werden
So mancher Autofahrende hat wohl den Tank weitgehend leergefahren, um maximal von der Steuersenkung profitieren zu können. Ob das am Mittwoch zu einem Ansturm auf die Tankstellen oder nur zu erhöhter Nachfrage führen wird, ist kaum vorhersehbar. "Wir erwarten Anfang Juni eine höhere Nachfrage, aber keinen Run auf die Tankstellen", heißt es beispielsweise von Aral. Bei Shell rechnet man mit einer "erwartbar höheren Nachfrage".
Gegen einen Run spricht die Nachfrage nach Treibstoff in den vergangenen Tagen. Sowohl Aral als auch der Wirtschaftsverband Fuels und Energie berichten von einer relativ normalen Entwicklung. Hätte ein Großteil der Autofahrer den Tank bis zur Reserve geleert, hätte sich das eigentlich in sinkender Nachfrage niederschlagen müssen, heißt es dort.
Dagegen sagt der für die Tankstellen zuständige Vizepräsident des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern, Günter Friedl: "Es ist zu erkennen, dass viele Autofahrer momentan weniger tanken." Das zeige, dass viele auf die Steuersenkung warteten, um wieder richtig voll zu tanken. Friedl erwartet daher Leerstände an Tankstellen: "Die Kapazitäten werden nicht ausreichen, dass zum 1. Juni genug preiswerter Sprit da ist."
Dass Tankstellen erst ab Mittwoch steuervergünstigten Sprit kaufen können, macht es für sie unattraktiv, ihre Lager vorab noch einmal zu füllen. Daher gibt es Befürchtungen, dass es zu Versorgungsengpässen kommen könnte. Auch Mineralölgesellschaften schließen dies nicht aus.
Dazu trägt bei, dass die Logistikkapazitäten für die Belieferung der Tankstellen bereits jetzt angespannt sind, wie es beispielsweise von Shell heißt. Allerdings versichert das Unternehmen: "Wir sind unsererseits bemüht, die Versorgung aller Tankstellen bestmöglich zu gewährleisten. Wir haben die Spediteure frühzeitig darauf hingewiesen, dass wir im Zuge der Steuersenkung die maximal verfügbare Fahrerzahl im Rahmen unserer Verträge anfordern werden." Von Aral heißt es, man habe sich "vorbereitet und die Logistikketten sind robust aufgestellt".
Preisentwicklung im Vorfeld
Seit einigen Wochen steigt der Preis für Superbenzin. Zuletzt hat auch der Dieselpreis wieder zugelegt. Der Mai brachte nach Angaben des Bundeskartellamtes (BKartA) für die Benzin-Kraftstoffe E5 und E10 einen durchschnittlichen Preisanstieg von 15 Cent je Liter. Bemerkenswert ist die Entwicklung seit dem 25. Mai: Bei E5 und E 10 lag der durchschnittliche Preisanstieg bei sechs Cent, bei Diesel ging es um rund fünf Cent aufwärts.
Dass sich die Tankstellenpreise für Benzin und Diesel in den letzten Monaten auch dann verteuert haben, wenn der Rohölpreis stabil geblieben oder sogar gesunken ist, führte dazu, dass sich das BKartA eingehender mit der Wertschöpfungskette im Mineralölsektor beschäftigt hat. Anhaltspunkte, um einzuschreiten, haben sich nach Angaben der Wettbewerbshüter bislang allerdings nicht ergeben.
Andreas Mundt, Präsident des BKartA, erklärt die Ausgangslage: "Wir sehen seit Monaten eine Entkopplung von Rohölpreis und Raffinerie- bzw. Tankstellenpreisen. Wir beobachten die Preisentwicklung deshalb mit sehr hoher Aufmerksamkeit. Unser Monitoring haben wir vor dem 1. Juni mit Blick auf die anstehenden Steuersenkungen noch einmal intensiviert. Zudem haben wir eine Untersuchung der Raffinerien und der Großhandelsebene eingeleitet, um maximale Transparenz für den gesamten Kraftstoffmarkt herzustellen."
"Auch wenn es keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins zu eins weiterzugeben, handeln die Mineralölkonzerne hier unter dem Brennglas des Bundeskartellamtes. Als Wettbewerbsbehörde können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten. Kartellrechtswidriges Verhalten können wir abstellen und mit hohen Bußgeldern ahnden. Dafür gibt es aber bislang keine Hinweise. Hohe Preise können viele Gründe haben und auch im Wettbewerb entstehen. Im Kraftstoffmarkt funktioniert der Wettbewerb allerdings nur eingeschränkt. Deshalb beobachten wir die Branche auch so genau", so Mundt weiter.
Die für den Tankrabatt verantwortlichen politischen Protagonisten sind derweil bemüht, die Wählergunst auf sich zu lenken. Finanzminister Christian Lindner (FDP) meldete sich am Montag via Twitter zu Wort: "Wir lassen die Menschen nicht allein, die auf das Auto angewiesen sind. Vom hohen Spritpreis sollte der Staat nicht noch profitieren. Dass der Tankrabatt bei den Menschen ankommt, das ist nun Aufgabe von Kartellamt und Co!"
Bei Greenpeace kann man mit dem Instrument hingegen so gar nichts anfangen: "Ausgerechnet die Partei, die Klimaschutz stets marktwirtschaftlich gestalten will, verfällt beim ersten Preissignal in Panik und greift mit dem milliardenschweren Tankrabatt in den Markt ein", heißt es von der Umweltschutzorganisation.
sts/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
BKartA intensiviert Überwachung der Kraftstoffpreise: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48609 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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