Trotz der einstweiligen Verfügung des LG Frankfurt, die Uber verbietet, über Apps Beförderungen zwischen Privaten zu vermitteln, will das Startup einfach weiter machen. Die Taxi Deutschland Servicegesellschaft will ein Zwangsgeld beantragen. Wie hoch das ausfallen könnte, wieso es eine anwaltliche Schutzschrift gibt und was die "Ignoranz" der Uber-Macher damit zu tun hat, erklärt Oliver Löffel.
Uber hatte beim Landgericht (LG) Frankfurt eine Schutzschrift mit Datum vom 20. August 2014 hinterlegen lassen. Offensichtlich erwartete das Unternehmen den Verbotsantrag. Durch die Schutzschrift wollten die Betreiber der Taxi-Apps erreichen, dass die einstweilige Verfügung nicht, zumindest nicht ohne mündliche Verhandlung, erlassen wird.
Das Gericht hielt jedoch nicht nur das ausgesprochene Verbot für dringlich im Sinne der §§ 936, 917 Zivilrozessordnung (ZPO), sondern erachtete den Fall für derart "dringend", dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erließ (§ 937 Abs. 2 ZPO). Letzteres ist freilich in solchen Verfahren üblich, weil Gerichte in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten meist nicht geneigt sind, vor Erlass einer einstweiligen Verfügung eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Mit Blick auf diese übliche Gerichtspraxis stellt sich die Frage, warum Uber dem Gericht mitgeteilt hatte, dass es in einem einstweiligen Verfügungsverfahren anwaltlich vertreten wird. Die Schutzschrift hätte Uber von seinen Anwälten schreiben lassen und selbst beim Gericht hinterlegen können. Denn für die Schutzschrift besteht kein Anwaltszwang.
Vorteil dieser Taktik wäre gewesen, dass die einstweilige Verfügung der Uber B.V. in Amsterdam statt einfach den Anwälten in Frankfurt hätte zugestellt werden müssen. Herauszufinden, wie und wo man das Unternehmen in den Niederlanden erreicht, ist nicht so einfach möglich, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Auch das Impressum auf der Internetseite erfüllt die die Anforderungen des Telemediengesetzes an eine Anbieterkennzeichnung nicht.
Ignoranz? Kann für Uber richtig teuer werden
Wenn aber die einstweilige Verfügung nun wirksam zugestellt wurde, darf Uber seine Dienste, nämlich die vom Gericht verbotene Vermittlung von Beförderungswünschennicht mehr vornehmen. Dass das ursprünglich amerikanische Startup-Unternehmen von Goethes Maxime "Wer sich den Gesetzen nicht fügen will, muss die Gegend verlassen, wo sie gelten", nicht viel hält, belegt Uber anschaulich selbst. Im Anschluss an die Entscheidung des Gerichts kündigten die App-Betreiber öffentlich an: "Keep Calm and Uber On" (ruhiger bleiben und weiter "ubern").
Die Taxi Deutschland Servicegesellschaft, welche die einstweilige Verfügung erwirkt hatte, gab auf Nachfrage gegenüber LTO an, derzeit noch "gerichtsverwertbare Beweise" für die Zuwiderhandlung zu sammeln und voraussichtlich in der kommenden Zwangsgelder gegen Uber zu beantragen. Hierzu muss der Verband einen oder mehrere Verstöße des Unternehmens gegen die einstweilige Verfügung beweisen. Uber droht ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot. Die Höhe des Ordnungsgeldes liegt im Ermessen des Gerichts.
Es muss so hoch bemessen sein, dass es weiteren Zuwiderhandlungen vorbeugt. Bei der Festlegung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter Rechnung zu tragen.
2/2 Ignoranz? Kann das Ordnungsgeld noch weiter hochtreiben
Freilich wird Uber ein bewiesener Verstoß gegen die einstweilige Verfügung nicht 250.000 Euro kosten. Das Gericht wird bei - nach der Ankündigung des Startups zu erwartenden - vorsätzlichen Verstößen auch nicht einfach ein Vielfaches der für eine vermittelte Fahrt angemessenen Sanktion verhängen.
Die Frankfurter Richter werden vielmehr – im Fall systematischer Verstöße – eine Gesamtsanktion festsetzen. Mit Blick auf deren Zweck, vorzubeugen und zu strafen, muss diese so hoch sein, dass sich weitere Verstöße für Uber nicht lohnen. Prognosen sind insoweit schwer möglich. Aber das von Falk Steiner im Deutschlandfunk als ignorant bezeichnete Verhalten des Unternehmens, insbesondere die öffentliche Mitteilung, seine Tätigkeit in ganz Deutschland trotz des Gerichtsbeschlusses fortzuführen, dürfte im Hinblick auf die Bemessung des Ordnungsgeldes jedenfalls wenig hilfreich für Uber sein.
Das Startup kann auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, eine gezahlte Strafe wieder zurückzubekommen, falls die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen wurde oder aus anderen Gründen später wegfällt. Denn diese Frage wird von den Gerichten uneinheitlich beurteilt. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat schon im Jahr 1980 entschieden, dass der rückwirkende Wegfall eines gerichtlichen Verbotstitels eine bereits vollzogene Ahndung wegen Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot nicht nachträglich unzulässig macht. Denn Ordnungszwangsmittel sind – so die Begründung des OLG - eben nicht nur zivilrechtliche Beugemittel, sondern auch Sanktionen, die wie eine Strafe "auf Repression und Vergeltung für rechtlich verbotenes Verhalten" abzielen. (Beschl. V. 17.01.1980, Az. 6 U 137/76).
Aber auch Taxi Deutschland geht Risiken ein
Für Taxi Deutschland könnte es sich als vorteilhaft erweisen, dass Uber die einstweilige Verfügung ignoriert. Schließlich haftet die Servicegesellschaft gegenüber dem Startup, wenn sich ihr Vorgehen später als unberechtigt erweist (§ 945 ZPO). Uber hat bereits Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung angekündigt. Würde das Unternehmen sich an das Verbot halten, müsste Taxi Deutschland ihm jeden Schaden ersetzen, der durch die Vollziehung einer von Anfang an ungerechtfertigten Verfügung adäquat verursacht wurde. So zum Beispiel den entgangenen Gewinn. Vermutlich aufgrund dieser Haftungsrisiken wurde eine vom LG Berlin im April 2014 gegen Uber erlassene einstweilige Verfügung seinerzeit nicht vollzogen.
Uber hat viel Geld und wird mit Hengeler Müller von einer renommierten Kanzlei vertreten. Die Anwälte werden gute Argumente gegen die einstweilige Verfügung haben. So stellt sich bereits die Frage, warum nach Monaten andauernder Diskussion um die rechtliche Zulässigkeit von "Uber Pop" es nun auf einmal Ende August in doppelter Hinsicht dringend war, ohne mündliche Verhandlung ein Verbot zu erlassen. Immerhin hatte der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband BZP bereits im April 2014 eine "vorsätzliche rechtswidrige gewerbliche Personenbeförderung" erwähnt. Die Taxizentralen-Genossenschaft selbst hat bereits im Juni 2014 Stellung zu Uber genommen, dann aber erst einmal zugewartet.
Vor dem OLG Frankfurt muss auch die Frage geklärt werden, ob Uber, wie vom LG angenommen, zumindest als Teilnehmer mitverantwortlich ist für die fremden, nämlich von den jeweiligen Fahrern begangenen Verstöße gegen das Personenbeförderungsgesetz. Die Uber B.V. selbst erbringt jedenfalls keine Beförderungsleistungen, ebenso wenig wohl die Uber Germany GmbH, welche sich nach eigenen Angaben gegenüber den Hamburger Behörden nur mit Werbung befasst.
Nach dem LG muss das OLG Frankfurt entscheiden, ob die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen wurde. Parallel zu diesem Verfahren werden sich vermutlich die Gerichte im Rahmen eines länger andauernden Hauptsacheverfahrens mit dem Streit beschäftigen, welcher beim Bundesgerichtshof enden könnte.
Nicht ausgeschlossen ist, dass sich in einigen Jahren auch der EuGH und das BVerfG - wie schon vor fünfzig Jahren im Zusammenhang mit den Mitfahrzentralen - mit rechtlichen Fragen dieses Falles beschäftigen werden. Die Kriegskasse von Uber ist nach einem Bericht der Wirtschaftswoche mit 880 Millionen Euro jedenfalls gut gefüllt.
Der Autor Der Autor Oliver Löffel ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei der Kanzlei Löffel Abrar in Düsseldorf.
Oliver Löffel, Nach dem vorläufigen Verbot: Keep Calm and Uber On? . In: Legal Tribune Online, 03.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13076/ (abgerufen am: 31.05.2023 )
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