Druckversion
Mittwoch, 19.11.2025, 12:04 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/commercial-courts-englisch-als-gerichtssprache-referentenentwurf-des-bmj
Fenster schließen
Artikel drucken
51627

BMJ legt Referentenentwurf vor: So sollen Com­mer­cial Courts in Deut­sch­land ein­ge­führt werden

von Luisa Berger

25.04.2023

Ein Containerschiff legt am Handelshafen an

Um internationale Wirtschaftsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten besser verhandeln zu können, hat das BMJ einen Referentenentwurf zur Einführung von Commercial Courts und Englisch als Gerichtssprache vorgelegt. Foto: Darunrat/Stock-adobe.com

Deutschland wurde in der Vergangenheit eher selten als Gerichtsstandort für internationale Streitigkeiten ausgewählt. Durch die Einführung von Commercial Courts und Englisch als Gerichtssprache soll sich das nun ändern. 

Anzeige

Für große Wirtschaftsstreitigkeiten bietet die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland aktuell nur eingeschränkt zeitgemäße Verfahrensmöglichkeiten an. In der Folge werden solche Streitigkeiten vermehrt in anderen Rechtsordnungen oder innerhalb der privaten Schiedsgerichtsbarkeit geführt. Das soll sich zukünftig ändern. Der Justiz- und Wirtschaftsstandort soll gestärkt und Deutschland wettbewerbsfähiger gemacht werden. Nachdem das Bundesjustizministerium im Januar ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgelegt hatte, folgte nun der Referentenentwurf.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärte dazu: "Bislang erschwert der dreistufige Instanzenzug zügige rechtskräftige Entscheidungen und es gibt nur begrenzte Möglichkeiten für eine Verhandlungsführung in englischer Sprache. Das wollen wir ändern: Mit einem an den Bedürfnissen der Parteien orientierten, schnellen und effizienten Gerichtsverfahren werden wir den Wettbewerb mit anerkannten ausländischen Wirtschafts- und Schiedsgerichten aufnehmen und den Justizstandort Deutschland auch international nachhaltig stärken."

Internationale Kammern an den Landes- und Oberlandesgerichten

Die Länder sollen an ausgewählten Landgerichten (LG) sogenannte Commercial Chambers einrichten können, vor denen bestimmte Wirtschaftsstreitigkeiten geführt werden können. Das Verfahren, einschließlich der Entscheidung, soll vollständig in englischer Sprache geführt werden. Voraussetzung ist, dass sich die Parteien auf die Verfahrenssprache Englisch einigen oder die beklagte Partei dem nicht widerspricht. An einzelnen Landgerichten gibt es bereits spezialisierte Kammern für Handelssachen, an denen auf Englisch verhandelt werden kann.

Für große privatrechtliche Wirtschaftsstreitigkeiten ab einem Streitwert von einer Million Euro sollen die Länder Commercial Courts bei ihren Oberlandesgerichten einrichten dürfen. Auch hier könnte das Verfahren dann vollständig in englischer Sprache stattfinden. Zudem sind weitere Maßnahmen vorgesehen, die für eine schnelle und effiziente Verhandlungsführung sorgen sollen: Die Commercial Courts sollen mit spezialisierten Richterinnen und Richtern besetzt werden, die über sehr gute Sprachkompetenzen verfügen und Zugriff auf moderne technische Ausstattung in den Gerichten haben. Zudem ist unter anderem ein frühzeitiger Organisationstermin vorgesehen, um den Sach- und Streitstoff zu systematisieren, abzuschichten und um Vereinbarungen zu einem Verfahrensfahrplan zu treffen.

Der BGH darf über die Gerichtssprache entscheiden

Gegen eine erstinstanzliche Entscheidung der Commercial Courts soll die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) stets zulässig sein. Eine umfassende Verfahrensführung in englischer Sprache soll auch in der Revision möglich sein. Allerdings räumt das BMJ dem BGH hier ein Wahlrecht ein: der zuständige Senat muss der Verfahrenssprache Englisch zustimmen. Diese Regelung könnte zu einem Wechsel der Verfahrenssprache von Englisch auf Deutsch führen. Das macht die internationalen Spruchkörper unattraktiver, findet Julia Flockermann, Vorsitzende Richterin einer internationalen Kammer am Landgericht Berlin. Auch Dr. Martin Plum (MdB), zuständiger Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sieht darin eine Schwachstelle des Referentenentwurfs. 

Die englischsprachigen Entscheidungen der Commercial Chambers, der Commercial Courts und des BGH sollen in die deutsche Sprache übersetzt und veröffentlicht werden. Dies ermöglicht die Vollstreckung und unterstützt die Rechtsfortbildung. Zudem sollen die Verfahrensregelungen nach dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GeschGehG) auf den gesamten Zivilprozess ausgeweitet werden. Künftig soll der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bereits auf den Zeitpunkt der Klageerhebung vorverlegt werden. Die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen sollen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht genutzt oder offengelegt werden dürfen. 

Zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten hat das BMJ bereits einen Referentenentwurf vorgelegt. Damit sollen insbesondere die bereits bestehenden zivilprozessualen Möglichkeiten zur Durchführung von Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen flexibilisiert und erweitert werden. Auch in Verfahren vor den Commercial Chambers oder Courts kann Videokonferenztechnik künftig verstärkt eingesetzt werden.

Geht der Entwurf nicht weit genug?

Laut dem BMJ werden insbesondere Unternehmen mit starker Exportorientierung von den Neuerungen profitieren. Mit dem Referentenentwurf werde ein an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiertes, schnelles, effizientes und attraktives Gerichtsverfahren angeboten. Zugleich soll der Gerichtsstandort Deutschland dadurch auch international an Anerkennung und Sichtbarkeit gewinnen und die notwendige Rechtsfortbildung im Bereich des Wirtschaftszivilrechts gestärkt werden.

Die Vorteile von Commercial Courts und der Nachholbedarf der deutschen Gerichte in diesem Bereich waren bereits seit geraumer Zeit bekannt. Entsprechend positiv wurde der Referentenentwurf des BMJ nun aufgenommen. Frank J. Bernardi, Praxisgruppenleiter "Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit" und "Vertriebsrecht" bei Rödl & Partner, begrüßt den Entwurf des BMJ. Allerdings bleibe das Problem, dass auch Urteile deutscher Commercial Courts in der Sache deutsche Urteile darstellen, die international nur eingeschränkt vollstreckbar sind. "Der zweite Schritt, die Schaffung der Vollstreckbarkeit, muß also auch gegangen werden." 

Außerdem sieht der Entwurf keine Reform der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr vor. Eine solche sei aber dringend notwendig, so Dr. Martin Plum. "Das deutsche Recht ist aufgrund der geltenden Regeln für international agierende Unternehmen heute kaum attraktiv." 

Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände versendet. Diese haben nun Gelegenheit, bis zum 2. Juni 2023 Stellung zu nehmen.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BMJ legt Referentenentwurf vor: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51627 (abgerufen am: 19.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Bundesjustizministerium
    • Gerichte
    • Schiedsgerichtsbarkeit
    • Zivilprozess
Logo, Schriftzug Europäischer Gerichtshof EuGH, Gerichtshof der Europäischen Union. 14.11.2025
Anwaltsblatt

BMJV zum Fremdkapitalverbot für Anwaltskanzleien:

"Weiter Beur­tei­lungs­spiel­raum für den Gesetz­geber"

Der EuGH hält das Beteiligungsverbot reiner Finanzinvestoren an Rechtsanwaltsgesellschaften für gerechtfertigt, um anwaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Was folgt daraus? 

Artikel lesen
Vorstellung der Pläne der NRW-Justiz für die Arbeitsgerichtsbarkeit 12.11.2025
Gerichte

Limbach stellt Reformpläne vor:

So sollen die NRW-Arbeits­ge­richte zusam­men­ge­legt werden

Justizminister Limbach hat die Pläne für die Arbeitsgerichte in NRW vorgestellt. Er will größere Einheiten an 17 statt bisher 33 Standorten der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte. Das LAG in Köln soll wegfallen.

Artikel lesen
Autokauf 12.11.2025
Wucher

OLG Karlsruhe weicht vom OLG München ab:

Ehe­paar ist nach "Sale and rent back"-Wucher 50.000 Euro rei­cher

Autos von Menschen, die Geld brauchen, kaufen und diese gleich an sie zurückvermieten: Die "Sale and rent back"-Masche sorgt für Kontroversen. Weil ein Unternehmer dabei Wucher walten ließ, machte er in diesem Fall jetzt ein dickes Minus.

Artikel lesen
Das Justizzentrum in Gelsenkirchen. 10.11.2025
Gerichte

"Strukturreform" des Justizministeriums in NRW:

16 von 30 Stand­orten der Arbeits­ge­richts­bar­keit sollen weg­fallen

Dem Vernehmen nach sollen nach dem NRW-Justizminister nur 14 der 30 Standorte der Arbeitsgerichtsbarkeit bleiben. Mehrere Gerichte und zwei der drei LAG-Bezirke sollen zusammengelegt werden. In Gelsenkirchen hat sich Widerstand formiert.

Artikel lesen
Constanze Geiert (CDU, Justizministerin von Sachsen, und Stefanie Hubig (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, bei der JuMiKo in Leipzig. 07.11.2025
Justiz

Beschlüsse der 96. JuMiKo:

Jus­tiz­mi­nister lassen Anwälte auf­atmen

Auf ihrer Herbsttagung haben die Justizminister den Vorschlag Bayerns abgelehnt, zugunsten von Rechtsschutzversicherern das RDG zu ändern und ihnen die Rechtsberatung zu erlauben. Ansonsten aber einigten sie sich auf diverse Beschlüsse.  

Artikel lesen
Logo und Schriftzug Friedrich-Ebert-Stiftung e. V 31.10.2025
Rechtsstaat

Ausgaben für die Justiz:

Deut­sch­land liegt im euro­päi­schen Mit­tel­feld

Wie viel Geld geben die Bundesländer für ihre Justiz aus? Eine neue Studie des ifo-Instituts zeigt: Deutschland liegt im europäischen Mittelfeld, ist aber undynamisch: Wirklich planvoll und mit Konzept wird die Justiz nicht finanziert.

Artikel lesen
lto karriere logo

Deine Karriere beginnt hier.

Registrieren und nie wieder einen Top-Job verpassen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Deutsches Anwaltsinstitut e.V.
Re­fe­rent:in der Ge­schäfts­füh­rung (m/w/d)

Deutsches Anwaltsinstitut e.V. , Bochum

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von ARQIS
Re­fe­ren­dar (m/w/d) Re­gu­lato­ry

ARQIS , Düs­sel­dorf

Logo von DFH Gruppe
Voll­ju­ris­ten/Syn­di­kus­rechts­an­walt (m/w/d) für den Be­reich Pri­va­tes...

DFH Gruppe , Sim­mern

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Mün­chen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Mün­chen

Logo von ENERTRAG SE
Rechts­re­fe­ren­dar (m/w/d) - Ber­lin/Dau­er­thal

ENERTRAG SE , Ber­lin

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Ber­lin

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Flick Gocke Schaumburg
MeeT Our Advisors - Hamburg

19.11.2025, Hamburg

Aktuelles Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht

19.11.2025

Logo von Flick Gocke Schaumburg
Meet Our Lawyers Bonn - Transaktionen / M&A

24.11.2025, Bonn

Logo von Fachseminare von Fürstenberg
Die RVG-Reform 2025 in der Praxis – mit Norbert Schneider

19.11.2025

Handlungsoptionen zur Betriebsratswahl

20.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH