Ingo Lenßens "Die Lücke im Gesetz": TV-Anwalt vermisst Unrechtsbewusstsein

von Constantin Körner

17.04.2013

In seiner Rolle als "Lenßen" löst er täglich knifflige Fälle. Im richtigen Leben hat Ingo Lenßen mal wieder ein Buch geschrieben. Hinter dessen Titel "Die Lücke im Gesetz - wie man ungestraft davon kommt" steckt Nachdenkliches. Außerdem erzählte der Anwalt LTO, woher der Zwirbelbart kommt und warum er nur noch regionale Mandate annimmt.

Sage und schreibe fast 104.000 Menschen gefällt die offizielle Fanpage von Ingo Lenßen auf Facebook. Das verdankt der Anwalt in Bodman-Ludwigshafen vor allem der täglichen TV-Präsenz von "Lenßen".

Der Grundstein zur Vorgängerserie "Lenßen und Partner", die den Juristen als TV-Schauspier bekannt machte, wurde eher zufällig gelegt. Eines Tages erreichte den passionierten Zwirbelbart-Träger ein Schreiben einer Produktionsfirma, die wissen wollte, ob er sich die Mitwirkung an einer TV-Produktion vorstellen könnte. "Anfangs habe ich das Fax nicht allzu ernst genommen. Heute genieße ich es sehr, in unterschiedlichen Berufsfeldern zu Hause sein zu dürfen. Nicht selten befruchten sich diese unterschiedlichen Felder", findet der passionierte Zwirbelbart-Träger. Seinen Bart trage er seit mittlerweile 30 Jahren, "er entstand aus einer Liebe zu den Büchern von Honoré de Balzac", verrät der 52-Jährige.

So sammelte der Jurist im Jahr 2002 erste Fernseherfahrungen als Anwalt in der Gerichtsshow "Richter Alexander Hold". Schon ein Jahr darauf folgte dann die nach ihm benannte Serie "Lenßen & Partner". Heute ist er täglich in der Serie "Lenßen" zu sehen, für die er seit November 2011 laufend vor der Kamera steht.

Aus Zeitgründen: Mandate nur noch aus dem regionalen Umfeld

Diese zeitintensiven Verpflichtungen sind aber nicht der einzige Grund, warum so mancher Fernsehzuschauer enttäuscht sein dürfte, wenn er sich bei der Kanzlei Lenßen & Partner in Bodman meldet, um sich von Ingo Lenßen vertreten zu lassen: "Mandate nehme ich aus Zeitgründen nur aus meinem regionalen Umfeld an. Anfragen aus anderen Regionen leite ich an Kollegen weiter."

Obwohl unter Juristen häufig die Nase gerümpft wird, wenn man auf Gerichtsshows oder sogenannte TV-Anwälte zu sprechen kommt, beweist der Erfolg der Serien mit Lenßen eindrucksvoll, dass sich offenbar viele Menschen für Rechtliches interessieren. Auch und gerade Laien. Diesen widmet Ingo Lenßen sein neues Buch: "Ich möchte rechtlich interessierte Laien ansprechen, die sich mit juristischen Inhalten unterhalten lassen wollen".

Ingo Lenßen - Die Lücke im GesetzKonkrete Fragen von Menschen, die ihre rechtliche Situation als unverständlich und ungerecht empfanden, hätten ihn inspiriert: "Die Recherche war anfangs nicht so zeitraubend, da ich zahlreiche Fälle in der Erinnerung hatte, in denen das Ergebnis ausreichend Platz für eine interessante rechtliche Diskussion ließ. Aber wie so oft war die Erinnerung hin und wieder getrübt und die Recherchearbeit nahm zu. Das Grundkonzept entstand auf einer mehrwöchigen Geschäftsreise in den USA."

Zehn Kapitel stark ist das Buch letztlich geworden. Jedes ist mit einem Rechtsgebiet, von Zivilrecht über Steuerrecht bis hin zum Strafrecht, überschrieben. Darin greift der Fachanwalt für Strafrecht jeweils Fragen auf und versucht, die Rechtslage laiengerecht zu erläutern. Etwa geht er im Kapitel Strafrecht unter der Überschrift "Lügen ist erlaubt" auf die Frage ein, ob ein Angeklagter vor Gericht auch zur Wahrheit verpflichtet sei. Für Zeugen würde das doch bekanntlich gelten. "Als Angeklagter oder Beschuldigter dürfen Sie lügen", antwortet Lenßen juristisch korrekt. Aber zugleich gibt er auch zu bedenken, dass Lügen gelernt sein will. Nicht umsonst gebe es das Sprichwort: "Lügen haben kurze Beine".

"Nur bei einem Urteil die Frage nach der Niederlage der persönlichen Gerechtigkeit"

Also nur ein weiteres Buch, das über weitverbreitete Rechtsirrtümer aufklären soll?

Im Vorwort steht, es gehe um Fälle, in denen das Recht zur persönlichen Gerechtigkeit wurde. Aber Lenßen wolle auch Orientierung geben über das, was das "Recht der Gerichte" sei. 

Führt dieses Recht der Gerichte also häufig nicht zur persönlichen Gerechtigkeit? "Das Recht der Gerichte findet sich zu einem Großteil in Vergleichen. Die Mediation der Richter führt in den meisten dieser Fälle zu einer Deckungsgleichheit der gerichtlichen und der persönlichen Gerechtigkeit", meint der Anwalt. "Nur bei einem Urteil stellt sich die Frage nach der Niederlage der persönlichen Gerechtigkeit, des eigenen Rechtsempfindens."

Aber es geht ihm auch noch um einen anderen Moment. "Nämlich den, in dem der einzelne die Manipulation von Sachverhalten beginnt, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, ohne auch nur das geringste Unrechtsbewusstsein zu haben", berichtet Lenßen aus seiner Erfahrung.

Die Antwort auf die Frage, wie viel vom "echten" Lenßen im "TV-Anwalt" Lenßen steckt, bleibt der 52-Jährige schuldig: "Das sollen andere beurteilen." Eine andere Frage beantwortet er umso deutlicher: "Die größte Lücke im Gesetz ist der mangelnde Respekt vor und im Umgang mit dem Gesetz."

Zitiervorschlag

Constantin Körner, Ingo Lenßens "Die Lücke im Gesetz": TV-Anwalt vermisst Unrechtsbewusstsein . In: Legal Tribune Online, 17.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8542/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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