Druckversion
Donnerstag, 8.06.2023, 08:30 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/usa-mordfall-murdaugh-dokumentation-prozess-oeffentlichkeit-netflix-dokuserie/
Fenster schließen
Artikel drucken
51233

Drama im Gerichtssaal und bei Netflix: US-Mord­fall Mur­daugh sorgt welt­weit für Schlag­zeilen

06.03.2023

Standbild aus der Dokuserie "Die Murdaugh Morde" von Netflix

Alex Murdaugh vor Gericht, zu sehen in der Dokuserie "Die Murdaugh Morde" auf Netflix. Foto: Netflix © 2023

Wochenlang hat ein Gerichtsprozess im Süden der USA das Land in Atem gehalten. Eine wahre Geschichte, die sich Hollywood nicht dramatischer hätte ausdenken können. Jetzt ist sie zu Ende gegangen - zumindest vorläufig.

Anzeige

"Bitte kommen Sie schnell", ruft ein Mann völlig aufgelöst ins Telefon. Es ist der 7. Juni 2021, kurz nach 10 Uhr abends, in einem entlegenen Teil des US-Bundesstaates South Carolina. Die Häuser stehen hier teilweise Kilometer weit voneinander entfernt, an Feldrändern, getrennt durch dichten Wald. "Ich brauche die Polizei und einen Krankenwagen." Der Mann am Telefon klingt verzweifelt, immer wieder überschlägt sich seine Stimme. "Meine Frau und mein Sohn wurden erschossen, es ist übel."

Die Stimme gehört Alex Murdaugh. Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Notruf wird der 54-jährige ehemalige Anwalt gut 30 Kilometer vom Tatort entfernt im nüchternen Gerichtssaal des beschaulichen Südstaatenstädtchens Walterboro sitzen und sagen, er habe mit den Morden an seinem 22-jährigen Sohn Paul und seiner 52-jährigen Frau Maggie an jenem Abend nichts zu tun gehabt. Immer wieder wird er während seiner mehrere Tage dauernden Vernehmung in Tränen ausbrechen, so wie an jenem Abend am Telefon. 

Und er wird zugeben, gelogen zu haben, als er der Polizei sagte, er sei an jenem 7. Juni zur Tatzeit weit weg vom Tatort gewesen – jenem Ort dort unten bei den Hundezwingern am anderen Ende des riesigen Anwesens, hunderte Meter von dem Wohnhaus der Familie entfernt. Auf einem Handyvideo seines ermordeten Sohnes, aufgenommen nur Minuten vor der Tat, ist Murdaughs Stimme zu hören. Es ist das entscheidende Indiz.

Öffentliche Prozessdokumentation hat in den USA Tradition

Warum wir das alles wissen? Weil sich der Prozess in aller Öffentlichkeit abspielte - und die Geschichte einer Tragödie zu einem Medienspektakel wurde: Wochenlang stehen die Reporter sämtlicher US-Fernsehsender vor dem Gerichtsgebäude im kleinen Walterboro, vor dem wuchtigen Portal mit den dicken griechischen Säulen zu dem von beiden Seiten gewundene Treppenaufgänge hinaufführen. Kameras im Gerichtssaal zeigen jede von Alex Murdaughs Regungen in Nahaufnahme, Mikrofone übertragen jedes Wort in amerikanische Wohnzimmer, Tag für Tag, stundenlang. Und eine ganze Nation schaut gebannt zu.

Live-Übertragungen von Gerichtsverhandlungen haben in den USA Tradition. Am 3. Oktober 1995 verfolgten laut US-Medien rund 150 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der damaligen US-Bevölkerung, die Urteilsverkündung im Mordfall gegen den prominenten ehemaligen American-Football-Spieler O. J. Simpson. In vielen Fällen kann der vorsitzende Richter darüber verfügen, ob Kameras in seinem Gerichtssaal zugelassen sind. Das Verhältnis zu Persönlichkeitsrechten und Privatsphäre ist in den USA ein anderes als in Deutschland. Befürworter von Live-Übertragungen berufen sich häufig auf den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, in dem die Pressefreiheit verankert ist.

Der Fall der Murdaugh-Morde erschreckt und fasziniert zugleich. Weil Alex Murdaugh Sohn einer in South Carolina hoch angesehen Anwaltsdynastie ist, die in der Gegend Macht und Einfluss hatte. Nach eigenen Angaben verdiente er Millionen. Aber auch weil es im Umfeld von Murdaughs Familie in der Vergangenheit gleich mehrere mysteriöse Todesfälle gab. Murdaugh selbst war nach eigenen Angaben schwer opiatabhängig. Einige Monate nach dem Mord an seinem Sohn und seiner Frau soll er einen Auftragskiller angeheuert haben, um ihn selbst umzubringen. Murdaugh wollte angeblich, dass seine Lebensversicherung in Höhe von zehn Millionen Dollar an seinen anderen, noch lebenden Sohn ausgezahlt wird. 

Auch Netflix griff den Fall auf

Strahlendes Licht und abgrundtiefe Dunkelheit: Im Fall Murdaugh sind sie immer dicht beieinander. Es ist der Stoff für Hollywood. Die Streaming-Plattform Netflix verarbeitete das Schicksal der Murdaugh-Familie zu einer dreiteiligen Dokuserie. Kurz nach der Veröffentlichung am 22. Februar war "Murdaugh Murders: A Southern Scandal" auf Platz zwei der Netflix Top-10 in den USA. Auch in Deutschland ist die Serie zu sehen.

Alex Murdaugh, Pauls Ex-Freundin Morgan Doughty, Paul Murdaugh und Maggie Murdaugh - die Netflix Serie gibt Einblick in das Leben der Familie, deren Name im Zusammenhang mit weiteren Mordfällen auftaucht (Foto: Courtesy of Netflix © 2023)

In dieser Woche kam das Drama dann vorläufig zum Abschluss. Am Donnerstag sprach die Jury aus zwölf Geschworenen nach nur dreistündiger Beratungszeit Murdaugh des Mordes an seiner Frau und seinem Sohn schuldig. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft soll er die Taten verübt haben, um von seinen wachsenden finanziellen Problemen abzulenken. Am Freitag erschien Murdaugh dann zur Verkündung des Strafmaßes ein letztes Mal im Gerichtssaal. Diesmal nicht im weißen Hemd und mit Jackett - in Handschellen, mit khakifarbenem Sträflingsanzug und orangenen Gummisandalen wurde er dem Richter vorgeführt.

Zweimal lebenslänglich ohne Bewährung. "Das war der erschütterndste Fall meiner Laufbahn", sagte der Richter Clifton Newman bei der Urteilsverkündung. "Ich weiß, Sie müssen Paul und Maggie nachts sehen, wenn Sie versuchen einzuschlafen. Ich bin mir sicher, sie kommen Sie besuchen." Es ist das filmreife Ende eines Dramas. Zumindest vorläufig, denn Murdaughs Anwälte haben angekündigt, Berufung gegen den Schuldspruch einlegen zu wollen.

dpa/ast/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Drama im Gerichtssaal und bei Netflix: US-Mordfall Murdaugh sorgt weltweit für Schlagzeilen . In: Legal Tribune Online, 06.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51233/ (abgerufen am: 09.06.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Ausland
    • Mord
    • Straftaten
    • USA
06.06.2023
Rechtsextremismus

Brandanschlag auf Asylbewerberwohnheim in Saarlouis:

Zweiter Tat­ver­däch­tiger fest­ge­nommen

In Koblenz läuft derzeit der Mordprozess wegen des Brandanschlags auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis vor mehr als 30 Jahren. Die Bundesanwaltschaft hat nun einen zweiten Verdächtigen festgenommen. Er soll den Haupttäter angespornt haben.

Artikel lesen
06.06.2023
Karriere

Small Talk mit Kilian Bälz, Spezialist für Recht im Nahen Osten:

"Ver­träge mache ich meis­tens mit Inge­nieuren"

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute erzählt Amereller-Partner Kilian Bälz, was schwierige Märkte ausmacht, warum deutsches Recht nicht zum Export taugt und wann Empathie wichtig ist.

Artikel lesen
08.06.2023
Medien

Springer versus Reichelt:

Vom Macht­miss­brauch zum Betrug?

Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin soll an diesem Freitag den Konflikt zwischen dem Axel-Springer-Verlag und Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt schlichten. Es geht um eine Millionensumme. Christian Rath sortiert die Lage.

Artikel lesen
08.06.2023
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

70 Jahre Bundesverwaltungsgericht:

Hier geht es gegen die Bun­des­re­pu­blik Deut­sch­land

Zu seinem 70. Geburtstag muss sich das BVerwG mit zahlreichen Beschleunigungsvorhaben und einem holprigen Geschichtsprojekt auseinandersetzen. Seine Rolle als Gericht, das die Durchsetzung von Grundrechten mitgestaltet, wird unterschätzt.

Artikel lesen
08.06.2023
Medien

Schertz Bergmann übernimmt Vertretung:

Till Lin­de­mann geht in den Angriffs­modus über

Mehrere Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann. Es geht um K.O.-Tropfen, Alkohol und sexuelle Handlungen. Der Sänger kündigt nun mit Schertz Bergmann Rechtsanwälten rechtliche Schritte wegen der Vorwürfe an.

Artikel lesen
07.06.2023
Diskriminierung

Diskriminierungsvorwurf in München:

Jura­fa­kultät der LMU dis­tan­ziert sich von Semina­ran­kün­di­gung

An der LMU sorgt eine Seminarankündigung zum Arbeitsrecht für Aufsehen. Die zu diskutierenden Rechtsfragen darin seien diskriminierend und herablassend formuliert worden. Nun distanziert sich das Professorium von den Passagen seines Kollegen.

Artikel lesen
TopJOBS
Rechts­an­wält*in­nen (m/w/d) im Be­reich Wirt­schafts­straf­recht (Whi­te Col­lar,...

CLIFFORD CHANCE Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Was ich als Be­rufs­ein­s­tei­ger über die Ar­beit ei­nes Ver­sor­gungs­wer­kes und...

Simmons & Simmons , Frank­furt am Main

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Düs­sel­dorf

Chief Pro­duct Ma­na­ger - di­gi­ta­les Pro­dukt­ma­na­ge­ment WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

PRAK­TI­KAN­TEN (M/​W/​D) AR­QIS SUM­MER SCHOOL 2023

ARQIS , Düs­sel­dorf

Stu­den­ti­sche Aus­hil­fen (w/m/d)

Johlke Niethammer & Partner , Ham­burg

Rich­ter:in­nen (w/m/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Voll­ju­rist:in­nen...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Fortbildung Miet- und Wohnungseigentumsrecht im Selbststudium/online

09.06.2023

Mediation Kompakt im Fernstudium/online

12.06.2023

Health & Law: Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen

12.06.2023, Berlin

Out & About - Ein Event mit unserem LGBTQ+-Netzwerk in Berlin

29.06.2023, Berlin

DRAFTING INTERNATIONAL CONTRACTS – ONE-DAY CRASH COURSE

27.06.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH