ArbG Kiel zur Entgeltfortzahlung bei Corona: Gehalt trotz Urlaub im Hoch­ri­si­ko­ge­biet

18.07.2022

Eine Arbeitnehmerin machte Urlaub im Hochrisikogebiet der Dominikanischen Republik und bekam im Anschluss Corona. Ihre Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Lohnfortzahlung. Zu Unrecht, meint nun das ArbG Kiel.

Wer seinen Urlaub in einem als Corona-Hochrisikogebiet ausgewiesenen Land verbringt und danach an Corona erkrankt, hat seine Erkrankung nicht selbst zu verschulden. Dies gilt aber nur, wenn die Inzidenz im Urlaubszeitraum am Wohn- und Arbeitsort höher lag. Das hat das Arbeitsgericht Kiel entschieden (Urt. v. 27.06.2022, Az. 5 Ca 229 f/22).

Die dreifach geimpfte klagende Frau war im Januar und Februar 2022 in die Dominikanische Republik gereist. Diese war zuvor vom Robert-Koch-Institut als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden. Am Abflugtag lag dort die Inzidenz bei 377,7 während sie in Deutschland mit 878,9 mehr als doppelt so hoch war.

Allgemeines Lebensrisiko verwirklicht

Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Klägerin positiv auf Corona getestet und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Arbeitgeberin erkannte diese jedoch nicht an und stellte die Lohnzahlungen für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ein. Sie war der Ansicht, die Angestellte sei mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und habe die Erkrankung vor allem durch ihren Reiseantritt schuldhaft selbst herbeigeführt.

Die Arbeitnehmerin klagte nun erfolgreich vor dem ArbG Kiel auf Entgeltfortzahlung. Ein Arbeitnehmer sei auch dann arbeitsunfähig, wenn er symptomlos Corona-positiv getestet ist und nicht im Homeoffice tätig sein kann, so das ArbG Kiel. Im Übrigen lasse auch die von der Arbeitgeberin übermittelte Information an die Arbeitgeberin, dass es ihr ganz gut gehe, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht entfallen.

Insbesondere habe die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsunfähigkeit aber nicht selbst verschuldet, so das ArbG Kiel. Ein Verschulden setze einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Ein Verschulden könne jedenfalls dann nicht vorliegen, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes liegen. Die Reise in das Hochrisikogebiet geht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

dpa/ku/LTO-Redaktion

 

Artikelversion vom 25. Juli 2022, 12.10 Uhr: Es handelte sich um eine Entscheidung des ArbG Kiel, nicht des LAG Kiel.

Zitiervorschlag

ArbG Kiel zur Entgeltfortzahlung bei Corona: Gehalt trotz Urlaub im Hochrisikogebiet . In: Legal Tribune Online, 18.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49082/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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