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Öffentliche Verfahren: Twit­tern aus dem Gerichts­saal kann nicht ein­fach ver­boten werden

von Martin W. Huff

18.11.2011

Twitter

Screenshot twitter.com

Ein Vorsitzender Richter des LG Mannheim hat in einer Zivilverhandlung das Twittern aus dem Gerichtssaal untersagt. Der mediale Alltag ist in der Justiz angekommen und wird offenbar nicht goutiert. Dabei gibt es keine Rechtsgrundlage, um das Zwitschern live vom Prozess zu unterbinden, meint Martin W. Huff.

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Gerichtsverhandlungen sind in Deutschland öffentlich, es sei denn, die Öffentlichkeit wird aufgrund gesetzlicher Vorschriften ausgeschlossen. Quantitative Beschränkungen gibt es hinsichtlich der Zahl der Plätze, die notfalls zugeteilt werden müssen. Außerdem sind  Ton- und Filmaufnahmen aus dem Gerichtssaal nach dem Beginn der Verhandlung nach § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)  untersagt. Ausnahmen von diesem Verbot gibt es nur für Verhandlungen beim Bundesverfassungsgericht.

Aber ist auch das Versenden von Kurznachrichten aus dem Gerichtssaal untersagt? Diese Auffassung hat wohl der Vorsitzende des Landgerichts Mannheim vertreten, der am 11. November ein öffentlichkeitswirksames Verfahren in Sachen Apple gegen Samsung zu verhandeln hatte. Theoretisch ist in der Literatur über diese Frage schon diskutiert worden, praktisch ist das Problem aber bisher nicht aufgetaucht.

Der Vorsitzende in Mannheim "bat darum", keine Meldungen aus dem Saal zu twittern. Ob diese "Bitte" als so genannte sitzungspolizeiliche Maßnahme nach § 176 GVG ausgestaltet war, war nicht sicher zu erfahren, auch auf Rückfrage konnte die Pressestelle keine endgültige Auskunft geben. Im LG Mannheim sind grundsätzlich Mobiltelefone für Zuschauer verboten. Bei dem Verhandlungstermin in Sachen Apple gegen Samsung waren aber Laptops im Saal, ohne das der Vorsitzende hier eingeschritten wäre.

Darf ein Gericht Mobiltelefone verbieten?

Unabhängig von der Einordnung der "Bitte" des Vorsitzenden im Mannheimer Fall aber stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Mitführen von Mobiltelefonen und deren Benutzung im Saal verboten werden dürfen.

Sicherlich darf das Telefonieren im Saal verboten werden, dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, muss aber gelegentlich auch wieder deutlich verkündet werden. Die Begründung für das Verbot liegt auf der Hand: Das Telefonieren stört die Sitzung und dies muss und darf das Gericht nicht hinnehmen.

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob es darüber hinaus gehend schon untersagt werden darf, Telefon auch nur mitzuführen. Man muss differenzieren zwischen den Typen von Mobiltelefonen. Ein Verbot wäre möglich, wenn die Gefahr besteht, dass Bilder gemacht werden, also gegen das Fotoverbot des § 169 S. 2 GVG verstoßen würde. Dann dürfte das Verbot aber nur solche Telefone umfassen, die eine Fotomöglichkeit überhaupt bieten. Es gibt aber immer noch Telefone, die keine Kamera enthalten. Schon deshalb erscheint es äußerst fraglich, ob man das Mitführen von Telefonen bei der Verhandlung generell verbieten kann.

Kein Unterschied: Einfach rausgehen oder twittern

Eindeutiger zu beantworten ist die Frage, ob denn das Twittern oder das Schreiben sonstiger Meldungen aus dem Saal verboten werden kann: Jedenfalls ohne Begründung dürfte das rechtlich kaum möglich sein.

Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. Der Zugang zum Saal muss ebenso jederzeit möglich sein wie dessen Verlassen. Jeder Zuschauer kann und darf also den Saal verlassen und draußen erzählen, was drinnen passiert ist. Er kann dazu Stellung nehmen und seine Einschätzung wiedergeben.

Wer aus dem Saal Meldungen schreibt, tut nichts anderes. Er benimmt sich nur unauffälliger und leiser, als wenn er den Saal verließe . Einen anderen Charakter hat sein Verhalten nicht.

In Strafprozessen wird gerne immer wieder auf das Argument zurückgegriffen, dass Zeugen beeinflusst werden könnten, die vor dem Saal auf ihre Aussage warten und dabei die Meldungen lesen. Wenn aber auf diesem Wege ein wirksamer Zeugenschutz erreicht werden soll, dann müsste auch das Gespräch zwischen Zeugen durch Zuhörern unterbunden werden. Von solchen Maßnahmen hat man aber bisher nichts gehört.

Twittern aus dem Gerichtssaal ist Teil der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens

Auch die Begründung, das Schreiben von Meldungen störe, kann nicht ernsthaft vorgebracht werden. Es ist gestattet, im Saal mitzuschreiben und auch verglichen mit dieser erlaubten Handlung ist das Verfassen und Versenden von Meldungen nichts anderes.

Das Recht, aus dem Gerichtssaal Meldungen zu schreiben, ist Teil der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens. Auch und gerade Journalisten dürfen sich dabei auf ihre Informationsfreiheit aus Art. 5 GG stützen, denn das rasche Verbreiten von Meldungen gehört heute zum medialen Alltag. Gründe, diese Freiheit einzuschränken, wären nur in ganz engen Grenzen möglich.

Sitzungspolizeiliche Anordnungen im Saal, die das Schreiben von Meldungen untersagen, wären rechtlich kaum haltbar. Die Benutzung von Mobiltelefonen mit Fotofunktion kann zwar grundsätzlich eingeschränkt werden, die Anordnung müsste aber den Beteiligten wirksam mitgeteilt werden. Und wenn ein Richter bei einem Verstoß ein Ordnungsgeld verhängen sollte, kann man dagegen Rechtsmittel einlegen.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftrager für Medienrecht an der Fachhochschule Köln.

 

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Martin W. Huff, Öffentliche Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4837 (abgerufen am: 19.05.2025 )

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