Start des Wettbewerbsregisters: Wer sich selbst rei­nigt, bleibt im Spiel

Gastbeitrag von Dr. Florian Huerkamp

01.04.2021

Unternehmen, denen ein Wirtschaftsdelikt nachgewiesen wurde, werden ab sofort im neuen Wettbewerbsregister eingetragen – was zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen kann. Florian Huerkamp erläutert die Hintergründe.

Sollten Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, eine möglichst lupenreine weiße Weste haben? Als Bürger wird man die Frage wohl bejahen, und auch das Vergaberecht ist hier recht eindeutig: Öffentliche Auftraggeber müssen die Zuverlässigkeit ihrer Bieter prüfen. In der Praxis ist das bisher allerdings nicht so leicht. Denn wie soll ein Stadtrat wissen, ob die Firma, die sich für die Schulsanierung bewirbt, nicht vielleicht massiv bei den Sozialabgaben betrogen oder öffentliche Zuschüsse veruntreut hat? Hier hilft künftig ein Blick in das bundesweite Wettbewerbsregister.

Dass digitale Projekte auf Bundesebene manchmal so ihre Zeit brauchen, lässt sich an einigen Beispielen belegen. So hat auch die Einrichtung und Inbetriebnahme des bereits 2017 per Gesetz beschlossenen Wettbewerbsregisters, das beim Bundeskartellamt (BKartA) angesiedelt ist und vollständig digital verwaltet wird, gedauert. Am 25. März 2021 hat das BKartA nun den lang erwarteten Startschuss gegeben. 

Damit läuft jetzt zunächst die Registrierung der Staatsanwaltschaften und sonstigen Behörden, die künftig elektronisch Informationen in das Register einspeisen werden. Gleichzeitig registrieren sich alle öffentlichen Auftraggeber – insgesamt rund 30.000 Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen sowie Unternehmen der öffentlichen Hand –, die im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens Informationen abfragen sollen. Private haben keinen Zugriff auf das Wettbewerbsregister.

Wirtschaftskriminalität durch Transparenz bekämpfen 

Das Wettbewerbsregister dient nach dem Gesetzeswortlaut dem Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen – und damit mittelbar der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Denn alle Unternehmen, denen ein Wirtschaftsdelikt nachgewiesen worden ist, werden in Zukunft automatisch in das Register eingetragen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber sie von einem öffentlichen Vergabeverfahren ausschließen werden oder zumindest ausschließen können. Für Unternehmen erhöht sich der Anreiz, durch wirksame Compliance Rechtsverstöße zu verhindern.

Das Wettbewerbsregister erfasst künftig alle rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen, Strafbefehle und Bußgeldentscheide wegen bestimmter Delikte (Betrug, Steuerhinterziehung, Bestechung etc.) sowie Bußgelder, die wegen Verstößen gegen arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften oder wegen Kartellverstößen verhängt worden sind. 

Voraussetzung ist, dass dem Unternehmen die Straftat oder Ordnungswidrigkeit einer natürlichen Person zuzurechnen ist, weil diese in ihrer Leitungsfunktion für das Unternehmen gehandelt hat, also beispielsweise der Vorstand, der einen Betrug begeht oder deckt, oder der Geschäftsführer, der sich an verbotenen Preisabsprachen mit Wettbewerbern beteiligt.

Abfragepflicht für Aufträge ab 30.000 Euro

Schreibt eine öffentliche Stelle einen Auftrag aus, dessen Wert 30.000 Euro übersteigt, muss sie die Einträge der Bieter beim Wettbewerbsregister abfragen. Eine Eintragung kann sie dann als Ausweis der Unzuverlässigkeit eines Bieters werten und ihn vom Vergabeverfahren ausschließen. Der Ausschluss bleibt aber eine individuelle Wertungsentscheidung des Auftraggebers: Er kann nicht einfach auf die Eintragung verweisen, sondern hat im Einzelfall zu prüfen, ob der eingetragene Verstoß so gravierend ist, dass ein Ausschluss erfolgen muss. Sonst handelt es sich um einen Ermessenfehler, der die Vergabe angreifbar macht.  

Unternehmen werden vor ihrer Eintragung in das Wettbewerbsregister informiert und erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie können zudem einmal pro Jahr Selbstauskunft über ihre Eintragungen verlangen. Gelöscht wird eine Eintragung in das Wettbewerbsregister allerdings erst drei Jahre, bei schwerwiegenden Straftaten sogar erst fünf Jahre nach Rechtskraft der zugrundeliegenden Entscheidung. Für Firmen, die auf öffentliche Aufträge angewiesen sind, kann dies ein existenzgefährdend langer Zeitraum sein.

Selbstreinigung ist möglich

Deshalb erlaubt das Gesetz eine vorzeitige Löschung wegen Selbstreinigung. Was heißt das? Das Unternehmen kann einen Antrag auf Löschung seiner Eintragung stellen, wenn es nachweist, dass es Maßnahmen zur Schadensregulierung getroffen, aktiv mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet und vor allem auch Vorsorge dafür getroffen hat, dass sich ein solches Fehlverhalten nicht wiederholt. 

Ist die Selbstreinigung erfolgreich, löscht das Kartellamt die Eintragung im Register, und Auftraggeber dürfen den Gesetzesverstoß nicht mehr zum Nachteil des Unternehmens werten. Gibt das Kartellamt dem Antrag nicht statt, kann das Unternehmen versuchen, die Selbstreinigung gegenüber dem Auftraggeber im konkreten Vergabeverfahren nachzuweisen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Die Registrierung aller mitteilenden Behörden und Auftraggeber wird nun noch einige Wochen dauern. Wann genau die Mitteilungs- und Abfragepflichten anwendbar sein werden, wird sich aus dem Bundesanzeiger ergeben.

Unternehmen, die innerhalb der letzten drei oder fünf Jahre bestraft wurden oder gegen die aktuell ein Bußgeld- oder Strafverfahren läuft, müssen damit rechnen, dass ihnen spätestens mit Rechtskraft der Verurteilung ein Hinweis zur Eintragung ins Wettbewerbsregister zugeht. Sie sollten daher nachträglich bzw. noch während des laufenden Verfahrens Selbstreinigungsmaßnahmen dokumentieren, um frühzeitig einen Antrag auf Löschung des Eintrags im Wettbewerbsregister stellen zu können. 

Darüber hinaus sollte jedes Unternehmen die Selbstreinigung als Baustein seiner Compliance-Strategie mitdenken. Der Aufwand dafür dürfte deutlich geringer sein als der entgangene Umsatz, falls durch Fehlverhalten im Unternehmen ein lukrativer Auftrag platzt.

Der Autor Dr. Florian Huerkamp, MJur (Oxford), ist Rechtsanwalt im Bereich Competition, Regulation und Trade bei Herbert Smith Freehills in Düsseldorf.

Kanzlei des Autors

Zitiervorschlag

Start des Wettbewerbsregisters: Wer sich selbst reinigt, bleibt im Spiel . In: Legal Tribune Online, 01.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44638/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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