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BGH zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern: Nüß­lein und Sauter können Geld aus Mas­ken­af­färe behalten

12.07.2022

Der CSU-Politiker und Rechtsanwalt Alfred Sauter verlässt die Sitzung des Maskenausschusses im bayerischen Landtag.

Für die sog. Maskenaffäre musste sich der bayerische Ex-Justizminster und Rechtsanwalt Alfred Sauter auch vor dem Maskenausschuss im bayerischen Landtag verantworten. Foto: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Der Ex-Bundestagsabgeordnete Nüßlein und der bayerische Ex-Justizminister Sauter sollen bei der Vermittlung von Maskenkäufen sehr viel Geld verdient haben – und das können sie nun behalten. Der BGH sieht keine Bestechlichkeit.

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Der Ex-CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein und der bayerische Ex-Justizminister Alfred Sauter können das Geld, das sie mutmaßlich aus Geschäften mit Schutzmasken in der Corona-Pandemie verdient haben, wohl behalten. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte mehrere Beschlüsse des Oberlandesgerichts (OLG) München, das im Ermittlungsverfahren insbesondere Haft- und Vermögensarrestanordnungen aufgehoben hatte. Wie das OLG sieht der BGH den Tatbestand der Bestechlichkeit von Mandatsträgern nicht als erfüllt an (Beschl. v. 05.07.2022, Az. StB 7-9/22).

Der BGH ging dabei von folgender Verdachtslage aus: Nüßlein und Sauter sollen für die Vermittlung von Corona-Maskengeschäften im Jahr 2020 viel Geld bekommen haben, Nüßlein 660.000 Euro, Sauter sogar um die 1,2 Millionen Euro. Zwei Privatunternehmer, von denen einer ebenfalls beschuldigt wird, wollten den Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren zufolge Anfang März 2020 gewinnbringend Schutzausrüstung zur Eindämmung der Corona-Pandemie an Bundes- und Landesbehörden verkaufen.

Der mitbeschuldigte Privatunternehmer sei dazu an Nüßlein und Sauter herangetreten und habe ihnen angetragen, gegen Entgelt ihre Autorität und ihren Einfluss als Abgeordnete einzusetzen, damit die Behörden die Waren seines Unternehmens erwerben. Nüßlein und Sauter hätten sich damit einverstanden erklärt. In der Folge seien sie mit Entscheidungsträgern verschiedener Bundes- und Landesbehörden in Verbindung getreten und hätten auf den Abschluss von Kaufverträgen über Masken hingewirkt und dafür eine Entlohnung bekommen. Nüßlein sei gegenüber den Behörden mit dem Kürzel "MdB" (Mitglied des Bundestags) und als stellvertretender Vorsitzender einer der Bundestagsfraktionen aufgetreten, Sauter habe zumindest ab und zu das entsprechende Kürzel "MdL" (Mitglied des Landtags) verwendet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte deshalb ein Ermittlungsverfahren gegen Nüßlein, Sauter und den Unternehmer eingeleitet. Grundlage ist § 108e des Strafgesetzbuchs (StGB) - Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern.

Keine Strafe für außerparlamentarische Handlungen

Alle drei hatten sich dann vor dem OLG München gegen in der Folge des Ermittlungsverfahrens angeordnete Durchsuchungsbeschlüsse und Vermögensarreste gewehrt. Der Privatunternehmer legte zudem Beschwerde gegen einen Haftbefehl ein, der zwischenzeitlich aber bereits außer Vollzug gesetzt worden war. Diesen Beschwerden gaben drei verschiedene OLG-Senate weitgehend statt.

Der BGH bestätigte nun die Auffassung des OLG. Das Nüßlein und Sauter vorgeworfene Verhalten sei keine Bestechlichkeit von Abgeordneten nach § 108e Abs. 1 StGB und das des ebenso beschuldigten Privatunternehmer sei keine Bestechung von Abgeordneten gewesen. Die Tatbestände setzten nämlich voraus, dass das Parlamentsmitglied eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung "bei Wahrnehmung seines Mandates" vornimmt oder unterlässt. Es komme auf das Wirken im Parlament an, also im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen. Es genüge nicht, wenn sich ein Mandatsträger bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status beruft oder seine als Parlamentsmitglied geknüpften Beziehungen ausnutzt, wie Nüßlein und Sauter es aber dem Verdacht nach getan hätten.

Sache des Gesetzgebers - nicht der Gerichte

Der BGH begründet diese Auslegung vor allem mit dem Sinn und Zweck der Strafnorm. Die Gesetzesmaterialen seien dahingehend zu verstehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen habe, rein außerparlamentarische Betätigungen des Mandatsträgers zu erfassen. Das zu ändern sei allein Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte - selbst, wenn die hier zu beurteilenden Handlungen ähnlich strafwürdig erscheinen mögen, wie das vom Gesetz erfasste und damit strafbare Verhalten. Der Beschluss des BGH ist rechtskräftig - und die Beschuldigten können die Provisionen also vorerst behalten.

Die Staatsanwaltschaft könnte nun dennoch Anklage erheben, darüber müsste dann erneut das OLG München entscheiden. Da sowohl das OLG wie auch der BGH aber bereits seine Rechtsauffassungen nun schon im Zuge des Ermittlungsverfahrens ausführlich darlegten, ist das unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist es, dass das Ermittlungsverfahren nun beendet wird.

Nüßlein, der einst für die CSU im Bundestag saß, trat in Folge der Affäre aus der CSU aus, der Landtagsabgeordnete Sauter aus der Fraktion. Sauter gab überdies alle Parteiämter ab, insbesondere seine Sitze in CSU-Vorstand und -Präsidium sowie den CSU-Kreisvorsitz Günzburg.

Die politische Aufarbeitung der Masken-Beschaffung geht jedoch weiter. Im bayerischen arbeitet ein Untersuchungsausschuss in der Sache. Sauter und Nüßlein haben sich im Ausschuss bislang nicht geäußert. Im Bundestag gibt es keinen Untersuchungsausschuss in der Angelegenheit.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

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BGH zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern: Nüßlein und Sauter können Geld aus Maskenaffäre behalten . In: Legal Tribune Online, 12.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49023/ (abgerufen am: 09.02.2023 )

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