Facebook muss nicht aktiv nach einem manipulierten Merkel-Selfie eines Flüchtlings suchen und dieses löschen. Im einstweiligen Rechtsschutz verlor der Syrer. Doch das LG Würzburg macht Hoffnung auf die Hauptsache.
Das Landgericht (LG) Würzburg hat den Antrag des syrischen Flüchtlings Anas M. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Facebook zurückgewiesen (Urt. v. 07.03.2017, Az. 11 O 2338/16). Anas M. war auf Fotomontagen von einem Selfie, das ihn zusammen mit Merkel zeigt, fälschlich als Terrorist und Attentäter dargestellt, der Beitrag hundertfach auf Facebook geteilt worden.
Nun muss der 19-Jährige erst einmal weiterhin selbst verleumderische Beiträge gegen sich suchen und diese dem sozialen Netzwerk melden.
Nach Ansicht des LG kann Facebook sich auf das Hostprovider-Privileg berufen. Inwieweit das Portal dennoch bei einer extremen Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht erst für gemeldete rechtswidrige Inhalte haften könnte, sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht klärbar.
LG: Nicht Facebooks Inhalte
Facebook sei weder Täter noch Teilnehmer der Verleumdungen, begründete das LG die Zurückweisung des Antrags. Damit liege weder ein "Behaupten" noch ein "Verbreiten" durch Facebook selbst vor, sondern es handele sich, da das Netzwerk sich die Fotomontagen auch nicht zu Eigen gemacht habe, um fremde Inhalte der Nutzer des Portals.
Für solche fremden Inhalte sei Facebook als privilegierter Host-Provider erst nach Meldung und Kenntnis gemäß § 10 Telemediengesetz (TMG) verantwortlich. Die Kenntnis war zwar unstreitig, gestritten wurde aber darum, in welchem Umfang das Netzwerk tätig werden müsste. Nach § 10 TMG muss der Inhalt entweder entfernt oder der Zugang zu ihm gesperrt werden. Allerdings gilt das nur für das Bundesgebiet.
Nach der E-Commerce Richtlinie der EU sei ein Host-Provider nicht zur "proaktiven Suche" möglicher künftiger zu beanstandender Inhalte verpflichtet, erläuterte das Gericht. Für Oliver Löffel hat sich damit das Risiko eines zu weit gefassten, nämlich über die beanstandeten konkreten Inhalte im Bundesgebiet hinausgehenden Antrags verwirklicht. "Ein eng gefasster Verfügungsantrag hätte gute Chancen gehabt, und ein Verbot hätte auch kerngleiche Verletzungshandlungen erfasst", sagte der Düsseldorfer Anwalt mit Schwerpunkt Geistiges Eigentum und Internetrecht gegenüber LTO.
Der Flüchtling wollte aber nach Angaben seines Würzburger Anwalts, Chan-jo Jun, nicht nur die Löschung der gemeldeten, sondern auch anderer auf Facebook vorhandener Bilder erreichen. Auch künftige Bilder sollten nicht mehr verbreitet werden dürfen.
Für die Hauptsache: Wie weit geht Facebooks Löschpflicht?
Die Kammer deutete aber auch an, dass sich Facebook jedenfalls bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung, wie im Fall von Anas M. durch Verleumdung geschehen, unter Umständen nicht darauf berufen könne, dass der Verletzte jede einzelne Fundstelle nachweisen müsse, an der sich der beanstandete Inhalt weiterhin befinde. Das könnte für ihr unzumutbar sein.
Allerdings gehe der BGH von einer solche Verpflichtung nur dann aus, wenn diese technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar sei, so die Würzburger Richter. Diese Frage sei zwischen den Parteien streitig und letztlich in einem Eilverfahren nicht aufklärbar. Nach Angaben von Kläger-Anwalt Jun hatten die Facebook-Anwälte sich in der Verhandlung darauf berufen, dafür bräuchte es eine "Wundermaschine", während Jun eingewandt hatte, dass Facebook eine Technik, um identische und ähnliche Bilder aufzuspüren und zu sperren, längst verwende.
Ob es zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird, stand am Dienstagnachmittag zunächst nicht fest. Oliver Löffel würde es begrüßen, "wenn im Hauptsacheverfahren geklärt würde, wie weitgehend Facebook sachlich und örtlich löschen beziehungsweise sperren muss". Der Düsseldorfer Anwalt weist noch auf eine Besonderheit des Internetrechts hin: "Eine Hauptsacheklage könnte, sofern noch nicht geschehen, wegen des fliegenden Gerichtsstands auch bei einem in solchen Rechtsfragen besonders erfahrenen Gericht, zum Beispiel in Düsseldorf, Köln, Hamburg, München oder Frankfurt eingereicht werden".
Wo auch immer es stattfindet, das Hauptsacheverfahren würde ohne den Würzburger IT-Juristen Chan-jo Jun durchgeführt, der schon zuvor in Verfahren gegen Facebook verloren hatte. Der Anwalt legte in Absprache mit seiner Familie und nach Gewaltandrohungen gegen ihn im Rahmen des Verfahrens gegen Facebook das Mandat nieder.
Mit Materialien der dpa
Pia Lorenz, LG Würzburg zu verfälschtem Flüchtlings-Selfie mit Merkel: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22303 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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