Spendentransporte in die Ukraine: Was Helfer beachten müssen, um sich nicht strafbar zu machen

Gastbeitrag von David Wagner

23.06.2022

Angesichts des Kriegs in der Ukraine wollen viele Menschen helfen – und etwa Hilfsgüter spenden, die auch militärisch genutzt werden können. Dabei sollten sie jedoch genau die Regelungen des Außenwirtschaftsrechts beachten.

Während manche Menschen Geflüchtete in ihren Haushalt aufnehmen, sammeln andere Geld- und Sachspenden. Hygieneartikel, Schlafsäcke, haltbare Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter werden aus Deutschland bis in die westlichen Gebiete der Ukraine gebracht. Doch zum Teil enthalten die Spendentransporte auch militärisch verwendbare Sachgüter, namentlich Schutzwesten, Schutzhelme, Wärmebildkameras und Nachtsichtgeräte. Dabei müssen die Hilfswilligen genau darauf achten, unter welchen Voraussetzungen die Ausfuhr zulässig ist – damit sie sich nicht nach den Strafvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes strafbar machen.

So kam es in den letzten Wochen an der polnisch-ukrainischen Grenze vermehrt zu Zollkontrollen von Transporten mit Hilfsgütern. Diese konzentrierten sich auf privat organisierte Kleintransporter, wobei die Grenzbeamt:innen Ausschau nach militärisch verwendbaren Sachgütern hielten. Die Generalzolldirektion und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) machen auf die außenwirtschaftlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit Hilfslieferungen in die Ukraine aufmerksam.

Bestimmte Spendengüter stehen auf der Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial

Für den Außenhandel besteht grundsätzlich die Freiheit des Wirtschaftsverkehrs, § 1 Abs. 1 S. 1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Allerdings gibt es zahlreiche Einschränkungen dieses Grundsatzes durch die Außenwirtschaftsverordnung (AWV), mit welcher der deutsche Gesetzgeber auch das Unionsrecht zur Steuerung des Außenhandels umsetzt. Hintergrund der (nationalen) Reglementierung des Außenhandels sind wirtschaftliche, politische, öffentliche, aber auch militärische und strategische Verteidigungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland. Entsprechend politisch geprägt ist dieses Rechtsgebiet.

Einen Teil des Außenwirtschaftsrechts bildet die hier einschlägige Beschränkung der Güterausfuhr. Als Anlage zur AWV enthält eine Ausfuhrliste detaillierte Regelungen zu einzelnen Gütern, auf die sich die in der AWV angeordneten Beschränkungen beziehen. Teil I Abschnitt A dieser Ausfuhrliste enthält eine "Liste für Waffen, Munition sowie Rüstungsmaterial". Diesbezüglich regelt § 8 Absatz 1 Nr. 1 AWV eine Genehmigungspflicht für sämtliche in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannten Güter. Daneben existiert auf unionsrechtlicher Ebene die Verordnung (EU) 2021/821, die in Anhang I sog. Dual-Use-Güter aufführt.

Wenngleich die Überschrift des Abschnitts A als "Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial" auf den ersten Blick nicht zu passen scheint, führt die Ausfuhrlistenposition A0013 "Spezialpanzer- oder Schutzausrüstung" als Rüstungsgut auf. Hierunter können Schutzhelme und Schutzwesten fallen, soweit sie gemäß militärischen Standards bzw. Spezifikationen oder hierzu gleichwertigen Anforderungen hergestellt sind. Dies ist etwa bei Schutzwesten mit einem bestimmten ballistischen Schutz nach den Standards des amerikanischen National Institut of Justice (NIJ) oder der Spezifikation "Splitterschutz" der Fall. Ebenso können Nachtsichtgeräte oder Wärmebildkameras von der Ausfuhrposition A0015 der Ausfuhrliste Teil I sowie 6A003 des Anhangs I der Verordnung (EU) 2021/821 erfasst werden.

Wer nunmehr ohne Genehmigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV bzw. ohne Genehmigung nach Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/821 die vorbezeichneten Güter aus dem Inland in ein Land außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union liefert, wird gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 AWG bzw. § 18 Abs. 5 Nr. 1 AWG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Damit sollen einerseits die Funktionsfähigkeit der staatlichen Exportkontrolle, andererseits aber auch nationale sowie internationale Sicherheitsinteressen geschützt werden ("Völkerfrieden").

Bis Ende Dezember gilt noch eine Allgemeine Regelung des BAFA

Wer sich für Hilfsgüterlieferungen in die Ukraine engagiert, sollte sich deshalb gründlich informieren. Während Hersteller von Schutzausrüstung oder professionelle Hilfsorganisationen mit den Ausfuhrbeschränkungen grundsätzlich vertraut sind, dürfte dies bei Privatpersonen nicht ohne Weiteres anzunehmen sein. Diese organisieren sich über soziale Netzwerke und bestellen etwa online ausrangierte Schutzausrüstung der Bundeswehr, um sie anschließend in ukrainische Gebiete zu bringen. Das BAFA sieht daher auch eine Verantwortung der Verkäufer, die Helfenden über Ausfuhrbeschränkungen aufzuklären.

Zudem hat das BAFA die Strafbarkeitsrisiken bei Schutzgüterlieferungen in die Ukraine durch eine bis zum 31. Dezember 2022 befristete Allgemeine Genehmigung (AGG Nr. 32 - Schutzausrüstung Ukraine) teilweise entschärft. Damit solle zum einen die schnelle Lieferung von dringend benötigter Schutzausrüstung in die Ukraine ermöglicht werden, so das Bundesamt. Zum anderen soll die Regelunge Hilfsorganisationen und Privatpersonen entlasten, indem das Antragserfordernis wegfällt. Damit wolle die Bundesregierung die zahlreichen Bemühungen um rasche Hilfslieferungen für die Ukraine unterstützen.

Betreffend militärischer Schutzausrüstung gilt die AGG Nr. 32 zunächst lediglich für Schutzhelme und Schutzwesten. Die Ausfuhr von Infrarot- oder Wärmebildausrüstung bedarf weiterhin einer eigenständigen Genehmigung. Genehmigt sind zudem nur Ausfuhren an staatliche Stellen, Einrichtungen und Organisationen der ukrainischen Regierung sowie nichtstaatliche Hilfsorganisationen ohne Bezug zu Russland. Privatpersonen und sonstigen Helfenden darf Schutzausrüstung ausschließlich zur eigenen Verwendung geliefert werden. Nicht erfasst von der AGG Nr. 32 sind Lieferungen in die ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk sowie auf die Krim und nach Sewastopol.

Die Online-Registrierung nicht vergessen

Ausführende müssen sich des Weiteren vor der ersten Ausfuhr oder spätestens 30 Tage danach beim BAFA registrieren. Dies erfolgt online über das ELAN-K2 Ausfuhr-System, über das auch monatlich Angaben zu den auf Grundlage der AGG Nr. 32 getätigten Ausfuhren zu machen sind. Nach einer kurzen Registrierung und Freigabe durch das BAFA lässt sich das Online-Portal nutzen.

Unter Angabe der erforderlichen Daten etwa zum Ausführenden, Empfangenden und den Güterdetails erfolgt dann die konkrete Anmeldung zur Allgemeinen Genehmigung sowie die Erfassung einer entsprechenden Meldung. Sollte die Allgemeine Genehmigung nicht mehr benötigt werden, ist ebenso eine Online-Abmeldung jederzeit möglich.

Interessant ist an dieser Stelle, dass die Registrierung als Auflage zur Genehmigung konzipiert ist. Damit entfaltet die Genehmigung für Ausführende auch ohne eine Registrierung grundsätzlich Legalisierungswirkung. Unterbleibt jedoch eine Registrierung und erlangt das BAFA hiervon Kenntnis, kann die AGG Nr. 32 im Einzelfall widerrufen werden – dann lebt das Strafbarkeitsrisiko der ungenehmigten Ausfuhr wieder auf.

David Wagner ist rechtsberatend in einem Jugendhaus in Berlin-Kreuzberg und als juristischer Mitarbeiter im Bereich Wirtschaftsstrafrecht bei einer Großkanzlei am Standort Berlin tätig.


Zitiervorschlag

Spendentransporte in die Ukraine: Was Helfer beachten müssen, um sich nicht strafbar zu machen . In: Legal Tribune Online, 23.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48827/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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