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Übernahme Hochtief: Mono­poly oder ord­nungs­po­li­ti­scher Ernst­fall?

Anton Kumanoff

03.01.2011

hochtief

Bild: Hochtief

Seit September 2010 steht der spanische Baukonzern ACS mit der Ankündigung in den Schlagzeilen, die Hochtief AG übernehmen zu wollen. Kritiker befürchten, dass Ziel der Aktion die Zerschlagung und Ausschlachtung der Gesellschaft ist. Wie berechtigt sind die Rufe nach dem Gesetzgeber, drohende feindliche Übernahmen künftig durch schärfere Regeln zu erschweren? Von Anton Kumanoff.

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Unter Berücksichtigung der vom Staat Katar gezeichneten Kapitalerhöhung besitzt die ACS 27 Prozent der Anteile an der Hochtief AG. Der Erwerb von Kontrollrechten setzt indes einen Anteilserwerb von mindestens 30 Prozent voraus. Dafür müsste das spanische Unternehmen das Verfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) einhalten, bei dem der erwerbswillige Gesellschafter den übrigen Anteilseignern ein öffentliches Angebot über den Anteilserwerb unterbreitet.

Dieses Angebot ist von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu prüfen, wobei diese insbesondere auf die Angemessenheit des Angebots achtet und darauf, dass die Zahlung des Erwerbspreises auch gewährleistet ist. Dabei muss ein formalisiertes buß- und zwangsgeldbewährtes Verfahren eingehalten werden. Erwirbt dann ein Anteilseigner eine Quote von 95 Prozent, kann ein so genanntes Squeeze-Out-Verfahren durchgeführt werden; die verbleibenden Aktionäre verlieren ihre Beteiligung bei gleichzeitiger Abfindung.

Das WpÜG erschwert nach alledem nicht materiell die Möglichkeit der Übernahme der Anteile einer Gesellschaft. Es führt nur zu einem transparenten Verfahren, in dem unter Aufsicht der BaFin gewährleistet sein soll, dass die Interessen der anderen Gesellschafter gewahrt bleiben.

Öffentliches und von der BaFin beaufsichtigtes Verfahren

Materielle Genehmigungsvorbehalte nach dem Außenwirtschaftsgesetz für Erwerbe von mindestens 25 Prozent greifen nicht, da im Fall von Hochtief keine genehmigungspolitische Branche vorliegt. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass durch den Erwerb einer Beteiligung an dem größten deutschen Baukonzern die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist (§ 7 Außenwirtschaftsgesetz).

Damit handelt es sich um den schlichten Erwerb von Beteiligungen, die aufgrund einer Schwelle (30 Prozent) und dem Ziel der vollkommenen Übernahme zu einem formalisierten Verfahren führen, das weitgehend öffentlich stattfindet und von der BaFin beaufsichtigt wird.

Im Übrigen gilt in Deutschland der Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit und damit auch der Freiheit, Anteile zu kaufen und zu verkaufen.

Einflussmöglichkeit steigt mit den Anteilen

Natürlich werden durch den Erwerb verschiedene andere Interessen berührt, so zum Beispiel die Interessen der Anteilseigner. Andererseits ergibt sich natürlich für sie die Möglichkeit, nicht aber der Zwang, Anteile zu einem angemessenen Preis zu verkaufen. Eine Beschränkung des Anteilserwerbes würde die Interessen und das Eigentumsrecht negativ beeinflussen, da dadurch die Fungibilität, also die leichte Übertragbarkeit von Aktien eingeschränkt wird.

Auch die Interessen des Vorstandes der Hochtief AG sind tangiert. Bei Erreichung einer Anteilsquote ab 30 Prozent entwickelt sich nämlich bei üblicherweise ansonsten vorliegendem Streubesitz eine Stimmenmacht, die dazu führen kann, dass die Beaufsichtigungs- und Leitungsgremien der Aktiengesellschaft nach den Vorstellungen des kontrollierenden Anteilseigners umgestaltet werden. Wird ein Anteilsbesitz von 50 Prozent und mehr erreicht, ist eine weitgehende Kontrolle über die Gesellschaft möglich. Der Anteilseigner hat dann die Macht, den Vorstand und Aufsichtsrat zu bestimmen. Dies ist allerdings vom Gesetzgeber gewollt und rechtfertigt es nicht, Übernahmen einzuschränken.

Durch die Übernahme einer Gesellschaft durch eine andere erlangt diese die Möglichkeit, die Ziele des Unternehmens zu bestimmen. Bei der Eingliederung in einen Konzern kann das zu einer Unterordnung der Gesellschaftsziele unter die Konzernziele führen, und bei einer Mehrheit von mehr als 75 Prozent gar zu einer Veränderung des Gesellschaftszwecks und einer dramatischen Umgestaltung der Gesellschaft.

Arbeitnehmerinteressen rechtfertigen keine Gesetzänderungen

Da eine Umgestaltung des Unternehmens und eine Unterordnung unter fremde Zielen regelmäßig mit Einschnitten in der Beschäftigungsstruktur verbunden ist, werden natürlich auch unmittelbar wesentliche Interessen der Arbeitnehmer berührt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Interessen der Arbeitnehmer auch eine Verschärfung des Übernahmerechts rechtfertigen. Dagegen spricht vor allem folgendes: Selbst wenn die Arbeitnehmerschaft - im Gegensatz zur leitenden Vorstandschaft - über Schutzrechte verfügt, können diese natürlich nicht so weit gehen, dass Arbeitsplätze von den wirtschaftlichen Entwicklungen abgeschottet werden.

Gesetzliche Behinderungen des Erwerbes von Beteiligungen zementieren bestehende Verhältnisse. Das ist, wie die Geschichte zeigt, volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, weil sie den Zufluss von frischem Kapital behindern. Dabei kann nicht abgestritten werden, dass der Zufluss von Kapital aus dem Ausland einer Volkswirtschaft und damit der Beschäftigungssituation eher nützt als schadet. In einer global vernetzten Welt stehen Arbeitsplätze immer zur Disposition; hierzu genügt schon eine Investitions- und Produktionsverlagerung ins Ausland, es bedarf nicht unbedingt neuer Gesellschafter.

Erwirbt ein Außenstehender Anteile an einer Gesellschaft und erwartet angesichts der – hohen – Investition einen entsprechenden Kapitalrückfluss, ist sogar die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ein Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt wird. Dies lässt die Lust auf zusätzliche Restrukturierungskosten sinken.

Damit führt der Ruf nach dem Gesetzgeber aus Anlass des Übernahmekampfes der Hochtief AG letztlich zu einer Scheindiskussion. Es wäre ratsamer, sich einfach zurückzulehnen und zu beobachten, wer sich im Monopoly-Spiel durchsetzt: die ACS, der Staat Katar oder gar ein Dritter.

Der Autor Ass. jur. Anton Kumanoff ist für eine international ausgerichtete Unternehmensberatungsgesellschaft tätig.

 

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Anton Kumanoff, Übernahme Hochtief: Monopoly oder ordnungspolitischer Ernstfall? . In: Legal Tribune Online, 03.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2242/ (abgerufen am: 26.09.2023 )

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