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Auch bei geringen Abweichungen: BGH erlaubt pri­vaten Kran­ken­ver­si­che­rern Prä­mi­e­n­an­pas­sung

31.07.2023

Gespräch mit Arzt

Mit der Anpassungsklausel sollen auch große Prämiensprünge vermieden werden. Das komme dem Versicherten zugute, so der BGH. Foto: Jeni/stock.adobe.com

Lange hat sich der Streit hingezogen, nun hat der BGH entschieden: Weicht die tatsächliche von der kalkulierten Prämie ab, dürfen private Krankenversicherer sie anpassen – auch dann, wenn die Abweichung unter zehn Prozent liegt.

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Während Versicherte bei gesetzlichen Krankenkassen Beiträge zahlen, zahlen privat Versicherte Prämien. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung ist in der privaten Krankenversicherung die Prämienhöhe vom Umfang der versicherten Leistungen und vom individuellen versicherten Risiko abhängig. Die Berechnung des Beitrages erfolgt bei Abschluss der Versicherung und soll möglichst konstant bleiben.

Weichen die tatsächlichen Leistungen einer privaten Krankenversicherung von der Kalkulation – etwa wegen allgemein steigender Kosten für medizinische Behandlungen – ab, darf sich das Unternehmen eine Anpassung der Prämien vorbehalten. Das gilt auch, wenn die Abweichung weniger als zehn Prozent im Jahr beträgt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit am Montag veröffentlichtem Urteil (v. 12.07.2023, Az. IV ZR 347/22).

In dem gegenständlichen Vertag einer Kranken- und Pflegeversicherung hieß es zur Beitragsanpassung, dass sich Leistungen zum Beispiel wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern könnten. Der Versicherer vergleiche zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten.

§ 203 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) i.V.m. § 155 Abs. 3 S. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht vor, dass Versicherer Tarife anpassen, wenn von einer längerfristigen Abweichung um mehr als zehn Prozent auszugehen ist. Nach dem hier vorliegenden Vertrag hingegen war das schon ab einer Abweichung von mehr als fünf Prozent möglich, wenn auch nicht zwingend. Das hielt ein Versicherter für unwirksam und zog vor Gericht. Der BGH gab aber nun der Versicherung Recht.

BGH: Klausel wirkt auch zugunsten des Versicherungsnehmers 

Nach Ansicht der Karlsruher Richter und Richterinnen ist die Klausel wirksam. Sie verstoße nicht gegen das Abweichungsverbot des § 208 S. 1 VVG, denn sie weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in § 203 Abs. 2 VVG i.V.m. § 155 Abs. 3 S. 2 VAG ab. Diese erlaube die Festsetzung eines zusätzlichen Schwellenwerts – neben der gesetzlichen Zehn-Prozent-Grenze – in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, bei dessen Überschreitung der Versicherer zu einer Prämienanpassung berechtigt, aber noch nicht verpflichtet werde.

Das ergebe sich maßgeblich aus dem Willen des Gesetzgebers. Danach solle § 155 Abs. 3 S. 2 VAG als Öffnungsklausel wirken, die den Versicherer berechtige, bereits unterhalb der Schwelle zur zwingenden Prämienanpassung eine Überprüfung und Neukalkulation der Prämien vorzunehmen, ohne ihn insoweit zu verpflichten. Damit sollten auch große Prämiensprünge vermieden werden, so das Gericht.

Die Klausel benachteilige den Versicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, stellten die Richter außerdem fest. Denn die Prämien könnten in beide 
Richtungen angepasst, also erhöht oder gesenkt werden. Außerdem existiere das Prämienanpassungsrecht des Versicherers vorrangig, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge zu gewährleisten. In diesem Sinne diene die Berechtigung zur Anpassung nicht der Durchsetzung eigener Interessen des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers, sondern auch den Belangen der Versichertengemeinschaft.

Insbesondere sei auch die Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln anderer Vertragstypen nicht übertragbar. Die hier gegenständliche Klausel sehe kein einseitiges Recht des Versicherers vor, Kostensteigerungen oder Zinsentwicklungen "nach billigem Ermessen" an den Versicherungsnehmer weiterzugeben, so der BGH.

Das Oberlandgericht Rostock muss nun neu verhandeln.

pab/LTO-Redaktion

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Auch bei geringen Abweichungen: . In: Legal Tribune Online, 31.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52384 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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