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München geht gegen Blockadeaktionen vor: 33 Kli­maak­ti­visten in län­ger­fris­tigem Gewahrsam

14.11.2022

Eine Demonstrantin in München am 13.11.2022

Hunderte demonstrierten am Sonntag in München gegen den Präventivgewahrsam der Klimaaktivist:innen in Bayern. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar

Söder macht Werbung für eine harte Linie gegen Klimaaktivisten. München macht vor, was er damit meint. Für bis zu 30 Tage werden Aktivisten dort von der Polizei in Gewahrsam genommen. In Berlin sind es hingegen maximal 48 Stunden.

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Die bayerische Polizei hat seit Ende Oktober 33 Klimaaktivisten in längerfristigen Gewahrsam genommen. 17 davon befanden sich zuletzt – Stand Freitag – immer noch nicht wieder auf freiem Fuß. Gegen diese Personen seien Gewahrsamnahmen bis Montag (14. November) oder 2. Dezember, also von bis zu 30 Tagen richterlich angeordnet worden, wie das Amtsgericht München in einer Pressemitteilung bekanntgab. Die anderen Personen seien jeweils nach vier bis sieben Tagen wieder entlassen worden, eine Person bereits am darauffolgenden Tag.

Zuletzt hatten sich wiederholt junge Leute in der Münchner Innenstadt aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Klimapolitik auf der Straße festgeklebt und wurden daraufhin in Gewahrsam genommen. Die Möglichkeit dafür bietet das seit langem umstrittene bayerische Polizeiaufgabengesetz: Nach Art. 17 können Menschen bis zu einen Monat lang – mit der Möglichkeit einer einmonatigen Verlängerung – in Gewahrsam genommen werden, um die Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit "von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit" oder einer Straftat zu verhindern.

Erforderlich ist nach Art. 18 in Verbindung mit Art. 97, 98 eine unverzügliche richterliche Entscheidung, in der über Zulässigkeit und Dauer der Freiheitsentziehung entschieden wird. Vor dieser Entscheidung höre man alle Klimaaktivisten an, berichtet das Amtsgericht, und bestellt ihnen anwaltliche Vertreter, soweit sie noch keine haben. Die Verfahren finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Einzelheiten zu den jeweiligen Verfahren sind daher nicht bekannt.

Demonstrationen gegen den Präventivgewahrsam

Ein breites Bündnis hat am Sonntag zu einer Demonstration aufgerufen – alle Beteiligten fordern die sofortige Abschaffung des Präventivgewahrsams. Nach ersten Angaben der Polizei folgten etwa 600 Menschen dem Aufruf und demonstrierten lautstark für die Freilassung der Klimaaktivist:innen. "Sie setzen sich für den Schutz unserer Lebensgrundlagen ein und werden dafür willkürlich weggesperrt. Währenddessen zerstören Staat und Konzerne weiterhin ohne jegliche Strafe unseren Planeten", sagte einer der Sprecher des Organisationsbündnisses, Hagen Pfaff.

Die bayerische Staatsregierung hatte die Möglichkeit, die Klimaaktivist:innen einen Monat lang präventiv in Gewahrsam zu nehmen, zuletzt als Akt einer wehrhaften Demokratie verteidigt. "Präventivmaßnahmen sind notwendig, um Straftaten, die angekündigt werden, die offenkundig kurz bevorstehen, zu verhindern", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstag. Gleiches gelte, wenn eine offenkundige Wiederholungsgefahr gegeben sei. Und von diesen Möglichkeiten, die das bayerische Polizeiaufgabengesetz biete, mache der Rechtsstaat eben Gebrauch: "Eine wehrhafte Demokratie lässt sich halt auch nicht auf der Nase herumtanzen." Markus Söder wirbt für dieses Vorgehen auch auf Bundesebene, er fordert "in ganz Deutschland eine klare Linie".

Vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind nach wie vor mehrere Klagen anhängig, die sich auch gegen den Präventivgewahrsam richten.

Und am anderen Ende: Berlin

Auch Berlin wird für seinen Umgang mit Klimaaktivisten kritisiert. Allerdings für das Gegenteil. Welt-Redakteur und Jurist Constantin van Lijnden schreibt in einem aktuellen Artikel: "Die Regelung zur Präventivhaft im Berliner Polizeigesetz ist so restriktiv, wie die bayerische großzügig ist." Polizeigewahrsam erlaube sie selbst mit Gerichtsbeschluss für maximal 48 Stunden – das ist die Grenze, bis zu der das Grundgesetz ihn auch ohne zulasse. Selbst dieser kurze Zeitraum werde allerdings nie ausgeschöpft: Von 328 entsprechenden Anträgen, darunter 209 gegen Wiederholungstäter, die bereits bis zu 27 Mal aufgegriffen worden waren, hätten die Berliner Gerichte gerade einmal 50 bewilligt – und auch dann für maximal 24 Stunden. Diese überaus restriktive Anwendung des seinerseits überaus restriktiven Landesrechts dürfte einer der Gründe dafür sein, dass gerade Berlin sich zum Epizentrum entsprechender Aktionen entwickelt hat, so Constantin van Lijnden.

 

ast/fz/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa

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München geht gegen Blockadeaktionen vor: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50161 (abgerufen am: 14.06.2025 )

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