Wer sich als Kassenarzt dafür bezahlen lässt, bestimmte Medikamente zu verschreiben, verstößt gegen Berufsrecht, macht sich bislang aber nicht strafbar. Ein bayerischer Gesetzentwurf, der dies ändern will, wird am Freitag im Bundesrat besprochen, ein weiterer Entwurf ist im BMJV in Arbeit. Welche neuen Regelungen geplant sind und wer davon betroffen ist, erläutern Oliver Kraft und Julia Lange.
Hintergrund der geplanten Gesetzesänderung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2012, wonach ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben (insbesondere der Verordnung von Arzneimitteln) weder als Amtsträger i.S.d. §§ 331, 332 Strafgesetzbuch (StGB) noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen i.S.d. § 299 StGB handelt (Beschl. v. 29.03.2012, Az. GSSt 2/11).
Dies hat zur Folge, dass nach der derzeitigen Rechtslage ein freiberuflich tätiger Kassenarzt, der von Pharmakonzernen Geld oder andere Vorteile als Gegenleistung für eine bevorzugte Verordnung bestimmter Medikamente annimmt, zwar gegen berufs- und sozialrechtliche Verbote verstößt, sich damit aber in der Regel nicht strafbar macht. Auch eine Strafbarkeit der die Vorteile gewährenden Mitarbeiter der Pharmakonzerne scheidet damit aus.
Anders ist dies dagegen bei Ärzten, die in öffentlichen oder privaten Krankenhäusern oder bei niedergelassenen Ärzten angestellt sind. Diese machen sich in den beschriebenen Fällen schon heute wegen Bestechlichkeit strafbar.
Neuer Tatbestand soll Strafbarkeitslücken schließen
Der am 15. Januar 2015 vorgestellte Gesetzentwurf Bayerns soll die durch das Urteil des BGH offenbarten Strafbarkeitslücken schließen. Hierzu sieht er die Einfügung eines neuen § 299a in das StGB vor.
Danach sollen sich künftig Angehörige der sogenannten akademischen Heilberufe strafbar machen, wenn sie im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie bei der Verschreibung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen oder in sonstiger Weise ihre Berufsausübungspflichten verletzen.
Spiegelbildlich soll auch das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines solchen Vorteils unter Strafe gestellt werden.
Der Gesetzentwurf sieht für beide Seiten bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen soll sich die Strafandrohung auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren erhöhen.
Betroffen sind nicht nur Ärzte
Auf der Nehmerseite soll der neue Straftatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen für alle Angehörigen von Heilberufen gelten, für die im gesamten Inland berufsständische Kammern eingerichtet sind. Erfasst werden sollen damit laut der Begründung des Gesetzentwurfs die sogenannten akademischen Heilberufe, neben Ärzten also etwa auch Apotheker und Psychotherapeuten.
Der Straftatbestand unterscheidet nicht zwischen angestellten und freiberuflich tätigen Personen. Er gilt zudem gleichermaßen für die medizinische Versorgung im Rahmen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung.
Auf Geberseite kann jedermann Täter einer Bestechung im Gesundheitswesen sein. Die Vorschrift erlangt dadurch weitreichende Bedeutung für viele Akteure auf dem Gesundheitsmarkt, vor allem Unternehmen der Pharma- und Medizinproduktindustrie, aber auch Krankenhäuser und sonstige medizinische Dienstleister (z.B. Labore, Fachärzte, Physiotherapeuten). Neben der Zahlung von Geld erfasst sie auch die Gewährung verschiedener anderer Vorteile (z.B. Bereitstellung von Praxisausstattung, Einladung zu Reisen).
2/2: Justizminister plant weitergehenden Gesetzentwurf
Auch der Koalitionsvertrag sieht die Schaffung eines Straftatbestandes der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen vor. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ist derzeit mit der Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs befasst. Im Zuge dessen wurde am 27. Januar 2015 in Fachkreisen der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vorgelegt.
Dieser unterscheidet sich hinsichtlich der mit Strafe bedrohten Tathandlungen nicht von dem bayerischen Gesetzentwurf.
Jedoch geht der Referentenentwurf des BMJV hinsichtlich der auf der Nehmerseite betroffenen Berufsgruppen über den bayerischen Gesetzentwurf hinaus und erfasst alle Heilberufe, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Ausweislich der Entwurfsbegründung wären von dieser Regelung neben den akademischen Heilberufen auch die sogenannten Gesundheitsfachberufe (z.B. Krankenpfleger und Physiotherapeuten) betroffen.
Im Unterschied zu dem Entwurf Bayerns soll der neue § 299a StGB nach Vorstellung des BMJV als sogenanntes relatives Antragsdelikt ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass Taten nach dieser Vorschrift nur auf Antrag oder bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses verfolgt werden könnten. Antragsberechtigt sollen einerseits die Verletzten selbst sein, also benachteiligte Wettbewerber, Krankenkassen und Patienten, andererseits auch die berufsständischen Kammern.
Betroffene sollten sich schon jetzt auf die Neuregelung einstellen
Die Annahme von Vorteilen als Gegenleistung für die bevorzugte Verordnung bestimmter Medikamente oder die Überweisung von Patienten in bestimmte Krankenhäuser ist nicht nur ethisch fragwürdig, sondern bereits heute sozial- und berufsrechtlich verboten und zum Beispiel mit Bußgeld und Berufsverbot sanktionierbar.
Zudem besteht in Öffentlichkeit und Politik weitgehend Einigkeit darüber, dass ein solches Verhalten auch mit den Mitteln des Strafrechts unterbunden werden sollte. Die sozial- und berufsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten werden insoweit als nicht ausreichend angesehen. Denn zum einen erfassen sie nur eine Seite, nämlich die den Vorteil annehmenden Ärzte, nicht jedoch die den Vorteil gewährenden Pharmaunternehmen. Zum anderen fehlt es den zur Durchsetzung der sozial- und berufsrechtlichen Verbote berufenen Stellen an geeigneten Ermittlungsbefugnissen (z.B. zur Durchsuchung und Beschlagnahme).
Es besteht daher kein Zweifel, dass ein Gesetz, welches die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen umfassend regelt, in absehbarer Zeit verabschiedet werden wird. Die betroffenen Personen, Einrichtungen und Unternehmen sollten sich deshalb schon jetzt auf die anstehende Neuregelung einstellen und entsprechende Präventionsmaßnahmen ergreifen. Diese bestehen mindestens in der Implementierung eines neuen bzw. der Anpassung eines bestehenden Compliance-Systems und in dem Angebot von bzw. der Teilnahme an entsprechenden Schulungen.
Im Zweifel sollten Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe auf die Annahme und die Gewährung aller Vorteile verzichten, bei denen auch nur der Anschein einer unlauteren Beeinflussung von Behandlungsentscheidungen entstehen könnte.
Der Autor Dr. Oliver Kraft ist Partner, die Autorin Dr. Julia Lange, LL.M. (Virginia), ist Anwältin bei der Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Mönchengladbach. Sie beraten Individualpersonen und Unternehmen in allen Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts und der strafrechtlichen Compliance.
Dr. Oliver Kraft und Dr. Julia Lange, LL.M. (Virginia), Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen: Gesetzentwurf sagt nicht nur korrupten Ärzten den Kampf an . In: Legal Tribune Online, 06.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14613/ (abgerufen am: 28.09.2023 )
Infos zum Zitiervorschlag