Arbeitnehmerinnen mit Menstruationsbeschwerden sollen in Spanien das Recht bekommen, zu Hause zu bleiben. Der Staat übernimmt das Gehalt. Wäre eine derartiger "Sonderurlaub" auch in Deutschland denkbar? Das BMAS sieht keine Notwendigkeit.
Spanien will Frauen künftig bei heftigen Regelbeschwerden per Gesetz von der Arbeit befreien. Die Kosten dafür soll der Staat übernehmen. Das sieht ein Gesetzentwurf der linken Regierung vor, der am Dienstag im Kabinett offiziell vorgestellt werden soll. Demnach sollen Spanierinnen das Recht bekommen, bei Regelschmerzen zu Hause zu bleiben - und zwar so lange, wie die Schmerzen andauern, wie das Ministerium am Montag auf Anfrage bestätigte. Um arbeitsfrei zu bekommen, muss eine betroffene Frau einen Arzt konsultieren.
Spanien wäre das erste Land in Europa mit einem derartigen Gesetz. Vergleichbare Regelungen gibt es zum Beispiel in Taiwan: Hier können Frauen in solchen Fällen aber nur drei Tage pro Jahr der Arbeit fernbleiben, und bekommen dann auch nur die Hälfte des Lohns. In Südkorea müssen Arbeitgeber ihren weiblichen Beschäftigten einen Tag im Monat frei geben, wenn sie den Anspruch geltend machen - wer die Kosten übernimmt und ob es trotzdem Lohn gibt, ist in dem Gesetz aber nicht geregelt.
Dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) sind konkrete politische Forderungen nach einem bezahlten "Menstruationsurlaub" in Deutschland nicht bekannt, wie es der LTO mitteilt. In Deutschland begründeten Menstruationsbeschwerden einer Arbeitnehmerin, die "über das übliche Maß hinausgehen" und so einen Krankheitswert haben, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsleistung nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausgeführt werden kann. Anders als in Spanien bestehe deshalb ab dem ersten Tag ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber, so eine Sprecherin.
Liegt eine Diskriminierung des Geschlechts vor?
Eine ähnliche Regelung wie in Spanien sei aber zumindest theoretisch denkbar, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. Eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts läge damit nach seiner Einschätzung nicht vor. "Denn die Idee dahinter wäre ja gerade, Ungerechtigkeiten aufgrund des Geschlechts zu beseitigen", erklärt der Experte. "Das könnte man also rechtssicher ausgestalten, wenn man es richtig macht."
Krankschreibungen sind in Deutschland so geregelt, dass ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die jeweilige Tätigkeit erklärt. "Der Arbeitgeber erfährt dann auch nicht, welche Beschwerde genau vorlag - da wäre die Frage, ob das nicht auch in dem Fall die bessere Lösung ist", sagt Bredereck.
Allerdings könnten häufige Krankheitsfälle laut geltender Rechtsprechung ein Kündigungsgrund sein - eine gesetzliche Regelung, die Menstruationsbeschwerden davon ausnimmt, wäre nach Ansicht des Anwalts also tatsächlich eine Verbesserung zugunsten von Arbeitnehmerinnen. "Und natürlich könnte eine solche Regelung auch mehr Bewusstsein schaffen für existierende Ungerechtigkeiten in diesem Zusammenhang."
"Grundlegende Änderung im deutschen System"
Für schwierig hält Bredereck allerdings die in Spanien vorgesehene Regelung, dass der Staat in solchen Fällen die Kosten übernimmt. Denn in Deutschland zahlt ja eigentlich bei Krankheit zunächst der Arbeitgeber weiter das Gehalt. "Das wäre in Deutschland tatsächlich eine grundlegende Änderung im System, das finde ich derzeit schwer vorstellbar."
In Spanien wurde die Gesetzesinitiative von der Gleichstellungsministerin Irene Montero vom kleineren linksalternativen Koalitionspartner Unidas Podemos vorangetrieben. Der Entwurf soll als Teil einer Neuregelung des Abtreibungsrechts eingebracht werden. Es erlaubt künftig Frauen ab 16 einen Schwangerschaftsabbruch auch ohne Einverständnis der Eltern.
Aus den Reihen der sozialistischen PSOE-Partei von Regierungschef Pedro Sánchez gab es Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf. So warnte das Wirtschaftsministerium von Nadia Calviño, die Regelung könne Frauen im Wettbewerb um Arbeitsplätze benachteiligen. Die Regierung werde niemals Maßnahmen ergreifen, die "Frauen stigmatisieren" könnten, betonte Calviño.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Gesetzentwurf in Spanien vorgestellt: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48475 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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