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Die AfD und das Grundgesetz: Auf dem Weg in eine andere Repu­blik

von Prof. Dr. Joachim Wieland

17.03.2016

AfD

John MACDOUGALL / AFP

Seit dem 13. März ist die AfD eine neue politische Kraft in Deutschland. Ihre politischen Ziele lassen sich aber in wichtigen Punkten nicht mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbaren. Joachim Wieland zeigt die Konfliktpunkte.

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Die AfD (Alternative für Deutschland) hat bei den Landtagswahlen in Sachen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz triumphiert. Programme für die einzelnen Länder gab es bereits, nun hat die Partei einen Entwurf für ein Grundsatzsprogramm erstellt, das unter anderem auf eine andere staatliche Ordnung abzielt, als sie im Grundgesetz angelegt ist.

Der Konsens der Demokraten umfasst in Deutschland die Grundstrukturen der staatlichen Ordnung, wie  sie sich seit 1949 entwickelt und im Grundgesetz (GG) ihren Ausdruck gefunden hat. Diese Grundstrukturen will die AfD ändern. Sie will einen anderen Staat. Dass die Verfassung etwas anderes sagt, scheint sie nicht zu stören. Politik muss sich aber im Rahmen der Verfassung halten. Erst nach einer Verfassungsänderung, für die eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich ist und die Grundstrukturen des GG, wie sie in der Ewigkeitsgarantie des Art. 79* III GG festgelegt sind, nicht berühren darf, würde sich auch der politische Handlungsspielraum der AfD erweitern. Von einer verfassungsändernden Mehrheit ist die AfD aber weit entfernt. Das hindert sie jedoch nicht an politischen Zielsetzungen, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Drei Beispiele:

Austritt aus der EU oder Auflösung

Das deutsche Volk bekennt sich in der Präambel des GG zu seiner Stellung als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa. Deutschland wirkt zur Verwirklichung eines vereinten Europa gemäß Art. 23 I GG bei der Verwirklichung der Europäischen Union mit und kann der Union Hoheitsrechte übertragen. Die Mitwirkung in der Europäischen Union (EU) hat Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit des Nationalsozialismus die Rückkehr in die Völkergemeinschaft geebnet und die Wiedervereinigung trotz erheblicher Bedenken wichtiger Verbündeter ermöglicht. Die deutsche Wirtschaft, die deutsche Gesellschaft und das deutsche Recht sind heute auf Europa ausgerichtet. Das will die AfD radikal ändern. Deutschland soll entweder aus der EU austreten oder für deren Auflösung sorgen. Über die Konsequenzen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft hat die AfD sich offenbar keine Gedanken gemacht. Jedenfalls werden diese schwerwiegenden Konsequenzen im Programm der Partei nicht erwähnt. Da erscheint der ebenfalls angestrebte Austritt aus der Währungsunion nur konsequent. Der Kampf gegen den Euro war der Partei gewissermaßen in die Wiege gelegt. Auch die Konsequenzen eines Zerbrechens der Währungsunion werden nicht angesprochen.

Abschaffung der Rechtsmittelinstanz

Die AfD fordert weiter, das  Rechtsmittelsystem  "so  zu  gestalten,  dass  zügige  Entscheidungen möglich werden,  indem  insbesondere Urteilsaufhebungen und Zurückweisungen  zur Neuverhandlung abgeschafft werden". Die AfD fordert danach also die Abschaffung sowohl der Berufungs- als auch der Revisionsinstanz.

Der Rechtsstaat wird beeinträchtigt, wenn das Rechtsmittelsystem nach den Forderungen der AfD so umgestaltet wird, dass die Aufhebung von Urteilen und eine Zurückverweisung zur Neuverhandlung abgeschafft werden. Fehlurteile sind offenbar in Kauf zu nehmen, wenn nur zügig Recht gesprochen wird. Der Rechtsstaat wird auf schnelle statt auf gerechte Entscheidungen hin ausgerichtet.

Keine Sozialleistungen für "selbstgewählte" Alleinerziehende

Da Alleinerziehende keinen "normalen" Lebensentwurf verwirklichen, verdienen sie nach Auffassung der AfD zwar Mitgefühl. Eine staatliche Finanzierung des "selbstgewählten" Lebensmodells von Alleinerziehenden soll es nicht mehr geben. Wer Partner oder Partnerin verliert, steht also außerhalb des "Normalen". Wer allein für mehrere Kinder sorgen muss, darf nicht mehr auf Sozialleistungen hoffen.

Dass aus der Garantie der Menschenwürde in Art. 1 GG ein Anspruch auf staatliche Sicherung des Existenzminimums folgt, den selbst der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht beseitigen kann, weil die Garantie der Menschenwürde seinem Zugriff durch die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes entzogen ist, scheint die AfD nicht zu stören.

Psychisch Kranke in Sicherungsverwahrung

Psychische kranke Straftäter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sollen nicht mehr in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden. Therapien sind für sie nicht vorgesehen. Das ist mit der Menschwürde der Betroffenen nicht zu vereinbaren. Auch gefährliche Straftäter haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Ihnen darf nach dem Grundgesetz eine Therapie nicht vorenthalten werden, wenn sie krank sind. Die Allgemeinheit darf sich vor den von ihnen ausgehenden Gefahren schützen, darf sie aber nicht rechtlos stellen.

Die AfD wird in Zukunft, wenn sie in mehreren Landtagen vertreten ist, ihr Verhältnis zur Verfassung klären müssen. Der Vorrang der Verfassung in Deutschland verbietet es, dass sich eine politische Partei nach ihrem Gutdünken über die Vorgaben hinwegsetzt, die das Grundgesetz für den politischen Prozess macht. Auch eine Protestpartei ist an das Recht gebunden und bewegt sich nicht in einem rechtsfreien Raum.

Prof. Dr. Joachim Wieland lehrt Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst irrig 78. Korrigiert am 17.3. um 15:40.

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Joachim Wieland, Die AfD und das Grundgesetz: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18811 (abgerufen am: 06.11.2025 )

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