Billigung der Ukraine-Invasion?: Wann das "Z" als Symbol jetzt strafbar ist

Gastbeitrag von Prof. Dr. Ulrich Stein

16.03.2022

Mit dem "Z" will das russische Militär die Ukraine-Invasion populär machen. Auch in Deutschland gibt es Nachahmer. Doch wie grenzt man harmlose Zeichenverwendung von strafbarer Billigung des Angriffskriegs ab? Ulrich Stein erklärt es.  

Zuerst war das "Z" nur auf Fahrzeugen und Uniformen der russischen Invasionstruppen in der Ukraine zu sehen. Dann tauchte es in Russland auf eindeutig zivilen Fahrzeugen und auf der Kleidung von Zivilisten auf. Das Rätsel um die Bedeutung in diesem zivilen Kontext löste das russische Verteidigungsministerium mit einem Post bei Instagram auf: "Z" stehe für "Za Pobedu", übersetzt: "Auf den Sieg". Dass damit der Erfolg der Ukraine-Invasion gemeint ist, war angesichts der aktuellen Ereignisse eigentlich sofort klar, allerspätestens aber seit dem Facebook-Video einer Duma-Abgeordneten, in dem diese ein "Z" auf ihren Blazer malt und zwecks Unterstützung der Armee und des Präsidenten zur Nachahmung aufruft.

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Lugansk-Region, Ukraine am März 14 / Foto: picture alliance/dpa/TASS | Alexander Reka

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Wird durch das Zeigen des "Z" ein rechtswidriger Angriffskrieg gebilligt? Wenn ja, könnte dies nach deutschem Recht strafbar sein. Nach § 140 Strafgesetzbuch (StGB) ist das Billigen bestimmter Delikte strafbar. Hierzu gehört auch das Billigen eines Angriffskrieges (nach § 140 Nr. 2 StGB i.V. mit § 138 Abs. 1 Nr. 5 StGB und § 13 VStGB). Solange solche Unterstützungsaktionen nur in Russland stattfinden, können sie nach den Regeln des Internationalen Strafrechts in Deutschland nicht bestraft werden (§§ 3–7 StGB). Inzwischen aber ist die Unterstützungswelle auch nach Deutschland übergeschwappt. Auch hier wurden offenbar bereits Autos, T-Shirts, Flaggen, Hauswände usw. mit dem "Z" gesichtet. Wenn rechtlich solche Unterstützungsaktionen unter § 140 StGB fallen, sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich zum Eingreifen verpflichtet (sog. Legalitätsgrundsatz, §§ 152 Abs. 2, 160, 163 StPO). Verdächtigen, die nicht Deutsche sind, können zusätzlich aufenthaltsrechtliche Nachteile drohen.  

Dass die Invasion den Tatbestand des Angriffskriegs (§ 13 VStGB) verwirklicht, dürfte auf der Hand liegen und in einem Strafverfahren auch ohne größere Probleme beweisbar sein. Nach allem, was man kriegsparteiunabhängigen Quellen entnehmen kann, entspricht sie sogar exakt mindestens zweien der in § 13 Abs. 3 VStGB angeführten Hauptbeispiele: Sie verletzt die UN-Charta, weil sie gerichtet ist gegen die territoriale Souveränität eines anderen Staates (faktische Durchsetzung und Absicherung der völkerrechtswidrigen Abspaltung von Teilen der Republik Ukraine) und gegen dessen politische Unabhängigkeit (Erzwingung einer Rußland-freundlichen oder zumindest neutralen Politik). Ob das Vorgehen zusätzlich noch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als Kriegsverbrechen i. S. des VStGB einzustufen ist, ist in tatsächlicher Hinsicht schwieriger zu beurteilen, aber für das Eingreifen von § 140 StGB letztlich nicht mehr relevant. 

Öffentliches "Billigen" des Angriffskriegs durch das Z-Symbol?  

Wird mit der Verwendung des "Z" der Angriffskrieg Putins gebilligt? Ein Verhalten ist ein "Billigen" einer Straftat, wenn "eindeutig" im Sinne einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass eine Durchschnittsperson zu der Schlussfolgerung kommen würde, durch dieses Verhalten solle eine positive Bewertung der Straftat zum Ausdruck gebracht werden. Diese auch so schon recht sperrige, unhandliche Definition muss zur Vermeidung eines Missverständnisses noch durch eine Klarstellung ergänzt werden: Maßgeblich ist eine Durchschnittsperson, die – bei einer verbalsprachlichen Äußerung – die verwendete Sprache beherrscht, mag es sich auch um eine Fremdsprache handeln. Bei einer symbolsprachlichen Äußerung – wie hier im Falle des "Z" – ist auf eine Durchschnittsperson abzustellen, die die gängigen Bedeutungsmöglichkeiten der Verwendung dieses Symbols kennt. Geht man mit diesem Maßstab an die typischerweise vorkommenden Fallgestaltungen heran, so ergibt sich ein differenziertes Bild:  

Erstens gibt es zahlreiche Situationen und Kontexte, in denen der Betrachter kaum auf die Idee kommen wird, die Invasion solle unterstützt werden. Beispiele: Ein "Z" ist, kunsthandwerklich gestaltet, in ein Gartentor integriert oder, liebevoll aus Salzteig gebacken, an der Haustür befestigt; der Betrachter wird spontan meinen, hier wohne wohl jemand, dessen Name mit "Z" anfange. Ein "Z", das – durch ergänzende Ornamente, einen an historische Romane erinnernden Schriftstil usw. künstlerisch oder wenigstens dekorativ aufgewertet – auf Kleidungsstücke professionell gedruckt oder sogar eingewebt ist, wird den Betrachter möglicherweise an die Romanfigur "Zorro", jedenfalls aber kaum an die Ukraine-Invasion erinnern.  

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Z-Zeichen in St. Petersburg / Foto: picture alliance / EPA | ANATOLY MALTSEV

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Auf die Sitation der Verwendung des "Z" kommt es an  

Zweitens werden Situationen vorkommen, in denen der Betrachter das "Z" nur möglicherweise auf die Invasion beziehen, es möglicherweise aber auch anders einordnen oder ratlos bleiben wird. Dann ist die Symbolverwendung mangels Eindeutigkeit des Aussagegehalts kein Billigen i. S. von § 140 StGB. Beispiele: ein sorgfältig, etwa mittels Schablone, an einem Gebäude oder einem Kleidungsstück angebrachtes "Z", das ein Deko-Element sein könnte, aber in Farbgebung und Gestaltung eher unpassend wirkt; oder ein "Z", das sorgfältig an einem Fahrzeug angebracht ist, aber eher klein ist und an einer Stelle, wo man bei Geschäftswagen den Hinweis auf das Unternehmen erwarten würde.  

Die dritte Fallgruppe schließlich umfasst die Situationen, in denen die Symbolverwendung ein Billigen der Invasion ist, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass ein Betrachter sie so interpretieren würde. Besonders klar ist dies, wenn das "Z" auf einem Hintergrund in den russischen Nationalfarben angebracht ist – sei es auf einer russischen Nationalflagge, sei es auf einem an dieser Stelle farblich entsprechend gestalteten Gebäude, Fahrzeug oder Kleidungsstück. Ansonsten gehört die Verwendung des "Z" umso eher in diese Fallgruppe, je stärker das Symbol den Eindruck erweckt, es sei, wie für spontane, auf Öffentlichkeitswirksamkeit angelegte politische Meinungsbekundungen typisch, in unprofessioneller Weise mit viel Improvisation und ohne Rücksicht auf Ästhetik hergestellt worden: unharmonisch groß, hastig mit groben Pinselstrichen oder breitem Filzstift aufgemalt, aus zufällig vorhandenem Material (Klebestreifen) zusammengestückelt usw. Wenn jemand eigene Sachen dermaßen grob und oft irreparabel verunstaltet hat, wird sich ein Durchschnittsbetrachter sagen, dahinter könne kein banales Anliegen stecken, sondern es müsse sich um ein als wichtig und eilig empfundenes Statement handeln, und daher komme von den aktuellen Bedeutungsmöglichkeiten des "Z" nur die Beteiligung an der "Z"-Kampagne infrage.

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Z-Zeichen auf deutscher Autobahn / Foto: Twitter/@KommtDraufAn2

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Das "Z" als Symbol einer von Angriffskriegen geprägten Welt

Für die Strafbarkeit verlangt § 140 Nr. 2 StGB zudem, dass das Verhalten geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Voraussetzung ist im Falle einer Billigung der russischen Invasion durch die Verwendung des "Z" sogar in zweifacher Hinsicht gegeben: Erstens besteht die nicht nur fernliegende Möglichkeit, dass sich der russische Staat und womöglich auch andere Staaten mit ähnlicher politischer Ausrichtung bestärkt fühlen und man daher stärker als bisher mit Angriffskriegen, die zumindest mittelbar auch Deutschland in Mitleidenschaft ziehen würden, rechnen muss. Immerhin hat die russische Regierung die "Z"-Kampagne in Russland ja im Wesentlichen selbst initiiert und damit gezeigt, dass ihr öffentliche Zustimmung aus dem zivilen Bereich wichtig ist. Und da auch in Deutschland über in und ausländische Aktionen dieser Art berichtet wird und in der hiesigen Bevölkerung offenbar ein reges Interesse an Informationen über den Ukraine-Krieg herrscht, besteht zweitens die nicht nur fernliegende Möglichkeit, dass bei vielen Menschen in Deutschland die Befürchtung aufkommt, man müsse künftig in einer noch stärker durch Angriffskriege geprägten Welt leben.  

Wer der russischen Propaganda glaubt, handelt straffrei

Zu den subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen gehört insbesondere der Vorsatz, wobei es genügt, dass der Betreffende das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen ernsthaft für möglich hält (sog. Bedingter Vorsatz). Eine die Strafbarkeit tendenziell einengende Besonderheit besteht bei § 140 Nr. 2 StGB allerdings insofern, als zum Vorsatz auch eine bestimmte Vorstellung über die Rechtslage gehört, nämlich die Vorstellung, die Invasion sei wegen ihrer Zielrichtung gegen die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit der Ukraine völkerrechtswidrig. Wer der russischen Propaganda glaubt und überzeugt ist, die Invasion sei zur Abwehr eines Angriffs seitens der Ukraine, zur Verhinderung eines Völkermords an der dortigen russisch-stämmigen Bevölkerung oder aus ähnlichen Gründen völkerrechtlich gerechtfertigt, der handelt ohne Vorsatz und kann nicht nach § 140 bestraft werden. Wenn ein Beschuldigter im Strafverfahren behauptet, er habe diese Überzeugung gehabt, und nicht geklärt werden kann, ob seine Behauptung stimmt, dann ist er folglich freizusprechen.  

Wer hingegen weiß, dass er einen Angriffskrieg billigt, zugleich aber überzeugt ist, dies sei wegen seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit erlaubt, erliegt einem Verbotsirrtum, wird aber trotzdem bestraft, weil sein Irrtum vermeidbar ist. Auch derjenige macht sich strafbar, der z. B. wegen sozialen Drucks bei der Symbol-Aktion mitmacht, obwohl er die Invasion als völkerrechtswidrig einordnet und sie deshalb innerlich ablehnt. Denn strafbar ist nicht eine bestimmte innere Einstellung, sondern nur das äußere Verhalten, wenn es den Eindruck erweckt, diese Person befürworte die Invasion.  

Fazit: Wer in Deutschland das "Z"-Symbol verwendet, macht sich in der Regel wegen Billigung eines Angriffskriegs strafbar und muss mit Strafverfolgung rechnen, wenn die Verwendung den "eindeutigen" Eindruck erweckt, es solle damit eine positive Bewertung der Ukraine-Invasion zum Ausdruck gebracht werden.  

 

Prof. Dr. Ulrich Stein war Inhaber einer Professur für Strafrecht an der Universität Münster. Seine Forschungs und Publikationsschwerpunkte sind Grundsatzfragen des Strafrechts und Straftaten gegen Interessen der Allgemeinheit. Er kommentiert im "Systematischen Kommentar zum Strafgesetzbuch" unter anderem § 140 StGB.  

 

Zitiervorschlag

Billigung der Ukraine-Invasion?: Wann das "Z" als Symbol jetzt strafbar ist . In: Legal Tribune Online, 16.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47841/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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