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BSG zu Syndikusrechtsanwälten: DRV muss in Tau­senden Fällen Bei­träge zurück­zahlen

Gastbeitrag von Martin W. Huff

24.09.2020

Gebäude des Bundessozialgerichts.

Blackosaka - stock.adobe.com

Auch Mindestbeiträge, die an das Versorgungswerk gezahlt wurden, sind "einkommensbezogene Pflichtbeiträge", so das BSG – mit weitreichenden Folgen, zeigt Martin W. Huff: Befreiungen gibt es damit auch in Fällen von vor dem 1. April 2014. 

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Auch Mindestbeiträge, die an das anwaltliche Versorgungswerk gezahlt wurden, sind "einkommensbezogene Pflichtbeiträge" im Sinne des § 231 Abs. 4b Sozialgesetzbuch (SGB) VI. 

Mit dieser klaren Entscheidung (Urt. v. 23.09.2020, Az. B 5 RE 3/19 R) hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) am Mittwoch eine lange Auseinandersetzung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) mit Tausenden von Syndikusanwälten beendet. Jetzt können sehr viele Verfahren vor den Sozialgerichten beendet werden. Aber eins nach dem anderen.

Knapp 25.000 Syndikusrechtsanwälte sind von den regionalen Kammern seit der gesetzlichen Neuregelung zum 1. Januar 2016 mittlerweile zugelassen, das Zulassungsverfahren bei den regionalen Kammern hat sich eingespielt. Noch nicht abgeschlossen sind indes die Auseinandersetzungen von Syndikusrechtsanwälten mit der DRV in den Befreiungsverfahren gem. § 6 SGB VI. Dabei geht es um Befreiungsverfahren hinsichtlich der Versicherungspflicht, die vor der gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2016 begonnen hatten. 

Der Gesetzgeber wollte eigentlich erreichen, dass diejenigen Antragsteller, deren Auseinandersetzung mit der DRV noch nicht rechtskräftig beendet war, dann von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden, sobald sie als Syndikusrechtsanwälte zugelassen werden. Geregelt wurde dies in der kompliziert formulierten Vorschrift des § 231 Absatz 4b SGB VI. Doch diese Vorschrift ist gründlich missraten und sorgte für eine Vielzahl von Gerichtsverfahren vor den Sozialgerichten, die sich mit der BSG-Entscheidung vom Mittwoch aber erledigt haben dürften.

Die Krux mit den "einkommensbezogenen Beiträgen"

Der Gesetzgeber hatte - aus welchen Gründen auch immer - entschieden, dass nur solche Rechtsanwälte ihre Beiträge aus der DRV in das anwaltliche Versorgungswerk überführen können, die "einkommensbezogene Pflichtbeiträge" vor dem 1. April 2014 in diese geleistet hatten. 

Dabei war übersehen worden, dass damit bei enger Auslegung der Vorschrift diejenigen Rechtsanwälte bessergestellt wurden, die erst nach einer Vertrauensschutzregelung der DRV zum 1. Januar 2015 von dem anwaltlichen Versorgungswerk zur DRV umgemeldet worden waren. Deren Beiträge bis zum 31. Dezember 2014 genießen Vertrauensschutz, sind also unstreitig als einkommensbezogene Beiträge einzuordnen. 

Wer allerdings bis zum 31. März 2014 nur die Mindestbeiträge in das Versorgungswerk gezahlt hatte, dessen Beiträge sollten jetzt bei der DRV verbleiben. Misslich ist dabei für viele Rechtsanwälte, dass sie die Mindestbeitragszeit von 60 Beitragsmonaten oftmals nicht erreichen, weil sie in der Vergangenheit und jetzt für die Zukunft von der Versicherungspflicht in der DRV befreit sind. 

Diese missliche Lage hatte schon das Bundesverfassungsgericht gesehen und in seinen beiden Beschlüssen vom im Juli 2016 klargestellt, dass seiner Ansicht nach unter einkommensbezogenen Beiträgen auch die Mindestbeiträge bzw. Grundbeiträge in das anwaltliche Versorgungswerk als einkommensbezogene Beiträge anzusehen seien.

Die DRV ließ sich davon aber nicht beeindrucken, die Sozialgerichte und Landessozialgerichte haben daraufhin unterschiedlich entschieden und nunmehr lagen verschiedene Revisionsverfahren beim 5. Senat des BSG. 

In der mündlichen Verhandlung vor dem BSG am Mittwoch ging es konkret um die Verfahren zweier Rechtsanwältinnen. Sie befanden im Streit mit der DRV über ihre Befreiung von der Versicherungspflicht, waren aber zwischenzeitlich als Syndikusrechtsanwältinnen zugelassen worden. Aufgrund der Regelung des § 231 Abs. 4b SGB VI waren sie ab dem 1. April 2014 zwar von der Versicherungspflicht befreit worden, für die Zeiten davor (vom 1. Februar 2013 bzw. vom 1. April 2013 bis jeweils zum 31. März 2014) allerdings nicht. Denn in dieser Zeit, so die Argumentation der DRV, seien nur der Grundbeitrag von zwei Zehnteln der Beitragsbemessungsgrenze (Bayern) bzw. der Pflichtbeitrag von Drei Zehnteln (Baden-Württemberg) entrichtet worden – und dieses Geld sei gerade nicht als einkommensbezogener Beitrag zu werden.

Klatsche für die DRV

Dieser Argumentation ist das BSG aber nicht gefolgt. Der Senat bringt gleich mehrere Gegenargumente hervor.

Zum einen bedeute, so das BSG, das Wort "einkommensbezogen" nicht "einkommensabhängig" von den individuellen Einkommensverhältnissen, sondern stelle nur eine typisierende Beschreibung dar. Denn nach dem Wortlaut der meisten Landesgesetzen zur Errichtung der Versorgungswerke sei festgehalten, dass die Versorgungswerke nur "einkommensbezogene" Beiträge erheben dürfen. Diese Mindestbeiträge, so unterschiedlich sie bei den einzelnen Versorgungswerken auch heißen mögen, sind nach Auffassung des BSG damit immer einkommensbezogen. 

In der mündlichen Begründung am Mittwoch wies der Senat zudem daraufhin, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 231 Abs. 4b SGB VI bei einer erfolgten Syndikuszulassung von einer einheitlichen Versicherungsbiographie ausgehen wolle. Es ergebe entsprechend wenig Sinn, Beiträge von wenigen Monaten in der DRV zu belassen, wenn ansonsten nur in das Versorgungswerk eingezahlt wurde und wird. 

Der Senat sah auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Rechtsanwälten und ihren Arbeitgebern, die einfach abgewartet und dann wie gezeigt von einer Vertrauensschutzregelung profitiert haben.

Endlich geht der Streit zu Ende

Für viele Syndikusrechtsanwälte gehen jetzt die Auseinandersetzungen mit der DRV dem Ende zu, entsprechend müssen noch wohl Tausende Verfahren bei den Sozialgerichten beendet werden, denn die DRV hatte Befreiungen für Zeiten vor dem 1. April 2014 flächendeckend abgelehnt. Sie hatte sogar, wenn sie eine Befreiung "aus Versehen" ausgesprochen hatte, in etlichen Verfahren die Befreiungsbescheide nach § 45 SGB X wieder aufgehoben. 

Es ist zu hoffen, dass die Rückabwicklung jetzt rasch vonstatten geht, damit am besten noch in diesem Jahr die zu erstattenden Beiträge von der DRV in das Versorgungswerk fließen. 

In dem zweiten Verfahren (B 5 RE 4/19 R) hat die DRV ihre Revision nach den deutlichen Worten des Senats zurückgenommen, sodass hier die von den Vorinstanzen ausgesprochene Befreiung rechtskräftig wurde. 

Rechtsanwalt Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Rechtsanwälte in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er vertritt seit Jahren Freiberufler in der Auseinandersetzung mit der DRV. Am Verfahren am Mittwoch vor dem BSG ist er als Terminsvertreter für einen kurzfristig erkrankten Kollegen aufgetreten.

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BSG zu Syndikusrechtsanwälten: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42902 (abgerufen am: 16.06.2025 )

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