Über fünf Millionen Euro Anwaltskosten nennt auch er einen "substanziellen Betrag". Aber der DFB wusste, wofür er den bezahlt, erklärt Christian Duve. Und erzählt, wie er mit 42 Anwälten das deutsche Sommermärchen aufarbeitete.
LTO: Sie haben dem Deutschen Fußballbund (DFB) für Ihre Untersuchung der Finanzierung und Vergabe die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland nun die gesamte Honorarabrechnung präsentiert, nach eigenen Angaben muss der Verband neben den bereits im Kalenderjahr 2015 gezahlten 2,21 Millionen Euro netto weitere 2,9 Millionen Euro netto aufwenden. Herr Professor Duve, war von Anfang an klar, dass das Freshfields-Mandat so kostspielig werden würde für den DFB?
Duve: Denken Sie an den Zeitpunkt im vergangenen Oktober zurück, als die Vorwürfe gegen den DFB bekannt wurden. Damals stand die Reputation der Organisation und führender Vertreter des DFB in Frage. Die Öffentlichkeit forderte von dem Verband eine umfassende Aufklärung. Diesen Forderungen hat der DFB durch die Einleitung einer unabhängigen Untersuchung entsprochen. Und er war auch bereit, dafür einen substanziellen Betrag zu zahlen.
Mehr als 30 Gespräche von Niersbach bis Beckenbauer
LTO: Wie muss man sich eine solche Korruptionsuntersuchung vorstellen? Werten Sie "nur" Akten aus oder führen Sie Interviews? Wie viele Personen waren beteiligt? Wie zeitaufwändig ist ein solcher Einsatz?
Duve: Mit einem Team aus 42 Anwälten haben wir auf der Basis des umfassenden Prüfauftrags 740 Aktenordner und 128.000 Mails ausgewertet. Daneben haben wir natürlich auch einige Interviews geführt.
Insgesamt waren es mehr als dreißig Gespräche, insbesondere mit Personen, die sich maßgeblich für die WM-Bewerbung und Organisation eingesetzt haben. Dazu gehörten zum Beispiel der damalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ebenso wie sein Vorgänger Theo Zwanziger, aber auch Franz Beckenbauer und Günter Netzer.
Projektmanagement, wirtschaftliches Know-How & detektivischer Ehrgeiz
LTO: Warum haben Sie die Federführung übernommen? Und wie stellt man das Team für ein solches Mega-Mandat zusammen, an dem doch sicherlich viele Kollegen mitarbeiten wollten. Welche Qualifikationen waren dafür nötig?
Duve: Wir haben das Team so zusammengestellt, dass wir dort, soweit möglich, sämtliche relevanten Kenntnisse und Erfahrungen zusammenführen. Dazu gehörten zum Beispiel die Expertise für die Auswertung von Daten und das Projektmanagement ebenso wie Kenntnisse über die Verbuchung von Zahlungen, Angaben in Jahresabschlüssen oder Steuererklärungen oder auch die Einordnung von Vertragstypen.
Wichtig waren aber auch etwas detektivischer Ehrgeiz sowie das gemeinsame Aufspüren und Verfolgen von Tatsachen. Neben vielen, die eigentlich erwähnt werden müssten, haben meine Freshfields-Partner Martina de Lind van Wijngaarden und Ulf Johannemann maßgeblich dazu beigetragen, dass das Team hervorragend zusammengewirkt hat.
Für meinen Beitrag waren die Erfahrung in der Aufklärung komplexer Sachverhalte, die Koordination der Untersuchungs-Aktivitäten unserer Sozietät in Deutschland in den vergangenen Jahren wie auch meine Erfahrungen aus der Fußball-Branche und der Sportschiedsgerichtsbarkeit hilfreich.
2/2: "Solche Untersuchungen gehören zur Unternehmensrealität"
LTO: Haben Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung (Bericht auf DFB-Seite) als befriedigend empfunden?
Duve: Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Wenn Sie zum Beispiel an den von Franz Beckenbauer und Jack Warner unterzeichneten Vertrag denken, ist vieles von dem, was sich klären ließ, ja bereits während unserer Untersuchung bekannt geworden. Wir haben den Zahlungsfluss, in den die Zahlung von 6,7 Millionen Euro eingebettet war, aufgeklärt und konnten darlegen, auf welchem Weg und zu welchem Zeitpunkt der Betrag zu einem Unternehmen in Katar gelangte. Dass wir die Zahlung so würden einordnen können, hatte noch kurz vor der Präsentation unseres Berichts niemand erwartet. Und ich bin zuversichtlich, dass auch das bislang noch nicht belegbare Motiv für den Transfer sich im Laufe der Zeit feststellen lassen wird.
Wichtig ist aber auch die Katalysator-Wirkung der Untersuchung. Sie zeigt sich darin, dass der DFB selbst Veränderungsprozesse angestoßen hat, und zwar nicht nur in personeller Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Governance und Transparenz.
LTO: Gehören solche Aufklärungseinsätze mittlerweile zum Standard in der - anwaltlichen –Arbeit? Oder ist das auch für Freshfields noch eher unbekanntes Gebiet, in das man sich einarbeiten muss?
Duve: Die Aufklärung komplexer Sachverhalte stand stets im Zentrum unserer forensischen Tätigkeit. Unsere kartellrechtlichen Kollegen haben auch schon seit langem Untersuchungen in Verdachtsfällen durchgeführt. In den letzten 10 Jahren haben sich die Untersuchungen durch Kanzleien nach und nach in so unterschiedlichen Feldern wie z.B. Korruption, Manipulation von Finanz-Indizes, falschen Bilanzangaben oder Verfehlungen von Vorständen oder Aufsichtsräten ausgebreitet. Heute gehören diese Untersuchungen zur Unternehmensrealität - und damit auch zu unserer üblichen Tätigkeit.
"Auch nach diesem Mandat noch Freude am Fußball"
LTO: Was macht ein solches Mandat mit Ihnen persönlich? Ist es möglich, selbst beim den Deutschen so lieb gewordenen "Sommermärchen" immer die professionelle Distanz zu wahren?
Duve: Ich habe in verschiedenen Funktionen, als Anwalt, Schiedsrichter, Vermittler oder Ermittler, immer wieder zwischen Fakten und Wertungen, sachlichen Erwägungen und emotionalen Einflüssen unterschieden. Daher fiel es mir auch in diesem Mandat nicht schwer, die professionelle Distanz zu wahren. Und die Freude am Fußball haben auch die Erfahrungen aus diesem Mandat nicht getrübt. Jedenfalls werde ich für die Euro sicher unserer Mannschaft die Daumen drücken!
Prof. Dr. Christian Duve ist Partner im Bereich Konfliktlösung im Frankfurter Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Er ist regelmäßig als Vermittler und Schiedsrichter tätig, u.a. bis 2014 in Schiedsverfahren am Court of Arbitration (CAS) in Lausanne.
Die Fragen stellte Pia Lorenz.
Pia Lorenz, Leiter der Freshfields-Untersuchung zur WM 2006: "Der DFB hat sich seitdem verändert" . In: Legal Tribune Online, 07.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19569/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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