Die Lincoln Verschwörung: Der 11. September im Amerika des 19. Jahrhunderts

von Jochen Thielmann

15.09.2012

Am 14. April 1865 wurde der amerikanische Präsident Abraham Lincoln Opfer eines Attentates. Einen Tag später starb er. Die Auswirkungen dieser Tat lassen sich mit den Folgen der Anschläge auf das World Trade Center vor elf Jahren vergleichen, wie Robert Redfords Justizdrama aus dem Jahre 2010 eindrucksvoll unter Beweis stellt. Jochen Thielmann stellt einen Film vor, der seine Geschichte hochaktuell erzählt.

Der amerikanische Bürgerkrieg neigte sich dem Ende entgegen, als am 1.April 1865 ein Ereignis das Land erschütterte. An diesem Tag wollte eine kleine Gruppe der unterlegenen Südstaatler dem Staat durch Mordanschläge auf den Präsidenten, den Vize-Präsidenten und den Außenminister die Führung nehmen. Während ein Attentäter vor seiner Tat Reißaus nahm und der Außenminister etliche Messerstiche knapp überlebte, kam bei Abraham Lincoln kam jede Hilfe zu spät. Er starb kurz nachdem ihm während einer Theateraufführung in Washington von hinten in den Kopf geschossen wurde.

Die Verschwörer um den bekannten Schauspieler John Wilkes Booth wurden in der Folgezeit unerbittlich gejagt. Nachdem Booth auf der Flucht erschossen worden war, wurden mehrere vermeintliche Komplizen angeklagt. Unter den Beschuldigten befand sich die Mutter eines Freundes von Booth, in deren Gästehaus die Männer ihre Planungen durchgeführt hatten. Weil ihr Sohn schon vor dem Attentat Washington verlassen hatte, wurde Mary Surratt wegen angeblicher Beteiligung an der Verschwörung angeklagt, zum Tode verurteilt und schließlich am 7.Juli 1865 gehängt.

Die Zeit ist reif für einen kritischen Film

"Die Lincoln-Verschwörung" basiert auf einem Originaldrehbuch von James D. Solomon, der insgesamt achtzehn Jahre lang daran gearbeitete hatte. Offensichtlich war die Zeit aber lange nicht reif für einen Film, der das Vorgehen der Mächtigen in Zeiten einer schweren Staatskrise sehr kritisch hinterfragt. Der 11. September und die Reaktion der Bush-Regierung fügte der Geschichte des Lincoln-Attentats eine weitere Facette hinzu. Aber erst nach der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten wurde die amerikanische Gesellschaft kritischer gegenüber dem Verhalten ihrer Regierung. Dies führte schließlich zur Realisierung des Projekts.

Mit einer prominenten Besetzung, angeführt von Robin Wright, James McAvoy, Kevin Kline und Tom Wilkinson, inszenierte Altmeister Robert Redford für vergleichsweise wenig Geld ein Historiendrama, das auf verschiedenen Ebenen funktioniert.

Eine der stärksten Verteidigerrollen seit Jahren

"Die Lincoln Verschwörung" konzentriert sich auf die Geschichte der Mary Surratt, die durch die Freundschaft ihres Sohnes zu John Wilkes Booth in die Geschehnisse hineingezogen wird. Es ist auf der einen Seite ein Familiendrama, in dem eine Mutter ihren Sohn um jeden Preis schützen will und dafür ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt. Auf der anderen Seite ist die Geschichte ein herausragendes Justizdrama.

Die Figur dieses Rechtsanwalts ist besonders interessant, Frederick Aiken verachtet als Kriegsveteran auf Seiten Lincolns die Tat, hält die Angeklagte für schuldig und übernimmt aus diesem Grund die Verteidigung nur höchst widerwillig. Doch im Laufe der Hauptverhandlung nimmt sein Engagement immer weiter zu, weil er den Verlauf des Prozesses nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, der auf  eine rasche Verurteilung statt auf ein faires Verfahren gerichtet ist.

Mit seinem Ehrgeiz setzt er nicht nur seine Karriere aufs Spiel, sondern auch sein privates Glück. Seine Verlobte versteht nämlich nicht, wie er sich so engagiert für die Angeklagte eines solch schrecklichen Verbrechens einsetzen kann. Frederick Aiken ist in seiner Zerrissenheit zwischen persönlichen Gefühlen und beruflichen Moral eine der stärksten Verteidigerrollen seit vielen Jahren.

Ein ruhmloses cineastisches Meisterwerk

Es klingt paradox, aber "Die Lincoln Verschwörung" ist der wahrscheinlich aktuellste Justizfilm seit vielen Jahren. Denn Guantanamo und die Welt nach dem 11.September kommen dem Zuschauer während des Films immer wieder in den Sinn. Beispielsweise, wenn er die Szenen sieht, in denen gefesselte Verdächtige mit Säcken über dem Kopf gezeigt werden. Oder wenn im Film über die Gefahren der Beschneidung des Rechtsstaates diskutiert wird.

Der Regisseur war sich dieses Umstandes sehr bewusst, wollte aber nicht zuviel Gewicht darauf legen. "Wir scheinen aus unserer eigenen Geschichte nicht zu lernen", erklärte er in einem Interview zur Premiere des Films. "Aber welche Parallelen bestehen, müssen die Zuschauer herausfinden."

Aber auch wenn Robert Redfords Produktion in seiner Heimat in erster Linie als "Post 9/11"-Film angesehen wurde, so ist er doch zeitlos in dem Thema, wie eine freiheitliche Demokratie in Zeiten einer Staatskrise mit den eigenen Regeln umgeht.

Umso bedauerlicher, dass er in den amerikanischen Kinos floppte und seine Kosten nicht wieder einspielen konnte. Das mag auch daran liegen, dass es anspruchsvolle Filme in den Kinos des heutigen Amerikas generell schwierig haben. Als Trost bleibt den Filmemachern jedenfalls, dass diese intelligente und historisch sehr akkurate Verfilmung der Verschwörung gegen Abraham Lincoln in Zukunft trotzdem noch viele Menschen beeindrucken wird.

Der Autor Jochen Thielmann ist Fachanwalt für Strafrecht im "Strafverteidigerbüro Wuppertal". Daneben hat er neben regelmäßigen Fachartikeln für Publikationen wie Strafverteidiger, Strafverteidiger Forum oder Zeitschrift für Rechtspolitik auch regelmäßig Beiträge übers Kino verfasst.

Zitiervorschlag

Jochen Thielmann, Die Lincoln Verschwörung: Der 11. September im Amerika des 19. Jahrhunderts . In: Legal Tribune Online, 15.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7083/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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