Warnschussarrest für jugendliche Gewalttäter: Warum ein Weg­sperren auf Probe nichts bringt

Dr. Kai Bammann

03.05.2011

Wiederholte brutale Angriffe auf Passanten in Berliner U-Bahnhöfen haben die Diskussion über ein härteres Jugendstrafrecht angeheizt. Die Bundesregierung plant einen so genannten Warnschussarrest, der bei jungen Tätern neben eine Bewährungsstrafe treten soll. Dies ist bisher in der Systematik des Jugendstrafrechts nicht vorgesehen – und überflüssig, meint Kai Bammann.

Die Idee des Warnschussarrests ist im weiteren Sinn dem Bereich der Untersuchungshaft entlehnt. Diese wird auch im Jugendstrafrecht nach den allgemeinen Grundsätzen angeordnet, wenn zum Beispiel Flucht- oder Wiederholungsgefahr bestehen.

Manch ein Jugendrichter sieht in ihrer Anordnung jedoch zusätzlich den ungeschriebenen Effekt, dem jungen Täter durch das Erleben einer ersten Freiheitsentziehung die Folgen seiner Tat drastisch vor Augen zu führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die anschließende Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dabei ist die Bezeichnung Warnschussarrest irreführend. Grundsätzlich versteht das Jugendstrafrecht jeden Arrest als Warnschuss – eine letzte Warnung, bevor zum härtesten Mittel gegriffen wird: der Jugendstrafe als Freiheitsstrafe.

Abschreckung entspricht nicht Charakter des Jugendstrafrechts

Bislang gibt es nur die Wahl zwischen Jugendstrafe oder Arrest; ein Nebeneinander ist ausgeschlossen. Dies folgt aus § 23 Jugendgerichtsgesetz (JGG), der als Bewährungsauflagen ausdrücklich die Weisungen und Auflagen nennt, aber nicht den Arrest. Der nun angedachte Warnschussarrest soll dies ändern und die Möglichkeit eröffnen, neben der ausgesetzten Jugendstrafe gleichwohl eine Freiheitsentziehung anzuordnen.

Dabei muss der Arrest als solcher durchaus kritisch gesehen werden. Zum einen hat der Jugendarrest keine oder eine nur sehr geringe Abschreckungswirkung. Zum anderen kann aufgrund der kurzen Dauer mit dem Inhaftierten nicht erzieherisch gearbeitet werden.

Zu beachten sind zwei weitere Aspekte: eine zu lange Zeit zwischen Tat und Urteil sowie falsche Erwartungen, die an das Jugendstrafrecht gestellt werden. Bedingt durch langwierige Ermittlungen, vor allem aber auch durch die Überlastung der Gerichte, vergehen zwischen der Tat und dem Moment, in dem die Sanktion real spürbar wird, oftmals mehrere Monate. Nach einem schweren Tatvorwurf und langem Verfahren kann dann zudem eine Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, das falsche Zeichen sein.

Bei manch einem Beteiligten, Täter wie Opfer, entsteht der Eindruck, dass die Tat folgenlos bleibt, wenn der Täter den Verhandlungssaal als freier Mensch verlässt. Im Vergleich zu einer erwarteten Inhaftierung stellen sich die Bewährungsauflagen, die letztlich zu erfüllen sind, als vergleichsweise harmlos dar.

Dies ist jedoch zu kurz gedacht. Abschreckung, zumal diejenige Dritter, entspricht nicht dem Charakter des Jugendstrafrechts. Dieses zielt auf den individuellen Täter ab. Sanktionen sind gemäß dem Erziehungsgedanken danach zu bemessen, was für den Täter in der konkreten Situation als geeignete Maßnahme erscheint, um ihn wieder auf den richtigen Weg zu führen.

Gerade bei jungen Tätern muss Strafe auf den Fuß folgen

Die Frage kann also nur lauten: ist es erforderlich, den Betreffenden wegzusperren, oder reicht es aus, ihm dies nur anzudrohen, falls er erneut straffällig wird? Immerhin ist eine Bewährungsstrafe ja nur auf den ersten Blick folgenlos: Wird der Täter erneut straffällig und verurteilt, so wird in der Regel die Bewährung widerrufen und die Strafe vollstreckt. Er weiß also im Grunde schon vorher, was mit ihm geschieht, wenn er die nächste Straftat begeht.

Derjenige, der eine Bewährungsstrafe bekommen hat, hat es also selbst in der Hand, ob er beim nächsten Mal inhaftiert wird. Jugendstrafen sind zudem mindestens sechs Monate lang, der Arrest ist deutlich kürzer. Entscheidet das Gericht, einen jungen Täter zu einem Arrest zu verurteilen, so heißt dies nichts anderes, als ihm seine Grenzen aufzeigen, dabei aber anzuerkennen, dass eine längere Haftzeit noch nicht erforderlich ist. Entscheidet es sich für eine zur Bewährung auszusetzende Jugendstrafe, so steht die Strafe im Raum und es kommt in der Folgezeit darauf an, dass der Verurteilte aktiv etwas unternimmt, um dieser Strafe zu entgehen. Er muss die Auflagen erfüllen und darf nicht mehr strafrechtlich auffallen.

Einen Warnschussarrest müsste er passiv hinnehmen und absitzen, ohne dass er sich dadurch aktiv bewährt. Ein Arrest neben einer Bewährungsstrafe macht daher keinen Sinn, da beide Sanktionsformen ein je unterschiedliches Ziel verfolgen.

Anzusetzen ist vielmehr insbesondere an einem anderen Punkt. Gerade bei jungen Tätern ist es wichtig, dass die Strafe auf dem Fuße folgt, um den inneren Zusammenhang zwischen Tat und Sanktion deutlich zu machen und zu zeigen, dass der Staat Straftaten nicht hinnimmt. Das Ziel muss sein sein, mit den im Jugendstrafrecht vielfältig vorhanden Mitteln das Beste zu erreichen: zeitnah, individuell und nachhaltig.

Der Autor Dr. Kai Bammann ist Jurist, Diplom-Kriminologe und langjähriger Lehrbeauftragter an der Universität Bremen. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen in den Bereichen Strafvollzugsrecht, Jugendstrafrecht, Kriminologie und Rechtsgeschichte.

 

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Zitiervorschlag

Dr. Kai Bammann, Warnschussarrest für jugendliche Gewalttäter: Warum ein Wegsperren auf Probe nichts bringt . In: Legal Tribune Online, 03.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3176/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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