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OLG Schleswig-Holstein zu griechischen Staatsanleihen: Staa­te­nim­munität auch bei Ver­trägen

08.07.2016

Verlust durch Investition in griechische Staatsanleihen (Symbol)

© NiconPhotography - Fotolia.com

Einmal mehr sind Käufer griechischer Staatsanleihen mit ihren Schadensersatzforderungen vor deutschen Gerichten gescheitert. Das OLG Schleswig-Holstein geht dabei sogar einen Schritt weiter als andere Gerichte.

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Die Käufer griechischer Staatsanleihen können die Republik Griechenland im Falle des zwangsweisen Umtausches der Anleihen nicht vor deutschen Gerichten in Anspruch nehmen, wenn der Zwangsumtausch durch ein griechisches Gesetz angeordnet worden ist, weil die Republik Griechenland umfassend staatliche Immunität genießt. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschieden (Urt. v. 07.06.2016, Az. 5 U 84/15).

Die Kläger erwarben im Jahre 2011 über ihre inländischen Kreditinstitute Schuldverschreibungen, die die Beklagte, die Republik Griechenland, ausgegeben hatte. Im Jahre 2012 führte die Regierung Griechenlands angesichts ihrer schweren Schuldenkrise eine Umschuldung ihrer Staatsanleihen durch, die auch die Schuldverschreibungen der Kläger betraf. Grundlage dieses Umschuldungsprozesses war u. a. ein vom griechischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das unter bestimmten Bedingungen den zwangsweisen Umtausch der Staatsanleihen zuließ.

Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurden in der Folgezeit die betroffenen Staatsanleihen durch die griechische Zentralbank eingezogen und den Anlegern im Gegenzug neue Anleihen zur Verfügung gestellt. Diese neuen Anleihen hatten jedoch nur einen Nominalwert von weniger als 50 Prozent der ursprünglichen Anleihen. Die Kläger machten deshalb Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegenüber dem griechischen Staat geltend.

Staatenimmunität schützt auch vor vertraglichen Ansprüchen

Die Klage sei aber unzulässig, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, befand der Senat. Griechenland unterliege sowohl für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche als auch für die vertraglichen Ansprüche der Staatenimmunität. Danach kann ein Staat, wenn er hoheitlich handelt, wegen dieser Handlung nicht vor den Gerichten anderer Staaten in Anspruch genommen werden.

Vorliegend beruhe der zwangsweise Umtausch der Staatsanleihen auf dem Erlass des griechischen Gesetzes 4050/2012 und einem Beschluss des Ministerrates und damit auf hoheitlichem Handeln. Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Besitz und Eigentum hatte auch der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass sich die Republik Griechenland insoweit auf die Staatenimmunität berufen kann. Nach Auffassung des Senats gelte dies auch für vertragliche Erfüllungs- oder Nichterfüllungsansprüche.

Es komme nicht auf die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch die Ausgabe der Staatsanleihen an, sondern vielmehr auf die Rechtsnatur der Maßnahmen Griechenlands, die letztlich die Erfüllungsansprüche aus den ursprünglichen Anleihen beeinträchtigt haben. Dies seien der Erlass des griechischen Gesetzes 4050/2012 und der Beschluss des Ministerrates gewesen. Soweit die Oberlandesgerichte Oldenburg und Köln die Auffassung vertreten, Griechenland sei im Rahmen von vertraglichen Ansprüche nicht anders zu behandeln als jeder andere Schuldner einer privaten Forderung, teilt der Senat in Schleswig-Holstein diese Auffassung aber nicht.

Keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Wenn der Staat, der die Anleihe ausgibt, seine Hoheitsgewalt dazu nutzt, durch eine gesetzliche Vorschrift die Ausgestaltung der Schuldverschreibung gezielt zu beeinträchtigen, so könne sein hoheitliches Handeln nicht von seinem Handeln als Vertragspartei getrennt werden. Anderenfalls wäre der Sinn und Zweck der staatlichen Immunität gefährdet, weil es mittelbar zu einer Infragestellung staatlichen Handelns käme und damit die Unabhängigkeit eines Staates gegenüber allen anderen Staaten nicht mehr gewährleistet wäre, so die Schleswiger Richter.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Staatenimmunität einer Klage wegen etwaiger vertraglicher Ansprüche nicht entgegensteht, so könnten die Kläger die griechische Republik nicht vor den deutschen Gerichten verklagen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei nicht gegeben. Es läge weder ein Verbrauchergerichtsstand noch ein Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes nach der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit vor.

acr/LTO-Redaktion

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OLG Schleswig-Holstein zu griechischen Staatsanleihen: Staatenimmunität auch bei Verträgen . In: Legal Tribune Online, 08.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19935/ (abgerufen am: 29.03.2023 )

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