Nur für Bestellungen bis Ende September garantiert die BNotK, dass die beA-Karte bis zum Jahresende geliefert wird. Für Notare und Behörden gibt es weniger Neues, die Anwälte aber haben auch sonst noch viel zu tun.
Von den rund 165.000 Rechtsanwälten in Deutschland haben bereits etwa 103.000 die Signatur-Karte für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei der mit der Auslieferung beauftragten Bundesnotarkammer (BNotK) bestellt. Mit dieser Zahl zeigte sich Julia von Seltmann, Mitglied der Geschäftsführung bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und mit der Umsetzung des Postfachs betraut, am Donnerstag in Saarbrücken sehr zufrieden.
Dennoch schwirrte beim 26. EDV-Gerichtstag ein Datum durch die Räume: Wer nicht bis zum 30. September bei der BNotK bestellt, dem wird eine Lieferung bis Jahresende von der Zertifizierungsstelle der BNotK nicht mehr garantiert. Dabei sind die Anwälte - nach einigem Hin und Her - ab dem 1. Januar 2018 verpflichtet, Schriftstücke über das Postfach zumindest entgegen zu nehmen und damit gegen sich gelten zu lassen. Diese sog. passive Nutzungspflicht wandelt sich spätestens bis zum 1. Januar 2022 in eine aktive um. Zu diesem Zeitpunkt muss der gesamte elektronische Rechtsverkehr umgestellt sein, so dass mit Behörden und Gerichten ausschließlich elektronisch kommuniziert werden kann.
Weniger problematisch ist das für die Notare. Die Berufsgruppe ist nicht nur kleiner und weniger inhomogen als die Anwaltschaft, sondern kommuniziert auch bereits seit 2007 über den EGVP-Client. Für die Behörden ist das Wie der Verpflichtung, sicher elektronisch zu kommunizieren, gar nicht erst so wie für Anwälte und Notare konkretisiert, sie können auch per DE-Mail kommunizieren - auch wenn die Bund-Länder-Kommission IT das nicht unbedingt für die erste Wahl hält.
BeA: Nicht erst zwischen Weihnachten und Neujahr in Betrieb nehmen
Eine solche Wahl haben die Anwälte ab dem 1. Januar 2018 nicht mehr. Vor diesem Hintergrund zeigte sich BRAK-Geschäftsführerin von Seltmann über eine andere Zahl weit weniger erfreut: In Betrieb genommen haben das Postfach erst insgesamt rund 30.000 Advokaten. Auch wenn von Seltmann nur die Hoffnung aussprach, dass der Rest der Anwaltschaft "sich nicht erst zwischen Weihnachten und Neujahr mit der Inbetriebnahme beschäftigt", liegt die Frage auf der Hand, ob das System eine solche Auslastung überhaupt aushalten würde.
Insgesamt zeigte von Seltmann sich mit dem bisher Erreichten aber zufrieden und für das noch Geplante vorsichtig optimistisch. Schon länger sei der Versand von Nachrichten an mehrere Empfänger möglich und die Anwälte könnten ihr Postfach auch statistisch auswerten. Mit dem letzten Update sei vor wenigen Tagen die Verwendung einer Signatur möglich geworden, die trotz eines Bugs nutzbar sei.
Bis Ende des Jahres sollen, wenn alles plangemäß läuft, die Postfächer für die Syndikusanwälte zur Verfügung gestellt werden. Den eigentlich für Oktober geplanten Termin habe die BRAK nicht halten können, weil der Gesetzgeber laut von Seltmann "dazwischen gefunkt" und sie gezwungen habe, vom Prinzip "ein Postfach pro Nase" abzuweichen. Die Syndikusrechtsanwälte können einen oder mehrere Arbeitgeber haben und zudem selbständig tätig sein. Noch keine Lösung gebe es bislang mangels gesetzlicher Grundlage für Kanzlei-Postfächer für die Anwalts-GmbHs.
Kanzlei-Software-Hersteller wollen pünktlich fertig werden
In gleich zwei Richtungen warb von Seltmann um Teamarbeit. In der Zusammenarbeit mit den Herstellern von Kanzlei-Software habe es gehakt, räumte sie ein. Diese hatten sich lange beschwert, gar nicht oder erst viel zu spät die Möglichkeit zu bekommen, das beA mit ihren Produkten zu verbinden.
Einige Anbieter sind schon recht weit, andere programmieren erst noch. Die Vorsitzende des Software-Industrie-Verbands Elektronischer Rechtsverkehr (SIV-ERV), Sabine Ecker, wies darauf hin, dass der Aufwand auch davon abhänge, wie viel "Luxus" man den Anwendern zur Verfügung stellen will. Sie zeigte sich aber optimistisch, dass zum Jahresende - und damit pünktlich zum verpflichtenden Start von beA - fast alle Hersteller eine Anbindung zum beA zur Verfügung stellen würden. Von Seltmmann betonte ihre Überzeugung, dass man das Projekt im konstruktiven Austausch gemeinsam hinbekommen werde, "im Interesse der Kollegen, die das brauchen".
Auch an die Länder- und Bundesministerien appellierte von Seltmann: die BRAK in die Systeme des elektronischen Rechtsverkehrs frühzeitig einzubinden, nichts zu bauen ohne Absprachen und nicht gegeneinander, sondern konstruktiv miteinander zu arbeiten. Es ist ein Appell, den Justizkreise, deren Vertreter beim EDV-Gerichtstag ihrerseits auf mangelnde Kompatibilität der Anwaltssysteme verwiesen, sicherlich umgekehrt genauso zurückspielen würden.
2/2: Struktur-Datensatz-EB und beBPO in den Behörden
Eine enge Abstimmung mit der Justiz erklärte von Seltmann gerade beim wichtigen Thema Empfangsbekenntnis (EB) für erforderlich, so von Seltmann. Dabei gab es gerade erst - nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken - Spötteleien für ein in der aktuellen Neuen Juristischen Wochenschrift zum EDV-Gerichtstag veröffentlichtes, softwaregeneriertes "Empfangsbekenntnis" - wenn man den Strukturdatensatz, den niemand ohne zumindest grundlegende Programmierkenntnisse entschlüsseln kann, so nennen möchte. Von Seltmann nahm es lässig: "Ganz so blöd sind wir nicht. Natürlich wird es eine Visualisierung geben, die wie ein EB aussieht, nicht mehr wie Einsen und Nullen", versicherte die BRAK-Geschäftsführerin.
Da sind die "Poweruser" in den Behörden schon weiter, erklärte Daniela Freiheit, Koordinatorin der Bund-Länder-Kommission ARGE IT (BLK). Sie müssen auch künftig zwar elektronisch, aber nicht zwingend über beBPO, das Besondere elektronische Behördenpostfach, kommunizieren. Ein ausschließlich als Strukturdatensatz existierendes Empfangsbekenntnis jedoch sei auch für sie gesetzlich zwingend, so Freiheit. Es gebe aber bereits ein Stylesheet, das aussehe wie das den Beteiligten vertraute EB, bald zu besichtigen bei justiz.de.
Die BLK empfiehlt aber sehr deutlich die Umstellung auf BeBPO, die Freiheit als weit weniger aufwändig bezeichnete als die Umrüstung für das EGVP, das die Behörden bereits nutzen."Wir sind auch für DE-Mail gerüstet, gehen aber davon aus, dass beBPO sich durchsetzen wird". Die Justiz empfiehlt die Verwendung des beBPo, "da es alle fachlichen Anforderungen abbildet und auf die Anbringung von qualifizierten elektronischen Signaturen verzichtet werden kann", heißt es in den Informationen der BLK für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Bei den Notaren alles viel einfacher
Einen wohlklingenden Namen haben auch die Notare für ihr neues System. Sie nennen ihr besonderes elektronisches Notarpostfach BeN - und fast liebevoll den "kleinen Bruder des beA". Er verursacht weit weniger Aufruhr als der Erstgeborene, was nicht nur an der mit 7.000 Notaren sehr überschaubaren Anzahl von künftigen Postfachinhabern liegt.
Die brauchen zudem auch nur ein Postfach pro Notar und keine weiteren Postfächer wie zum Beispiel bei den Syndizi. Sie müssen die Sicherheit des Systems nicht mit dem recht komplexen System einer Zugangskarte wie der beA Karte garantieren, sondern haben sich dazu entschlossen, den Zugang über das sog. Notarnetz sowie einen Nutzernamen und Passwort zu nutzen.
Schließlich verläuft die Einführung von BeN, das ein bloßer Briefkasten mit einer Speicherfrist von 120 Tagen sein soll, aber auch deshalb lautloser als die von beA, weil BeN genau genommen nicht der kleine, sondern eigentlich der große Bruder ist: Laut Dr. Vladimir Primaczenko, Notarassessor bei der BNotK und Geschäftsführer der NotarNet GmbH, kommunizieren sämtliche Notare nämlich bereits seit 2007 elektronisch. Mit der elektronischen Handelsregister-Anmeldung wurde diese zum Grundprinzip, alle Notare nutzen also das EVGP bereits.
Eine Rechtsverordnung wie für Anwälte gibt es für die Einführung von BeN noch nicht, diese wird aber zeitnah kommen, so Primaczenko. § 174 ZPO verpflichtet auch sie dazu, Zustellungen per elektronisches EB anzunehmen.
Laut dem Notarassessor wird bei den Notaren aber alles ganz einfach gehen: Das bereits eingesetzte Programm XNotar3 wurde bereits erweitert und ersetzt das EGVP in den Notariaten vollständig. Laut Primaczenko müssen die Amtsträger nur alle bisherigen Nachrichten aus dem EGVP abholen, dann für das neue Postfach ein Zertifikat anfordern und lokal speichern. Nach einer Anmeldung mit Benutzernamen und Kennwort und einer kurzen Umstellung durch die BNotK, die ihnen eine neue SAFE-ID ausstellt, können sie dann schon über das BeN kommunizieren. Die Anwälte können davon nur träumen. Immerhin rund 135.000 von ihnen haben die Anmeldung im beA-System schließlich noch vor sich.
Pia Lorenz, Noch 14 Wochen bis zum Anwaltspostfach: Pünktliche Lieferung nur bei Bestellung bis Ende September . In: Legal Tribune Online, 22.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24665/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag