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BVerwG zum gelegentlichen Konsum und Fahren: Bis­schen Haschisch heißt noch nicht Lappen weg

von Tanja Podolski

11.04.2019

Cannabis und Autofahren sind zu trennen

(c) canecorso - stockadobe.com

Gelegentlicher Konsum von Cannabis bedeutet nicht zwangsläufig, dass jemand ungeeignet zum Autofahren ist. Eine direkte Entziehung der Fahrerlaubnis sei ermessensfehlerhaft, so das BVerwG. Es ändert damit seine Rechtsprechung.

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Haschisch rauchen oder Autofahren – beides gleichzeitig soll nicht sein. Doch wenn ein gelegentlicher Cannabiskonsument zum ersten Mal mit ein wenig Haschisch im Blut beim Fahren erwischt wird, führt das nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Donnerstag entschieden (Urt. v. 11.04.2019, Az. 3 C 13.17). Vielmehr hätten die Fahrerlaubnisbehörden gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein medizinisch-psychologisches Gutachtens eingeholt werden muss, um die durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu klären.

Dem BVerwG lagen Verfahren aus  Bayern und Nordrhein-Westfalen vor, die Kläger waren jeweils bei Verkehrskontrollen aufgefallen. Die gelegentlichen Cannabiskonsumenten hatten 1 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut. Bei dieser Konzentration des Cannabiswirkstoffs gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass ihre Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Damit fehle die Eignung zum Fahren (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Die Behörden entzogen die Fahrerlaubnis ohne Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 11 Abs. 7 FeV).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) war in einem Fall von der bisherigen Rechtsprechung abgerückt und hatte vor der Entziehung ein Gutachten gefordert (Urt. v. 25.04.2017, Az. 11 BV 17.33). Das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis hingegen für zulässig erachtet (Urt. v. 15.03.2017, Az. 16 A 551/16).

Nicht zwangsläufig ungeeignet

Das BVerwG stellte klar, dass es insofern bei seiner bisherigen Rechtsprechung (Urt. v. 23.10.2014, Az. 3 C 3.13) bleibt, als ein Verstoß gegen das Trennungsgebot von Fahren und Konsum aus der FeV vorliegt, wenn der Fahrer eines KfZ eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr hat.

Das Gericht ändert seine früheren Rechtsprechung (Urt. v. 23.10.2014, Az. 3 C 3.13) allerdings insoweit, als ein solcher einmaliger Verstoß nicht mehr zwangsläufig bedeutet, dass der Konsument ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Bedenken daran begründet das Fahren unter Cannabiseinfluss aber durchaus, meinen die Richter in Leipzig. Diese müssten, könnten aber eben auch regelmäßig mit einem medizinisch-psychologischen Gutachten ausgeräumt werden. Über die Anordnung zur Einholung muss die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

Anders bei regelmäßigem Konsum

Anders vehält es sich übrigens bei regelmäßigem Konsum: "Quasi automatisch als ungeeignet zum Führen eines Kfz gilt, wer regelmäßig Cannabis einnimmt", erklärt Regierungsamtsrat Dr. Adolf Rebler. Regelmäßiger Konsum liege nur vor, wenn der Betroffene täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert (BVerwG, Urt. v. 26.02.2009, Az. 3 C 1.08).

"Was hingegen der Begriff 'gelegentlich' bedeutet, ist der FeV nicht unmittelbar zu entnehmen", erklärt Rebler. Bei der gelegentlichen Einnahme von Cannabis kann ein Konsument noch geeignet sein, ein Fahrzeug zu führen, wenn er den Konsum von Cannabis und das Fahren trennt, nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffen konsumiert und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen (Nr. 9.22 der Anlage 4). 

Die Rechtsprechung geht laut Rebler davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal schon dann erfüllt ist, "wenn Cannabis mindestens zweimal in voneinander unabhängigen Konsumakten innerhalb eines in zeitlich-funktionalem Zusammenhang stehenden Zeitraums eingenommen wurde (Anm. d. Red.: VG Aachen, Beschl. v. 12.03.2018, Az. 3 L 319/18). "Dabei kann ein Zeitablauf von mehreren Jahren zwischen zwei Rauschgifteinnahmen eine Zäsur bilden", so Rebler, "die bei der fahrerlaubnisrechtlichen Einordnung des Konsums einen Rückgriff auf den früheren Vorgang verbietet". Er verweist auf ein Urteil des BVerwG (v. 23.10.2014, Az. 3 C 3.13).

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Tanja Podolski, BVerwG zum gelegentlichen Konsum und Fahren: Bisschen Haschisch heißt noch nicht Lappen weg . In: Legal Tribune Online, 11.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34867/ (abgerufen am: 03.02.2023 )

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