Entgegen anderslautendem Rechtsgutachten: eSports auf dem Weg zur Aner­ken­nung

Gastbeitrag von Dr. Oliver Daum

06.09.2019

Laut einem vom DOSB in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten sind eSports nicht gemeinnützig, weil es an der Körperlichkeit mangele. Oliver Daum zeigt, warum das zu kurz gedacht ist – und was die Debatte mit Schach, Bridge und Skat zu tun hat.

Sind eSports nun gemeinnütziger Sport und damit gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 der Abgabenordnung (AO) steuerbegünstigt? Diese Frage wollte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) geklärt wissen, als er einen ehemaligen Richter des Bundesfinanzhofs mit der Ausarbeitung eines Rechtsgutachtens beauftragte. Das Ergebnis des Gutachtens überrascht kaum: eSports seien kein Sport und damit steuerlich nicht zu begünstigen. Die Begründung: Es fehle an der körperlichen Aktivität, die den juristischen Sportbegriff in Deutschland präge.

Genauer heißt es im Gutachten dazu: "Der Rechtsbegriff 'Sport' ist, ungeachtet dessen, dass es keine Legaldefinition gibt, durch die langjährige Rechtsprechung [des Bundesfinanzhofes] im traditionellen Sinne der Anforderungen an die Körperlichkeit konkretisiert."

Am Erfordernis der körperlichen Aktivität, die nicht Teil der eSports sei, scheitere eine Anerkennung der eSports als gemeinnützig. Der Leser bleibt jedoch im Unklaren darüber, welche genauen Anforderungen in dem Gutachten an die Körperlichkeit beziehungsweise körperliche Aktivität gestellt werden. In Anbetracht dessen, dass die körperlichen Betätigungen in den eSports weniger mit Fußball als vielmehr mit Schießen oder Billiard vergleichbar sind – beides sind übrigens anerkannte Sportarten –, wäre dieser Punkt durchaus zu erörtern gewesen.

Ein Rechtsgutachten mit Lücken

Hilfreiche Hinweise zu den Anforderungen der Körperlichkeit im Sport ergeben sich aus der Definition des Bundesfinanzhofes (BFH, Urt. v. 27.9.2018, Az.: V R 48/16), auf die das Gutachten ebenfalls Bezug nimmt. Der Begriff 'Sport' umfasst "solche Betätigungen, die die allgemeine Definition des Sports erfüllen und der körperlichen Ertüchtigung dienen. Vorausgesetzt wird daher eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet ist", entschieden die Münchner Richter.

Doch anders als es das Gutachten suggeriert, stützt die genannte BFH-Definition das Ergebnis des Gutachtens gar nicht. Denn zum einen werden eSports gar nicht erst unter der Definition subsumiert. Und zum anderen erfüllen eSports das Tatbestandsmerkmal der "körperlichen, über das ansonsten übliche Maß hinausgehenden Aktivität": Die Finger- und Handbewegungen an Tastatur, Maus und Controller gehen zweifellos und auch für außenstehende Dritte erkennbar über das übliche Maß der Benutzung hinaus. Die Rechtsprechung des BFH stellt schon seit dem Motorsport-Fall aus dem Jahre 1997 (Urt. v. 29.10.1997, Az.: I R 13/97) keine hohen Anforderungen mehr an die Körperlichkeit. Das Kriterium der Körperlichkeit dient offenbar vielmehr der Abgrenzung von Sport zu Schach und Skat.

Das Rechtsgutachten weist damit Lücken auf, weil es auf kritische Punkte nicht eingeht. Daher haben auch die Begründung und das Ergebnis des Gutachtens für den Leser insgesamt nur einen bedingten Erkenntnisgewinn. Doch selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eSports kein Sport im Sinne der AO seien, wäre (wie auch das Gutachten selbst diskutiert) eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach der Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 S. 2 der AO in Betracht zu ziehen.

Gutachten: Gemeinnützigkeit der eSports "abzuwehren"

Die Auffassung darüber, was nach der Öffnungsklausel als gemeinnützig anzuerkennen ist, ist wandlungsfähig. Jedes Bundesland kann hier eigene Entscheidungen treffen, solange der verfolgte Zweck (wie in der AO vorgesehen) die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet fördert und – verkürzt gesagt – nicht nur einer bestimmten Personengruppe vorbehalten bleibt. Auf diesem Wege sind zum Beispiel Schach und Bridge anerkannt worden.

Laut dem Gutachten ist eine Anerkennung der eSports auf der Grundlage der Öffnungsklausel jedoch – so wörtlich – "abzuwehren". Denn anders als Schach und Bridge seien eSports nicht durch "erhebliche intellektuelle Anstrengungen sowie hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten" charakterisiert.

Diese Wertung ist jedoch kein Argument gegen eSports, sondern vielmehr ein Aufruf zu mehr Aufklärungsarbeit: Denn gerade Wettkampf- und Turniersituationen konfrontieren den eSportler mit einer sehr hohen Anzahl von Spielentscheidungen, die im Bündel enorme kognitive Fähigkeiten abverlangen und oft auch noch nach Stunden richtig zu treffen sind, wenn er einen der oberen Plätze im jeweiligen Wettbewerb erreichen will.

eSports zu erfolgreich, um sie nicht anzuerkennen

Sofern man auch eine Anerkennung der eSports über die Öffnungsklausel nicht für einschlägig hält, käme noch eine rechtstechnische Fiktion in Betracht, wie sie der Gesetzgeber für Schach angewandt hat. Schach ist zwar gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 21 der AO kein Sport, gilt aber als Sport und wird daher steuerlich begünstigt. Ein Kniff, mit dem der Gesetzgeber durchaus einen Kompromiss zwischen dem DOSB und dem eSport-Bund Deutschland (ESBD) erzielen könnte. Der ESBD setzt sich für die Anerkennung von eSports in Deutschland ein und ist hier ein zäher Widersacher des DOSB.

Doch auch gegen diesen dritten Weg der Anerkennung der Gemeinnützigkeit der eSports wendet sich das Rechtsgutachten. Bei der Frage, ob eSports de lege ferenda anzuerkennen sind, empfiehlt das Gutachten der Politik, sich nicht gegen die Auffassung des DOSB zu stellen. Dies nämlich stelle einen Eingriff in die geschützte Verbandsautonomie dar, wodurch der "Rechtsbegriff 'Sport' beschädigt" würde. Dass Politik und Sportverband jedoch nicht immer einer Meinung sein müssen, verdeutlicht wiederum das Schachspiel, das – im Gegensatz zum Gesetzgeber – vom DOSB als Sport anerkannt wird.

Das Rechtsgutachten kann den Streit zwischen DOSB und ESBD damit nicht entschärfen, ganz im Gegenteil: Es lässt kein gutes Haar an den eSports – und muss sich damit den Vorwurf gefallen lassen, ein Parteigutachten zu sein. Ein Gutachten über die Vor- und Nachteile einer Anerkennung der eSports als gemeinnützig wäre zur Lösung des Konflikts die bessere Wahl gewesen. So allerdings ist dem Gutachten des DOSB praktisch nur eine geringe Bedeutung beizumessen.

Letztlich bleibt auch der folgende und wohl wichtigste Aspekt der eSports im Gutachten komplett unberücksichtigt: eSports sind auf dem Vormarsch und nicht mehr aufzuhalten. Angesichts stetig zunehmender Vereins-, Spieler- und Zuschauerzahlen ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis sie in Deutschland als gemeinnützig anerkannt werden.

Der Autor Dr. Oliver Daum ist Rechtsanwalt in Kiel und betreibt die Webseite www.esportsrecht.com.

Zitiervorschlag

Entgegen anderslautendem Rechtsgutachten: eSports auf dem Weg zur Anerkennung . In: Legal Tribune Online, 06.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37481/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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