Von der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften bis zur Angleichung der Renten in Ost und West - der Bundesrat hat kurz vor der Sommerpause eine gewaltige Liste von Tagesordnungspunkten zu bearbeiten.
Der Bundesrat tagt heute zum letzten Mal vor der Sommerpause. Insgesamt stehen mehr als 100 Punkte auf der Tagesordnung, davon alleine 64 Gesetzesbeschlüsse aus dem Bundestag. In ihrer Marathonsitzung gab die Länderkammer für eine Reihe von wegweisenden Gesetzen Grünes Licht.
So gilt ab 2025 bundesweit ein einheitliches Rentenrecht. Der Bundesrat hat das Gesetz zur Einheit der Ost-West Rente gebilligt. Danach erfolgt die Angleichung des unterschiedlichen Rentenrechts in Ost- und Westdeutschland stufenweise über sieben Erhöhungen bis zur Einheitlichkeit.
Die Kosten der Angleichung trägt in den ersten Jahren die Rentenversicherung. Von 2022 an leistet der Bundeshaushalt einen Zuschuss. Die Länder hoffen, dass die Anpassung schneller vollzogen werden kann, als im Gesetz vorgesehen. Zugleich appellieren sie an Politik, Wirtschaft und Tarifpartner, die Differenzen bei den Löhnen weiter abzubauen.
Keine Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien
Verfassungsfeindliche Parteien erhalten künftig keine staatlichen Gelder mehr. Eine entsprechende Grundgesetzgesetzänderung hat der Bundesrat einstimmig beschlossen. Diese räumt dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Möglichkeit ein, verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Antragsteller eines solchen Verfahrens können Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sein. Mit dem Entzug der staatlichen Gelder entfallen auch steuerliche Begünstigungen und Zuwendungen an die Partei.
Im Anschluss hat sich der Bundestat auch direkt entschlossen, einen entsprechenden Antrag auf Ausschluss der NPD von der staatlichen Finanzierung zeitnah vorzubereiten, damit das Verfahren zügig eingeleitet werden kann. Das BVerfG habe in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 die Verfassungsfeindlichkeit der NPD bereits festgestellt. Damit das Gericht an seine Beurteilung anknüpfen kann, sei rasches Handeln geboten, begründen die Länder ihr schleuniges Vorgehen.
Bundesjustizminister Heiko Maas begrüßt das: "Wir sollten der NPD möglichst schnell den Geldhahn zudrehen". Staatsrechtler hatten hingegen zum Teil Kritik an dem Vorgehen geäußert. Die NPD hatte bisher Anspruch auf Zuschüsse aus der Parteienfinanzierung, weil sie nicht verboten ist. 2016 bekam die rechtsextreme Partei, die Mandate auf kommunaler Ebene und einen Sitz im EU-Parlament hat, etwa 1,14 Millionen Euro. Ein NPD-Verbotsverfahren scheiterte zweimal vor dem Bundesverfassungsgericht - die Richter hatten jedoch auf den möglichen Weg hingewiesen, für diese Parteien die Finanzierung zu stoppen.
Majestätsbeleidigung abgeschafft, Wohnungseinbruchdiebstahl erweitert
Auch die Zeit der Majestätsbeleidigung in Deutschland ist vorbei. Der Bundesrat hat einen Gesetzesbeschluss gebilligt, der die Abschaffung des entsprechenden Straftatbestands in § 103 Strafgesetzbuch (StGB) vorsieht. Ein "Sonderstrafrecht" sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es in dem nunmehr beschlossenen Gesetz. Die normalen Strafvorschriften für Beleidigung seien für den Ehrschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten ausreichend.
Der Passus war in die Schlagzeilen geraten, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Basis dieses Paragrafen gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann vorgegangen war. Das Strafverfahren um dessen "Schmähgedicht" wurde allerdings eingestellt.
Ändern wird sich auch der § 244 StGB. In einem vierten Absatz soll der Wohnungseinbruchdiebstahl in eine "dauerhaft genutzte Privatwohnung" mit einer Mindestfreiheitstrafe von einem Jahr bis höchstens zehn Jahren normiert werden. Minderschwere Fälle soll es hier gar nicht mehr geben.
Wohnungseinbrüche sollen außerdem mit auf die Liste jener Delikte kommen, bei denen Ermittler die umstrittene Vorratsdatenspeicherung nutzen dürfen - bei denen sie also unter bestimmten Bedingungen auf Daten zurückgreifen dürfen, die Telekommunikationsanbieter für bis zu zehn Wochen speichern müssen. Derzeit ist das nur bei Straftaten wie der Bildung einer terroristischen Vereinigung oder Mord möglich.
2/2: Ehe und Rehabilitierung für Homosexuelle
Auf eine historische Entscheidung musste bis zum Schluss gewartet werden. Nach dem Bundestag stimmte nun auch der Bundesrat für das Gesetz zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle. Danach können auch gleichgeschlechtliche Paare künftig die Ehe eingehen. Das Gesetz sieht eine entsprechende Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor. Die Neueintragung einer Lebenspartnerschaft ist dann nicht mehr möglich. Bereits eingetragene Lebenspartnerschaften bleiben hingegen bestehen, können aber in eine Ehe umgewandelt werden.
Das Vorhaben sorgte lange Zeit für Spannungen im Bundestag. Der Rechtsausschuss vertagte die Beratung der Länderinitiative mehrfach. Die Grünen hatten vergeblich versucht, eine Abstimmung durch das BVerfG zu erzwingen. Letztlich schaffte es das Gesetz doch zur Abstimmung in den Bundestag. 393 von 623 Abgeordneten stimmten bei namentlicher Abstimmung und unter Aufhebung des Fraktionszwangs für die Öffnung der Ehe. Verfassungsrechtliche Bedenken gibt es allerdings noch, weil die Gesetzesänderung lediglich im BGB und nicht im GG erfolgen soll.
Gerhard Bangert, Geschäftsführer des Bundesverbands der Standesbeamten, sieht auch praktische Probleme auf die Behörden zukommen. . "Das Gesetz ist handwerklich ein Flop, weil jegliche Ausführungsbestimmungen fehlen". Eine entsprechende Umstellung bräuchte normalerweise neun Monate Zeit. Das Gesetz gewährt den Behörden eine dreimonatige Frist.
Auch einer Rehabilitierung Homosexueller stimmte der Bundesrat zu. Demnach sollen strafrechtliche Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen aufgrund des früheren Strafrechtsparagrafen 175 pauschal aufgehoben und die Verurteilten finanziell entschädigt werden.
Verbot von Kinderehen und NetzDG
Im Minderjährigenalter geschlossene Ehen sollen hingegen verboten werden. Wer heiraten möchte, muss künftig mindestens 18 Jahre alt sein. Minderjährige sollen so vor zu früher Heirat geschützt werden. Ehen von unter 16-Jährigen gelten pauschal als nichtig. Die bisherige Möglichkeit, dass 16-Jährige unter bestimmten Voraussetzungen heiraten können wird abgeschafft. Bei Ehen, die zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurden, erfolgt die Aufhebung in der Regel durch richterliche Entscheidung.
Auch das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Hass-Kommentare und Fake News in sozialen Netzwerken bekämpfen soll, hat es durch den Bundesrat geschafft. Das Gesetz verpflichtet Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube, offensichtlich strafrechtlich relevante Inhalte auf ihren Plattformen innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Nutzerbeschwerde zu löschen oder zu sperren. Nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte sind innerhalb von 7 Tagen zu löschen. Beschwerden sollen künftig auch an eine neu zu schaffende Stelle abgeben werden können. Bei systematischen Verstößen gegen die Löschvorgaben drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro.
Die EU setzt im Umgang mit Hass und Hetze im Internet vorerst weiter auf die Kooperation sozialer Netzwerke. Erst wenn das scheitere, könnten europäische Vorgaben in Frage kommen, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova am Freitag im estnischen Tallinn am Rande eines Treffens der EU-Justizminister. "Deshalb ist es ziemlich wichtig, jetzt auf Deutschland zu schauen und wie das dort klappt."
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Marathonsitzung im Bundesrat: Homo-Ehe, Renten, Parteifinanzierung . In: Legal Tribune Online, 07.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23401/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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