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EuGH erlaubt Passwörter für öffentliches W-LAN: Frei­funk Adé

von Carl Christian Müller, LL.M.

15.09.2016

Geschäftsmann in einer WLAN-Zone

© georgejmclittle - Fotolia.com

Anbietern von öffentlichem W-LAN kann aufgegeben werden, den Anschluss durch an Nutzer vergebene Passwörter zu sichern, entschied der EuGH. Carl Christian Müller zum Urteil, das dem klagenden Piratenpolitiker gar nicht gefallen dürfte.

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Ein Geschäftsinhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. Jedoch darf ihm durch eine Anordnung aufgegeben werden, sein Netz durch ein Passwort zu sichern, um solche Rechtsverletzungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag (Urt. v. 15.09.2016, Az. C484/14).

Dem Urteil lag eine Reihe von Fragen zu Grunde, die das Landgericht (LG) München I dem EuGH gestellt hatte. In München geklagt hatte Tobias McFadden, Mitglied der Piratenpartei Deutschlands, der über sein Unternehmen für Veranstaltungstechnik sein W-LAN frei zugänglich gemacht hatte. Im Jahre 2010 wurde hierüber der Titel "Bring mich nach Hause" der Band "Wir sind Helden" über eine Internettauschbörse angeboten - ein Verstoß gegen das Urheberrecht.

Die Fragen lauteten: Haftet Herr McFadden auf Unterlassung, muss er also künftige Verstöße unterbinden? Haftet er darüber hinaus auch auf Schadensersatz und die Kosten der Abmahnung und eventuelle Gerichtskosten?

Kein Schadensersatz, aber Unterlassung light

Der EuGH erteilte jeglichen Schadensersatzbegehen sowie den dafür aufgewendeten Kosten der Abmahnung und Gerichtskosten eine klare Absage. Der Gerichtshof begründete dies mit Art. 12 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Diensteanbieter, die Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, für die von Nutzern begangenen Rechtsverletzungen nicht verantwortlich sind, wenn die Diensteanbieter die Übermittlung nicht veranlasst haben, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählen und die übermittelten Informationen nicht auswählen oder verändern. Das ist, so der EuGH, bei den Betreibern von geschäftlichen Zwecken dienenden W-LAN-Netzwerken der Fall.

Rechteinhabern bleibt es aber unbenommen, gegenüber W-LAN-Betreibern Unterlassungsansprüche geltend zu machen, allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Im Fall einer Rechtsverletzung können die Verpflichtungen des Betreibers lediglich soweit gehen, als er künftig für die Nutzung des W-LANs Accounts anzulegen sowie Usernamen und Passwörter zu vergeben hat, um so sicherzustellen, dass die Identität der Nutzer überprüfbar ist.

Die Störerhaftung lebt

Die so oft totgesagte Störerhaftung lebt damit weiter. Nicht nur, dass der Versuch des deutschen Gesetzgebers, die W-LAN-Haftung abzuschaffen, als gescheitert betrachtet werden muss, da es ihm mit der Novellierung des Telemediengesetzes im Juni dieses Jahres nicht gelungen ist, dies in einer klaren Regelung festzuhalten.

Doch auch nach dem aktuellen Urteil des EuGH müssen Betreiber von offenen Netzwerken nach wie vor mit Abmahnungen von Rechteinhabern rechnen. Die Kosten der Abmahnung sind, sofern die Abmahnung berechtigt ist, ebenso von den Betreibern zu tragen. Denn der EuGH stellte klar, dass Rechteinhaber von dem Betreiber eines offenen W-LANs dessen Verschlüsselung sowie die Zahlung der Abmahn- und Gerichtskosten verlangen kann.

Dieser Haftung kann der Betreiber nur dadurch entgehen, dass er proaktiv Nutzeraccounts anlegt – und zwar bevor es zu einer Urheberrechtverletzung über das W-LAN-Netzwerk kommt. Dies empfiehlt sich umso mehr, als der Gegenstandswert für die Abmahnkosten im Falle eines kommerziellen Anbieters nicht gedeckelt ist. Schon allein deswegen können derartige Abmahnungen auch ohne Schadensersatzforderungen teuer werden. Kosten in Höhe von knapp tausend Euro dürften dabei keine Seltenheit sein.

Anonyme Nutzung öffentlichen W-LANs nicht möglich

Das alles wird Herrn McFadden und der Piratenpartei, die dieses Verfahren nach öffentlichen Meldungen finanziert hatte, nicht freuen, denn ihnen ging es ja gerade darum, einer Vielzahl von Menschen das Internet zur freien Nutzung ohne Zugangsbeschränkungen und anonym zur Verfügung zu stellen.

Hinzu kommt, dass die hier vom EuGH vorgenommene Einschränkung des Unterlassungsanspruchs auf die Verschlüsselung eines Netzwerkes auch nur für kommerzielle Betreiber gilt, die das offene W-LAN im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit anbieten. Private Anbieter dagegen sind von der heutigen Entscheidung des EuGH nicht erfasst und müssen daher auch künftig damit rechnen, wie bisher auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.

Im Ergebnis also kein guter Tag für den Freifunk – und zwar europaweit. Nachdem der EuGH den Freifunkern nicht zur Seite gesprungen ist, liegt der Ball nun wieder im Feld des deutschen Gesetzgebers. Dieser müsste Unterlassungsansprüche in diesen Fallkonstellationen explizit ausschließen. Das könnte er auch, denn dies stünde jedenfalls nicht im Widerspruch zur Entscheidung vom Donnerstag. Der EuGH hat lediglich festgestellt, dass Unterlassungsansprüche grundsätzlich im Einklang mit europäischem Richtlinienrecht stehen. Zwingend sind sie aber nicht.

Der Autor Carl Christian Müller, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Medienrecht, das Presse- und Äußerungsrecht, das Breitbandkabelrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Er ist Lehrbeauftragter an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Studiengang des Mainzer Medieninstituts und fungiert zudem als Justiziar des Deutschen Medienverbandes (DMV).

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Carl Christian Müller, EuGH erlaubt Passwörter für öffentliches W-LAN: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20600 (abgerufen am: 24.05.2025 )

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