Bizarrer Mordprozess in Ingolstadt: Tote Dop­pel­gän­gerin als Ausweg aus dem Fami­li­en­st­reit?

16.01.2024

Es ist ein skurriler Sachverhalt: Eine Frau soll gezielt nach einer Doppelgängerin gesucht und diese getötet haben, um sich einem Familienstreit zu entziehen. So sieht es jedenfalls die Staatsanwaltschaft, die 190 Zeugen benannt hat.

Der Mordprozess, in dem seit Dienstag vor dem Landgericht (LG) Ingolstadt verhandelt wird, ist bizarr und dürfte, sofern es sich wirklich so zugetragen hat, jede Menge Stoff für die beliebten True-Crime-Podcasts liefern. Eine Frau soll gemeinsam mit einem mutmaßlichen Komplizen Mord an einer Doppelgängerin begangen haben, um ihren eigenen Tod vorzutäuschen und einen Neuanfang machen zu können. Der Grund: Ihre Familie und die ihres damaligen Freundes waren sich spinnefeind.

So wurde im August 2022 in einem Auto in Ingolstadt eine Leiche gefunden. Todesursache waren sehr wahrscheinlich 56 Messerstiche. Die Polizei hielt das Opfer zunächst für die nun angeklagte Ingolstädterin, da dieser das Auto gehörte und die Getötete ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Doch schon am nächsten Tag wurde das vermeintliche Opfer als Tatverdächtige festgenommen, ebenso der mitbeschuldigte Mann. Seitdem wird den zwei Angeklagten vorgeworfen, die 23-Jährige Doppelgängerin ermordet zu haben.

Auslöser des Verbrechens waren laut Anklage Streitigkeiten zwischen der Familie der angeklagten Frau und der Familie ihres mittlerweile Ex-Freundes. Die Angeklagte soll geplant haben, den Streitigkeiten zu entkommen, indem sie ihren eigenen Tod vortäuschte. Ihr Plan sei gewesen, über Instagram Kontakt zu ihr optisch ähnelnden Frauen aufzunehmen, um so ein Opfer zu finden. Dies sei ihr bei einer 23-Jährige aus Eppingen in Baden-Württemberg gelungen, indem sie dieser vorgegaukelt habe, dass sie eine kostenlose Behandlung in einem Kosmetikstudio erhalte, wenn sie danach Werbung für das Studio mache.

Zunächst schien der Plan aufzugehen

Den Angeklagten wird vorgeworfen, die 23-Jährige zu Hause abgeholt und dann in einem Waldstück umgebracht zu haben. Anschließend seien die mutmaßlichen Täter nach Ingolstadt gefahren, um das Auto mit der Leichte dort zu parken, damit es aufgefunden werden konnte. Laut Anklage sollte die Familie der Angeklagten denken, es sei ihre Leiche, damit sie hätte untertauchen können.

Zunächst schien der Plan auch aufzugehen: Familie wie Polizei waren erst einmal wirklich davon ausgegangen, dass die nun angeklagte Ingolstädterin getötet worden sei. Beide Frauen hätten sich zum Verwechseln ähnlich ausgesehen, heißt es zu dem Sachverhalt. Die kurze Zeit später ermittelnde Kriminalpolizei gelangte dann aber schnell zu der Erkenntnis, dass nicht die Ingolstädterin die Tote im Wagen war.

Das LG plant 28 Verhandlungstermine, ein Urteil könnte es demnach im Mai geben. Die Staatsanwaltschaft hat für den Prozess mehr als 190 Zeuginnen und Zeugen benannt.

Auftragskiller auf den Bruder des Ex-Freundes angesetzt?

Beide Angeklagten müssen sich in dem Prozess nicht nur wegen Mordes an der getöteten Doppelgängerin verantworten. Die angeklagte Ingolstädterin soll zudem einen Mann beauftragt haben, den Bruder ihres damaligen Lebensgefährten zu töten. Der angebliche Auftragskiller, gegen den ein separates Strafverfahren läuft, ließ aber laut Anklage den Bruder am Leben. Die Ingolstädterin habe diesen Vorwurf mittlerweile "weitgehend eingeräumt", berichtete die Staatsanwaltschaft.

Der mitangeklagte Mann soll zudem erfolglos versucht haben, in der Untersuchungshaft einen Mithäftling dazu zu überreden, Zeugen des nun gestarteten Verfahrens zu töten. Beiden Angeklagten wird insofern neben dem Hauptvorwurf auch noch unabhängig voneinander jeweils versuchte Anstiftung zum Mord vorgeworfen.

Die Verteidiger der 24-jährigen Angeklagten bemängelten in einem am Montag bei Gericht vorab eingereichten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, dass kein faires Verfahren möglich sei. In den vergangenen Wochen seien von der Staatsanwaltschaft umfangreiche zusätzliche Ermittlungsakten vorgelegt worden. Für die Einarbeitung in diese hätten sie viel mehr Zeit benötigt, argumentierten sie.

Die Staatsanwaltschaft wies dies zurück. Es sei in derart komplexen Verfahren nicht unüblich, dass auch nach Anklageerhebung noch Akten nachgereicht würden. Bei den neu vorgelegten Unterlagen sei aber inhaltlich "nichts Neues" dabei. Die Strafkammer jedoch beendete den Verhandlungstag vorzeitig. Eine Entscheidung über den Aussetzungsantrag soll am nächsten Montag bekannt gegeben werden. 

dpa/hes/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bizarrer Mordprozess in Ingolstadt: Tote Doppelgängerin als Ausweg aus dem Familienstreit? . In: Legal Tribune Online, 16.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53645/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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