Der VerfGH hat die im Saarland vergleichsweise besonders strengen Regelungen gekippt und das Verlassen der eigenen Wohnung auch ohne triftigen Grund wieder erlaubt. Damit kommt er der Politik zuvor, die ohnehin Lockerungen geplant hatte.
Die im Zuge der Corona-Pandemie verordneten Ausgangsbeschränkungen im Saarland werden nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VerfGH) des Landes sofort gelockert. Es gebe "aktuell keine belastbaren Gründe für die uneingeschränkte Fortdauer der strengen saarländischen Regelung des Verbots des Verlassens der Wohnung" mehr, entschied der VerfGH am Dienstag. Das heißt: Begegnungen in Familien und das Verweilen im Freien unter Wahrung der notwendigen Abstände und der Kontaktbeschränkungen sind ab sofort wieder möglich (Beschl. v. 28. April 2020, Az. Lv 7/20).
Wenige Stunden vor der Entscheidung am Dienstagabend hatte die saarländische Landesregierung angekündigt, die Ausgangsbeschränkung solle vom 4. Mai an gelockert werden. Eine Sprecherin des Gerichtes sagte am Abend jedoch, nach dem Beschluss der Verfassungsrichter gelte das bereits ab sofort. Der VerfGH erklärte, er wisse sich "in Übereinstimmung mit dem Vorhaben der Landesregierung" die Ausgangsbeschränkungen zu lockern.
Mit der Entscheidung reagierte das Gericht auf den Eilantrag eines Saarländers. Dieser hatte Verfassungsbeschwerde erhoben und eine einstweilige Anordnung gegen die Beschränkung beantragt. Er sah sich in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt, weil er den besonders strengen Corona-Regelungen im Saarland nach seine Wohnung grundsätzlich nur noch mit triftigem Grund verlassen durfte.
Kontaktbeschränkungen nicht (viel) weniger wirksam
Seit dem 21. März durften die Saarländer ihre Wohnung wegen der Corona-Pandemie nur mit einem triftigen Grund verlassen. Dazu gehörten zum Beispiel der Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe oder Arztbesuche. Die im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern recht strengen Maßnahmen der Landesregierung seien wegen der vergleichsweise hohen Infektionszahlen im Saarland nahe der Grenze zu Frankreich geboten gewesen, hatte die Landesregierung als Argument angeführt.
Zu der jetzigen Entscheidung des VerfGH haben die Richter unter anderem die Infektions- und Sterberate in den Bundesländern mit und ohne solche strengen Ausgangsbeschränkungen verglichen. Danach hätten die strengeren Regeln zu keinen signifikanten Verbesserungen im Vergleich zu bloßen Kontaktbeschränkungen geführt, befand das Gericht.
Diese Ansicht werde zudem durch eine Studie von Schweizer Wissenschaftlern bestätigt, die sich speziell der Frage nach der Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen im Gegensatz zu einem Verbot von Zusammenkünften beschäftigt hatten. Auch die Forscher seien zu dem Ergebnis gekommen, dass sich strengere Ausgangsbeschränkungen nur geringfügig positiver auf das Infektionsgeschehen auswirken als Kontaktbeschränkungen.
Die Kontaktbeschränkungen - wie etwa höchstens mit einer nicht im eigenen Haushalt lebenden Person unterwegs sein zu dürfen – bleiben aber grundsätzlich bestehen, bestonten die Richter. Entsprechend reagierte auch die Politik: "Wir halten dies für eine Regelung, die im Hinblick auf die Entwicklung der Pandemie vertretbar ist und weniger in die Grundrechte der Bürger eingreift", hatte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) angesichts der Lockerung gesagt.
Weitere Lockerungen in der kommenden Woche
Zudem würden für den 4. Mai weitere Lockerungen geplant, wenn sich das Infektionsgeschehen weiter positiv entwickele: "Dann scheint uns der Zeitpunkt gekommen zu sein, insbesondere Museen, Zoos, Friseure und solche Sportstätten, bei denen ein geringes Infektionsrisiko besteht, wieder zu öffnen. Auch Gottesdienste sollen unter bestimmten Voraussetzungen wieder möglich sein", sagte Hans. Unter anderem hat das Bistum Trier dazu bereits ein Schutzkonzept vorlegt.
Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) sagte, die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie würden wirken. "Auch die seit Montag geltende Maskenpflicht wird gut angenommen, das hilft allen." Dennoch werde man noch "länger Abstand halten" und "Kontakte einschränken müssen". Weitere Schritte zur Lockerung sollten "im Geleitzug mit anderen Bundesländern" besprochen werden.
Am kommenden Donnerstag schalten sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Beratungen über weitere Änderungen der bisherigen Regelungen zusammen. Rehlinger warb dafür, dass bei Öffnungen im Einzelhandel grundsätzlich "als Kriterium die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen, Zugangsregeln und Abstandsregeln wichtiger sein sollte als die Größe der Verkaufsfläche." Seit Montag dürfen Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von weniger als 800 Quadratmetern wieder öffnen.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Saarländischer VerfGH kippt Ausgangsbeschränkungen: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41450 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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