Der BGH hat den Streit zwischen Gleiss Lutz und Stefan Mappus entschieden. Faktisch ging es um die Frage, wer die Anwaltskosten von Ex-Ministerpräsident Mappus trägt. Juristisch ging es um den Schutzbereich eines Anwaltsvertrages.
Der Streit von Stefan Mappus gegen Gleiss Lutz hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein Ende gefunden: Der u.a. für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen gegen Rechtsanwälte zuständige IX. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der frühere Baden-Württembergische Ministerpräsident nicht in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags einbezogen ist (Az. IX ZR 252/15). Mappus wollte von Gleiss Lutz den Ersatz des Schadens, der ihm in Folge der EnBW-Affäre entstanden sei. Es ging um rund 500.000 Euro gehen.
Der Schaden habe nach Mappus insbesondere in den Kosten bestanden, die ihm für seine Verteidigung im gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entstanden seien, sowie in Vermögenseinbußen aufgrund der Beendigung eines von ihm nach der Niederlegung seines Landtagsmandats aufgenommenen Dienstverhältnisses. Gegen den Politiker war nach dem EnBW-Aktienrückkauf auch strafrechtlich ermittelt worden. Zu einer Tätigkeit, die er bei einem großen Pharmakonzern hätte antreten sollen, war es in der Folge nicht gekommen. Mappus hat deshalb eine Feststellungsklage erhoben.
Mappus war bereits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gescheitert. Gestern war Prozessauftakt vor dem BGH – und sogleich das Verfahrensende.
Beklagte waren sowohl Gleiss Lutz als auch der Gleiss-Partner Dr. Martin Schockenhoff, der die dem Fall zugrunde liegende Transaktion damals federführend beraten hatte.
Schon zum Abschluss der eineinhalb Stunden dauernden mündlichen Verhandlung äußerte der BGH seine Zweifel daran, dass der CDU-Politiker Schadenersatzansprüche aus dem Beratungsvertrag des Landes mit der Kanzlei Gleiss Lutz ableiten kann. "Es ging um die Vorbereitung einer Entscheidung des Landes, nicht des Ministerpräsidenten", sagte der Vorsitzende Richter Godehard Kayser in Karlsruhe.
Und so kam es: Der Senat wies die Schadensersatzklage auf Ersatz der Anwaltskosten und die Feststellungsklage in Bezug auf künftige Erwerbsschäden zurück.
Wie alles anfing
Zugrunde liegt der Klage von Mappus der Aktienrückkauf von EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg Ende 2010; Mappus war damals Ministerpräsident. Das Land hatte die EnBW-Aktien für 4,7 Milliarden Euro von dem französischen Energieversorger EdF zurückgekauft. Grundsätzlich sollte das Land für eine derartige Transaktion das Parlament befragen – was Mappus aber nicht getan hat. Gestützt hatte sich das Land bei dem Kauf auf das Notbewilligungsrecht aus Art. 81 der Landesverfassung.
Die Opposition aus SPD und Grünen sah das Haushaltsrecht des Landtages verletzt, der Staatsgerichtshof gab den Feststellungsanträgen von Bündnis 90 / Die Grünen und der SPD statt: Er erklärte das Geschäft im Oktober 2011 für verfassungswidrig. Die Mappus-Regierung hätte es nicht am Landtag vorbei abwickeln dürfen.
Entscheidend ist die Schutzwirkung des Anwaltsvertrages
Gleiss Lutz-Anwälte um den federführenden Partner Dr. Martin Schockenhoff waren damals die Berater der Landesregierung. Den Anwälten wirft Mappus vor, ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt zu haben. Sie hätten nicht auf die Risiken hingewiesen, das Aktienpaket ohne Zustimmung des Parlaments zurückzukaufen, behauptet Mappus.
Gleiss Lutz, in den Vorinstanzen vom Clifford Chance-Partner und Haftungsexperten Uwe Hornung, nun von dem BGH-Anwalt Dr. Reiner Hall von der Kanzlei Jordan & Hall vertreten, behaupten hingegen, sie hätten vor einer Umgehung des Landtags gewarnt, als die Anteile an dem Karlsruher Energieversorger vom französischen EdF zurückgekauft werden sollten.
In den von Mappus angestrengten Verfahren ging es nun vor allem um die Frage, auf wen sich die Schutzwirkung des Beratervertrages erstreckt.
2/2: Mappus in den Vorinstanzen klar unterlegen
In den Vorinstanzen war Mappus mit seiner Schadensersatzklage zunächst vor dem Landgericht Stuttgart gescheitert, er hatte sich von der Kanzlei Bub Gauweiler vertreten lassen und Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart war der Auffassung, der Anwaltsvertrag habe zwischen dem Land und Gleiss Lutz bestanden. Aus diesem Vertrag könnten Mappus keine eigenen Ansprüche gegenüber Gleiss Lutz zustehen (Urt. v. 17.11.2015, Az. 12 U 41/15). Der Anwaltsvertrag enthalte keine ausdrücklichen Vereinbarungen über eine Einbeziehung des Klägers.
Auch mit einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe sich keine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten von Mappus, weil es diesem an einem ausreichenden Näheverhältnis zu der dem Land geschuldeten Beratungsleistung durch die Kanzlei fehle.
Vertragspartei des Beratungsvertrages war das Land Baden-Württemberg, nicht Mappus persönlich. Daher bestanden möglicherweise verletzte vertragliche Aufklärungspflichten im Grundsatz auch nur gegenüber diesem, und nicht gegenüber dem Ministerpräsidenten als dessen Stellvertreter. Mappus ging in Revision.
Drittschutz ist in bestimmten Fällen möglich
Der zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nun entschieden, dass ein Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten eines Vertreters des Mandanten habe. Das gelte, soweit der Gegenstand des Anwaltsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten sei und die Vermögenseinbußen des Vertreters darauf zurückzuführen sind, dass der Vertreter möglicherweise auf der Grundlage der anwaltlichen Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten verletzt hat.
Ein Anwaltsvertrag könne drittschützende Wirkung haben, sofern der Dritte mit der Leistung des Anwalts bestimmungsgemäß in Berührung komme, der Mandant ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags habe, dies dem Anwalt erkennbar und der Dritte schutzbedürftig sei.
Diese Voraussetzungen erfülle der vom Land mit der beklagten Anwaltskanzlei abgeschlossene Vertrag nicht, so die BGH-Richter. Die bisherigen Entscheidungen, in denen bei Anwaltsverträgen eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten anerkannt worden sei, beruhen in einer Fallgruppe darauf, dass die anwaltliche Beratung dem Dritten als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen dienten oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermögensvorteil zugewendet werden solle. In anderen Fällen ginge es darum, dass die Leistung des Anwalts auch dazu bestimmt gewesen sei, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich trafen, einhalten und so eine persönliche Haftung gegenüber Außenstehenden vermeiden konnte.
3/3: Situation von Mappus fällt nicht unter die Fallgruppen
Damit sei der Beratungsvertrag des Landes mit der beklagten Anwaltskanzlei nicht vergleichbar, urteilte der Senat. Gegenstand des Anwaltsvertrags sei die Beratung des Landes zu einer vom Land zu treffenden Entscheidung gewesen. Die Beratung eines Anwalts für Entscheidungen des Mandanten begründet regelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter des Mandanten. Außerdem habe der Mandant in solchen Fällen im Allgemeinen kein Interesse an einer Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags, soweit der Vertreter seinerseits die ihn selbst gegenüber dem Mandanten treffenden Pflichten einzuhalten habe.
Zur Begründung hat der Senat unter anderem darauf abgestellt, dass in diesen Fällen eine Gefahr von Vermögensschäden für den Vertreter typischerweise nur bestehe, wenn diesem eigene Pflichtverletzungen aus dem Rechtsverhältnis zum Mandanten ob zu Recht oder Unrecht vorgeworfen werden. Insoweit erhalte der Vertreter des Mandanten aber schon dadurch ausreichenden Schutz, dass bereits der dem Mandanten erteilte Rechtsrat zu einer Verbesserung der Position des Vertreters führe.
Befolge der Vertreter den dem Mandanten erteilten Rat, mindere dies das Haftungsrisiko des Vertreters bis hin zu einem möglichen Ausschluss eines Verschuldens des Vertreters. Regelmäßig bestünden keine Schutzpflichten des Mandanten zugunsten seines Vertreters für dessen rechtsgeschäftliches Handeln; vielmehr habe in Vertretungsfällen typischerweise der Vertreter die Aufgabe, die Vermögensinteressen des von ihm vertretenen Mandanten zu schützen. Deshalb habe das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers verneinen können.
"Stefan Mappus passt nicht in die Fallgruppen, in denen ein Anwaltsvertrag Drittschutz entfalten kann", sagt Uwe Hornung von Clifford Chance, Vertreter in den Vorinstanzen, "und es ist konsequent, dass der BGH keine neue Fallgruppe konstruiert hat."
Wer mit wem gesprochen hat, war vor dem BGH irrelevant
Die anderen Aspekte rund um den Deal – etwa, was vor dem Deal zwischen Gleiss Lutz-Partner Martin Schockenhoff und Mappus' Berater und Freund Dirk Notheis von der Investmentbank Morgan Stanley besprochen wurde – spielen faktisch vor dem BGH keine Rolle mehr. Dennoch war Gleiss Lutz-Partner Dr. Marcus Dannecker für Gleiss Lutz vor Ort, ebenso wie Mappus.
Mappus hatte auch gegenüber dem baden-württembergischen Finanzministerium die Übernahme sämtlicher Anwaltskosten, die ihm im Zusammenhang mit dem umstrittenen EnBW-Milliardendeal entstanden sind, geltend gemacht.
Der Politiker hatte im Mai 2011 die Landtagswahl in Baden-Württemberg verloren. Schon als Opposition im Landtag hatte rot-grün gegen den EnBW-Deal protestiert. Die neu gewählte Landesregierung bewertete den Kaufpreis als überteuert und forderte von EDF rund 830 Millionen Euro zurück. Das Schiedsgericht beim Gerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) wies jedoch sowohl die Forderungen von EnBW als auch eine Gegenklage der EDF zurück.
Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte zwischenzeitlich wegen des Verdachts der Untreue u.a. gegen Mappus ermittelt, das Verfahren aber im Juli 2012 eingestellt. Den Beschuldigten hätte kein strafbares Verhalten nachgewiesen werden können, so die Staatsanwaltschaft.
Und nur, um das noch einmal klarzustellen: Mappus war seinerzeit Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und hat den Aktienrückkauf politisch vorangetrieben. Unterzeichnet hat er die Verträge nicht. Das war der damalige Finanzminister Willi Stächele. Gekauft hatte die Aktien eine eigens gegründete Mantelgesellschaft, die Neckarpri GmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landes.
Tanja Podolski, EnBW: Ex-Ministerpräsident gegen Gleiss Lutz: Kein Schadensersatz für Mappus . In: Legal Tribune Online, 22.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20081/ (abgerufen am: 18.03.2024 )
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