Saudi-Arabische Golf-Superliga: Zwi­schen Kar­tell­recht, Sports­was­hing und Sys­tem­wechsel

von Joschka Buchholz

11.06.2022

Eine milliardenschwere Golfliga aus Saudi-Arabien sagt dem amerikanischen Platzhirsch den Kampf an und versucht, Spieler abzuwerben. Mittendrin ist auch ein deutscher Golfprofi. Können wechselwillige Spieler hierfür sanktioniert werden?

Dem Golfspiel haftet seit jeher das Klischee eines elitären und langweiligen Altherrensports an. Nicht wenige sprechen ihm auch noch den "Sport"-Charakter ab. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich jedenfalls außerhalb Deutschlands, wo der Golfsport noch immer verhältnismäßig elitär behandelt wird, einiges getan. Ganz maßgeblich Tiger Woods bescherte dem Profigolf zwei nachhaltige Veränderungen:

Einerseits ist der Sport spürbar athletischer geworden, fast jeder Profi trainiert für den Erfolg auch seine allgemeine körperliche Fitness. Andererseits ist in den vergangenen Jahrzehnten ein massives wirtschaftliches Wachstum mit hochdotierten Sponsoren- und Fernsehverträgen inklusive millionenschwerer Preisgelder bei jedem Turnier zu beobachten. Regelmäßig erhält der Sieger eines großen Turnieres einen niedrigen siebenstelligen Betrag. Populäre und gut zu vermarktende Spieler haben zudem noch besonders lukrative Sponsorendeals, die etwa dem Nordiren Rory McIlroy schätzungsweise mehr als 30 Millionen Euro im Jahr zusätzlich einbringen.

Mittlerweile ist der Golfsport gar so lukrativ geworden, dass Netflix momentan – ähnlich wie im Formel-1-Rennsport – eine dokumentarische Serie über das Leben der Profis produziert. Aber es geht im Spitzengolf neben dem großen Geld nach wie vor auch ganz besonders um Tradition, Ruhm und Ehre.

Eine saudi-arabische Liga will die Branche aufmischen 

Nun steht womöglich eine große Umwälzung und Fragmentierung des Sports bevor: Mindestens 48 Profispieler suchen künftig ihr Glück in einem anderen Werteregime. Eine maßgeblich von Saudi-Arabien finanzierte Organisation mit dem Namen "LIV Golf" hat dem bestehenden System der PGA Tour den Kampf angesagt. Die PGA Tour ist der amerikanische und zugleich internationale Platzhirsch und Veranstalter des bisher regelmäßigsten und größten Turnierwettbewerbs im Profigolfsport – und genau dem will die LIV Golf den Rang ablaufen.  

Mit einem milliardenschweren Budget konnte die neue Turnierserie neben einigen sportlich bisher eher unbedeutenden Namen, die wohl als Platzhalter für zukünftige Verpflichtungen namhafterer Spieler dienen sollen, vor allem bekannte Spieler locken, die den Zenit ihrer Karriere schon überschritten haben dürften. Dazu gehört etwa Martin Kaymer, der aktuell immer noch beste deutsche Golfprofi. Kaymer gewann 2010 und 2014 jeweils ein Major-Turnier, war wichtiger Teil mehrerer siegreicher europäischer Teams beim Ryder Cup gegen die USA und insoweit ein Aushängeschild des deutschen und europäischen Golfsports.  

Doch um die ehemalige Nummer Eins der Welt ist es schon seit Jahren besonders aus sportlicher Sicht stiller geworden, sodass es offenbar nicht schwerfällt, einen Teil des Ruhms für großes Geld einzutauschen. Er sei kein Politiker und wolle sich das einfach mal anschauen, sagte Kaymer anlässlich seines Wechsels in die LIV Golf kürzlich der FAZ. Kaymer und auch die übrigen Spieler müssen sich nämlich Kritik gefallen lassen, künftig für die neue LIV-Turnierserie zu spielen. Der Vorwurf lautet auf Unterstützung des Sportswashing, also des Austragens renommierter Sportveranstaltungen, mit dem Saudi-Arabien sein Image aufpolieren möchte. 

PGA Tour suspendiert wechselwillige Spieler 

Operativ geführt wird die "LIV Golf" vom australischen Ex-Profi Greg Norman, der in den Achtzigern und Neunzigern erfolgreich war. Seitdem versucht er beharrlich, sich selbst als eigene Marke zu präsentieren, und wettert immer wieder gegen die PGA Tour. Aber auch bei denjenigen Golffans, die die LIV-Turnierserie grundsätzlich ablehnen, bleibt die PGA Tour wegen ihres hohen Kommerzialisierungsgrades keineswegs kritiklos. 

Im Frühling 2022 schrieb Norman im Namen von LIV einen Brief an den Chef der PGA Tour, Jay Monahan, und warf diesem vor, die PGA Tour würde ihre wechselwilligen Spieler "bedrohen". Tatsächlich hatte Monahan angekündigt, dass man eine Konkurrenztour in dieser Form nicht tolerieren werde. Die PGA Tour verlieh dieser Ansage auch noch Nachdruck, indem sie dem Ersuchen mehrerer Spieler für eine Freigabe, um an den LIV-Turnieren teilzunehmen, nicht stattgab.  

Gegenüber LTO bestätigte die PGA Tour, dass man der Auffassung sei, es seien sogar Disziplinarmaßnahmen gegen "abtrünnige" Spieler möglich. Erstaunlich offensiv betont dagegen Norman, dass eine Sperre der aktuellen LIV-Teilnehmer für künftige PGA-Tour-Turniere niemals rechtmäßig sein könne. Auf Nachfrage wollte sich LIV Golf gegenüber LTO nicht zu einer möglichen rechtlichen Strategie äußern, denn Gerichtsverfahren scheinen bei einem solchen fundamentalen Angriff auf das PGA-Tour-Geschäftsmodell durchaus realistisch. 

Déjà-vu zwischen Norman und PGA Tour

Mehrere wechselwillige Spieler haben angekündigt, ihre Mitgliedschaft auf der PGA Tour vorerst zu beenden, was auch zur Folge haben wird, dass sie nicht mehr Teil des legendären Ryder Cups sein werden. Damit wollten sie wohl etwaige Sanktionen von vornherein vermeiden und einen möglichst sauberen Weg zurück zur PGA Tour haben, sollte die LIV-Liga floppen. 

Dabei ist nicht einmal sicher, dass etwaige Sanktionen überhaupt rechtmäßig wären. Den wechselwilligen bzw. bereits gewechselten Spielern dürfte angesichts des saudi-arabischen Finanzvolumens der Konkurrenzliga vor Geldstrafen so gar nicht bange sein.  Für die Karriere und rechtlich wirklich heikel wird es für die Spieler wie die PGA Tour erst dann, wenn es um endgültige oder auch zeitige Sperren für Turniere der PGA Tour geht, wie sie am vergangenen Donnerstag nun angekündigt worden sind. Der PGA Tour drohen dann nämlich kartellrechtliche Vorwürfe, entsprechende sogenannte Antitrust-Klagen haben es in den USA in sich.  

Schon 1994 war es ebenfalls Greg Norman, der versuchte, ein von der PGA Tour unabhängiges Projekt zu starten. Damals scheiterte er zwar, doch die PGA Tour wurde in der Folge der Ereignisse von der Federal Trade Commission (FDC) wegen wettbewerbs- und kartellrechtlicher Bedenken strengstens unter die Lupe genommen. Nicht nur, aber auch aufgrund guter Kontakte nach Washington D.C. verliefen sich diese Ermittlungen letztlich im Sande. Die kartellrechtliche Gefahr ist in etwa vergleichbar mit der für die Pläne, eine Super League im europäischen Vereinsfußball zu etablieren. Das Vorhaben hat nicht nur den Fußballsport aufgewirbelt, sondern es mittlerweile sogar bis zum EuGH geschafft.

Anwalt: Suspendierte Spielern haben "gewisse Chancen" vor Gericht 

Rechtlicher Knackpunkt wird letztlich also sein, ob auf die PGA Tour – ähnlich wie bei der NBA im Basketball – ein sogenanntes Free-agent-System anwendbar ist, ein Spieler sich also – frei von jeglicher vertraglichen Bindung – aussuchen kann, für welchen Verein bzw. welche Liga er spielt. Grundsätzlich kann ein Spieler dann machen, was er will. Damit würden rechtliche Mittel für die PGA Tour, um Wechsel in die LIV-Liga zu sanktionieren und damit zu verhindern, in immer weitere Ferne rücken. Insbesondere die nun ausgesprochenen Suspendierungen wären insoweit von vornherein rechtlich wohl nur schwierig umzusetzen.  

Im Interview mit golf.com räumt der amerikanische Rechtsanwalt Craig Seebald gesperrten oder suspendierten Spielern gewisse Chancen vor Gericht ein. Insbesondere Schadensersatzansprüche seien hier relevant, so Seebald. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Suspendierungen rechtmäßig seien, wäre für die PGA Tour wohl nichts gewonnen, wenn sämtliche Topstars eines Tages lieber für LIV spielen wollen. 

Unabhängig von der PGA Tour, aber in einem traditionellen Kooperationsverhältnis, agieren übrigens die vier jährlichen Major-Turniere, die über den Golfsport hinaus immer wieder Schlagzeilen machen. Kommende Woche steht die US Open an. Die Major-Turniere sind – vergleichbar mit den vier Grand-Slam-Turnieren im Tennis – das Maß aller Dinge. Den Siegern ist der besondere Respekt der Kollegen über lange Zeit gewiss und die Einschaltquoten sind regelmäßig um ein Vielfaches höher als bei normalen Turnieren. Der amerikanische Golfverband als Ausrichter hat bereits angekündigt, dass die frischgebackenen LIV-Spieler zumindest in diesem Jahr noch an der US Open teilnehmen können. Wie die übrigen Veranstalter großer Golfturniere die Situation handhaben werden, bleibt abzuwarten. 

Flop der LIV-Liga als letzte Hoffnung der PGA Tour 

Auch die lukrativen Sponsorenverträge von zur LIV gewechselten Spielern wurden zum Teil schon aufgelöst, wohl auch aus Loyalität zur PGA Tour. Das kanadische Unternehmen RBC etwa ist Titelsponsor des PGA Tour Turniers in Kanada – zeitgleich zum Start des ersten LIV-Events in London. Im Zuge dessen beendete RBC das Sponsorenverhältnis zu zwei Spielern, die in London an den Start gehen. Wie sich andere Sponsoren und insbesondere auch Ausrüsterunternehmen, zu denen teilweise auch Nike und Adidas gehören, verhalten werden, ist noch offen. Um ein Gefühl für die Relation zu bekommen: Einer der Spieler, der ehemals bei RBC unter Vertrag stand, erhält von LIV für seine bloße Teilnahme 125 Millionen US-Dollar und wird den Sponsorenverlust damit jedenfalls finanziell gut überstehen. 

Was bleibt der PGA Tour noch, wenn Suspendierungen, Geldstrafen und Image- sowie Sponsorenverlust den "Abtrünnigen" nicht weh genug tun? Sie kann sonst nur noch hoffen, dass LIV Golf die großspurigen Ziele verfehlt und sich das Thema mangels Relevanz schlichtweg im Sande verlaufen wird. Das scheint insbesondere deshalb möglich, da aus den Top 10 der Weltrangliste zumindest bisher kein einziger Spieler an der LIV-Turnierserie teilnimmt und auch Tiger Woods als der mit immer noch riesigem Abstand größte Star sich mit Nachdruck öffentlich zur PGA Tour bekannt hat. Wie die Washington Post berichtet, soll Woods dafür sogar ein hohes neunstelliges Wechselangebot von LIV abgelehnt haben. Zudem gibt es noch keinen bedeutsamen Fernsehvertrag für die LIV, hier besteht zumindest noch eine klare Loyalität der großen amerikanischen und europäischen Sendeanstalten zur PGA Tour. Stattdessen wird das Turnier in London unter anderem frei empfangbar bei YouTube gezeigt. 

Zitiervorschlag

Saudi-Arabische Golf-Superliga: Zwischen Kartellrecht, Sportswashing und Systemwechsel . In: Legal Tribune Online, 11.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48720/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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