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OLG München zum Double-Opt-In-Verfahren: Und plötzlich ist Spam, was Spam vermeiden sollte

von Dr. Markus Robak

23.11.2012

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Die Online-Branche ist in Aufruhr: Das OLG München hat mit einem jüngst verkündeten Urteil das seit Jahren etablierte Double-Opt-In-Verfahren für rechtswidrig erklärt. Was der Verifizierung von E-Mail-Adressen dienen und unzulässige E-Mail-Werbung vermeiden soll, verstößt nach Auffassung der Münchner Richter selbst gegen das gesetzliche Spam-Verbot. Das letzte Wort muss das aber nicht sein, meint Markus Robak.

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Double-Opt-In: Rechtssichere Checkmails, ganz sozialadäquat 

Das deutsche Recht setzt dem Direktmarketing enge Grenzen. Per E-Mail und Telefon dürfen Unternehmen nur werben, wenn der Adressat vorher ausdrücklich seine Einwilligung erteilt hat. Andernfalls verletzen bereits die erste E-Mail oder der erste Anruf den Betroffenen in dessen Persönlichkeits- bzw. Unternehmensrecht und verstoßen gleichzeitig gegen § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Etwas großzügiger ist das Gesetz noch beim Telefonmarketing gegenüber Unternehmen.

Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung hat sich neudeutsch der Begriff "Opt-In" eingebürgert. Allenthalben werden Internetnutzer, sei es bei der Flugbuchung, sei es bei einem Gewinnspiel, mit vorformulierten Erklärungen wie "Ja, ich möchte gerne per Telefon und/oder E-Mail über neuste Angebote informiert werden" konfrontiert, verbunden mit der Bitte, die so genannte Checkbox anzuklicken und damit ihre Zustimmung zu erteilen.

Double-Opt-In: Checkmail ohne Werbung und finale Bestätigung

Soweit die Theorie. Die Praxis kämpft aber bereits mit den Tücken simpler Newsletter-Angebote auf Websites. Das Problem: Die einfache Eintragung einer E-Mail-Adresse in die Eingabemaske bietet keine Gewähr für Authentizität. So klagen Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen gegen die Belästigung durch Spam mit dem Argument, nicht sie selbst hätten ihre E-Mail-Adresse  eingetragen.

Der Werbende bleibt meist den Beweis der Einwilligung schuldig und unterliegt. Es hilft auch nichts, wenn er sofort die Adresse aus seinem Verteiler löscht, denn bereits der erste Versand des Newsletters ist rechtswidrig.

Das Problem bekamen die Unternehmen jedoch recht schnell in den Griff. Um zu verifizieren, ob der Inhaber der angegebenen E-Mail-Adresse den Newsletter tatsächlich bestellt hat, wird seit einigen Jahren im sogenannten Double-Opt-In-Verfahren zunächst eine so genannte Check-Mail an diese Adresse versendet. Diese Nachricht enthält selbst noch keine Werbung, sondern fordert nur den Empfänger auf, einen Link anzuklicken und damit die Bestellung des Newsletters endgültig zu bestätigen.

Die Rechtsprechung wertet die Antwort auf diese Check-Mail als Einwilligungsnachweis, weil sie in der Regel nur vom Inhaber der E-Mail-Adresse stammen kann. Erfolgt dagegen keine Reaktion, muss der Newsletter-Versand an diese Adresse unterbleiben.

Die Rechtsprechung akzeptierte: Eine werbefreie Mail ist sozialadäquat

Der einmalige Versand der Check-Mail an einen unfreiwilligen Adressaten war schnell Gegenstand rechtlicher Bewertung – und hielt ihr stand. Mit Urteil vom  23. Januar 2007 brach das Landgericht Berlin eine Lanze für das Double-Opt-In-Verfahren. Die Belästigung durch den einmaligen Empfang einer nicht angeforderten Check-Mail müsse als sozialadäquat hingenommen werden (LG Berlin, Az. 15 O 346/06).

Bereits kurz zuvor hatte auch das Amtsgericht München die Check-Mail als zulässig angesehen (AG München, Urt. v. 30.11.2006, Az. 161 C 29330/06). Fortan forderte die Rechtsprechung einhellig den Nachweis wirksamer Einwilligungen durch Double-Opt-In und die Praxis freundete sich nach und nach immer besser mit diesem Verfahren an.

Die Rechtmäßigkeit der Check-Mail wurde seitdem nicht mehr in Frage gestellt, das Verfahren wird ganz weit überwiegend praktiziert.

Spam-Schutz à la OLG München, Klärung aus Karlsruhe zweifelhaft

2/2: OLG München: Check-Mail als Werbung

Das Double-Opt-In-Verfahren bot bis dato in einem von Unkenntnis und Rechtsunsicherheit geprägten Tätigkeitsfeld zumindest ein wenig Orientierung sowie die Gewissheit, sich rechtskonform zu verhalten.

Sogar der Bundesgerichtshof – so jedenfalls die allgemeine Lesart des Urteils vom 10. Februar 2011 (BGH, Az. I ZR 164/09 – Double-Opt-in-Verfahren) hat dem Double-Opt-In-Verfahren für den Bereich der E-Mail-Werbung im Grundsatz seinen Segen erteilt. Gegenstand der Entscheidung war allerdings, ob sich Double-Opt-In auch für den Bereich der Telefonwerbung eignet. Dort eine wirksame Einwilligung nachzuweisen, hielt der I. Zivilsenat allerdings eindeutig nicht für möglich.

Mit seinem jüngst bekannt gewordenen Urteil lässt nun das Oberlandesgericht München die Online-Branche  rat-, wenn nicht sogar fassungslos zurück. Nach Auffassung der Münchner Richter stellt nämlich eine Check-Mail keineswegs eine hinzunehmende, weil sozialadäquate Belästigung dar, sondern schlichte Werbung, für die der Absender das Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung nachweisen müsse (OLG München, Urt. v. 27.09.2012, Az. 29 U 1682/12).

Aus rechtlicher Sicht ist das Ergebnis des OLG München nachvollziehbar. Der 29. Zivilsenat  legt einen sehr weiten Begriff von "Werbung" zugrunde und befindet sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH und zahlreicher Oberlandesgerichte. Es ist ebenfalls anerkannt, dass die strengen Maßstäbe der Vorschrift des § 7 UWG, die keine Wertungsmöglichkeiten im Einzelfall vorsieht, auch dann gelten, wenn der Betroffene die Verletzung seines Persönlichkeits- oder Unternehmensrecht geltend macht.

Wenn die Katze sich in den Schwanz beißt

Dennoch: Die Münchner Richter hielten es offenbar nicht für erforderlich, sich mit den früheren Erwägungen des LG Berlin sowie des AG München auseinanderzusetzen. Die beiden Urteile, welche letztlich die Legitimation des Double-Opt-In-Verfahrens begründeten, sind an keiner Stelle erwähnt.

Bemerkenswert ist auch, dass das OLG München eine zweite E-Mail an das klagende Steuerberatungsbüro als rechtmäßig bewertete. Es stand nämlich fest, dass der Link in der Check-Mail aus dem E-Mail-Account der Steuerberater heraus angeklickt worden war, woraufhin in einer zweiten Mail die Bestellung des Newsletters endgültig bestätigt wurde. Darin sah das Gericht den Nachweis einer ausdrücklichen Einwilligung in den Bezug der zweiten Mail.

Widerspruchsfrei lassen sich diese beiden gegenteiligen Ergebnisse des Urteils kaum begründen. Ein von der Rechtsprechung mit Billigung des BGH gefordertes einheitliches Verfahren kann nicht nur dann zulässig sein, wenn die Check-Mail ausschließlich bei solchen Adressaten eingeht, die sie angefordert haben.

Denn die zweifache Funktion des Double-Opt-In, einerseits die Versendung unverlangter Newsletter zu verhindern und andererseits den Nachweis von Einwilligungen zu erbringen, ist nicht teilbar. Die erste Funktion gehört untrennbar zur zweiten dazu. Und sie hat unvermeidbar zur Folge, dass immer wieder Check-Mails an Adressen gehen, deren Inhaber keine Werbung bestellt haben.

Klärung aus Karlsruhe zweifelhaft – aber kein Grund zur Panik

Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof diese für sämtliche Akteure auf dem Gebiet des Direktmarketings fundamentale Frage beantworten wird – wenn sie ihm denn gestellt wird.

Den Weg nach Karlsruhe hat das OLG immerhin eröffnet und bezüglich der Frage des Werbecharakters einer Check-Mail im Double-Opt-In-Verfahren die Revision zugelassen. Auf Nachfrage der LTO-Redaktion war in München aus der Akte nicht ersichtlich, dass das beklagte Unternehmen Rechtsmittel eingelegt hätte, auch beim BGH ist nach Angaben der dortigen Pressestelle keine Revision eingegangen.

Die Praxis sollte sich in der Zwischenzeit allerdings nicht allzu sehr verunsichern lassen.

Da die Rechtsprechung seit Jahren einhellig das Double-Opt-In-Verfahren als Nachweis von Einwilligungen verlangt und derzeit keine praktikable Alternative bekannt ist, bleibt auch nichts anderes, als die Praxis beizubehalten. Schließlich ist zu erwarten, dass andere Gerichte zukünftig wieder so entscheiden, wie das LG Berlin und das AG München vor einigen Jahren. 

Der Autor Dr. Markus Robak ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Jonas Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln.

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Zitiervorschlag

Dr. Markus Robak, OLG München zum Double-Opt-In-Verfahren: Und plötzlich ist Spam, was Spam vermeiden sollte . In: Legal Tribune Online, 23.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7631/ (abgerufen am: 09.06.2023 )

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