Druckversion
Samstag, 8.11.2025, 01:22 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/olg-frankfurt-toetung-mord-walter-luebcke-hautverfahren-eroeffnet
Fenster schließen
Artikel drucken
41777

Ein Jahr nach dem Tod von Walter Lübcke: Mord­pro­zess gegen Ste­phan E. beginnt Mitte Juni

02.06.2020

13.06.2019, Hessen, Kassel: Das Konterfei von Walter Lübcke (CDU) ist hinter einem Bundeswehrsoldaten am Sarg bei einem Trauergottesdienst in der Martinskirche zu sehen.

picture alliance/Swen Pförtner/dpa-POOL/dpa

Ein Jahr nach der Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten hat das OLG Frankfurt das Hauptverfahren eröffnet. Der Generalbundesanwalt wirft Stephan E. Mord, dem mitangeklagten Markus H. Beihilfe dazu vor. Sein Geständnis hat Stephan E. widerrufen.

Anzeige

In Kassel gab es am Dienstag wegen der Corona-Beschränkungen nur ein stilles Gedenken, aber keine öffentliche Gedenkveranstaltung. Während mehrere Bundesminister zum Jahrestag des tödlichen Attentats auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Rechtsextremismus aufriefen, hat der 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main das Hauptverfahren gegen den 46-jährigen Stephen E. und den 44 Jahre alten Markus H. eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof zur Hauptverhandlung zugelassen. Beide Männer bleiben in Untersuchungshaft, teilte das Gericht mit. 

Der Angeklagte Stephan E. soll den 65-jährigen CDU-Politiker in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 durch einen Kopfschuss auf der Terrasse seines Hauses getötet haben. Die Motivation zur Tat liege in seiner von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geprägten Einstellung, so der Generalbundesanwalt bei der Anklageerhebung. Der rechtsextreme Hintergrund des Angeklagten ist auch der Grund dafür, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen hatte.

Der Kasseler Regierungspräsident, dessen Name schon Jahre zuvor auf sog. Feindeslisten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gestanden haben soll, war spätestens seit dem Jahr 2015 zum Objekt rechtsradikalen Hasses geworden, u.a. weil er sich für Flüchtlinge einsetzte. Bei einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 hatte er über eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Lohfelden informiert. Nachdem Pegida-Anhänger ihn beleidigten und ausgebuht hatten, sagte er "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Ein Video davon verbreitete sich im Internet, ab diesem Tag erhielt der Kommunalpolitiker Hassmails und Morddrohungen aus der rechten Szene. 

Geständnis zwischenzeitlich widerrufen

Der gemeinsam mit Stephan E. angeklagte Markus H. soll Beihilfe zum Mord an Lübcke begangen haben. Laut Anklage wird ihm insbesondere vorgeworfen, Stephan E., mit dem er damals befreundet war, Kenntnisse über Waffen und das Schießen vermittelt zu haben. Außerdem sollen die beiden Angeklagten gemeinsam verschiedene Demonstrationen der rechten Szene besucht haben. H. habe es letztlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass er E. durch die so erworbenen Schießkenntnisse und Gesinnung darin bestärken würde, einen Menschen zu töten.

Unklar ist, wie die Angeklagten sich einlassen werden. Deren Freundschaft ist offenbar beendet, Stephan E. hat sein zunächst abgelegtes, nach Medieninformationen sehr detailliertes Geständnis, das Verbrechen allein begangen zu haben, nach einem Verteidigerwechsel widerrufen. Er belastet nun Markus H., dieser soll nach seinen Angaben unmittelbar an der Tötung beteiligt gewesen sein. Die Ermittler sollen sein zwischenzeitlich widerrufenes Geständnis als Ansatz für Folgeermittlungen genutzt haben.  

Die Bundesanwaltschaft wirft Stephan E. ebenfalls vor, im Januar 2016 in Lohfelden einen aus dem Irak stammenden Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge niedergestochen zu haben, um ihn zu töten. Auch diese Tat soll er aufgrund seiner fremdenfeindlichen Einstellung begangen haben. 

Prozess beginnt Mitte Juni

Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb am Dienstag auf Twitter mit Hinweis auf die Ermordung von Lübcke und den Anschlag von Hanau vor rund 100
Tagen "Rechtsextremismus und Rassismus töten". Hass töte nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande. "Stellen wir uns ihm gemeinsam entgegen", forderte der SPD-Politiker.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte den Sendern NDR Info und Bayern 2, die größte Gefahr in Deutschland gehe von rechts aus. Dafür gebe es mittlerweile ein neues Bewusstsein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte am Dienstag, die Ermordung Lübckes erfülle ihn auch ein Jahr nach der Tat mit Trauer und Abscheu. "Auch die Erinnerung daran treibt mich an, jeden Tag das Menschenmögliche zu tun, um den Rechtsextremismus und den Rechtsterrorismus in Deutschland mit Nachdruck zu bekämpfen."

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb auf Twitter mit Verweis auf Lübcke: "Er fiel menschenverachtendem Hass und unerträglicher Hetze um Opfer. Dagegen müssen wir Gesicht zeigen! Wir müssen das Gift bekämpfen, das unsere Gesellschaft zersetzt. Das sind wir uns und ihm schuldig." Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch twitterte,
Gerechtigkeit könne es nur mit vollständiger Aufklärung geben.

Die Hauptverhandlung vor dem OLG Frankfurt wird am 16. Juni beginnen und soll am 18. und 30. Juni fortgesetzt werden.

acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Ein Jahr nach dem Tod von Walter Lübcke: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41777 (abgerufen am: 09.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Generalbundesanwalt
    • Mord
    • Politiker
    • Rechtsextremismus
    • Straftaten
    • Strafverfahren
  • Gerichte
    • Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Verbindungsstudenten mit bunten Kappen 08.11.2025
Anzeige

Anzeige gegen Marburger Verbindungsstudenten wegen Duell:

Fechten um die Ehre – ist das strafbar?

Hat in Marburg ein illegales Fechtduell stattgefunden? Verbindungsstudenten sollen einen Ehrenhändel ausgetragen haben, die Linke hat Anzeige erstattet. Lorenz Bode erklärt, warum es immer noch auf ein BGH-Urteil von 1953 ankommt.

Artikel lesen
Das rechtsextreme Compact-Magazin in einer Verkaufsstelle im Stuttgarter Bahnhof, andere Magazine sind digital unscharf gestellt 05.11.2025
Vereinsverbot

Urteilsgründe zum Compact-Verbot:

BVerwG lässt wenig Raum für ver­eins­recht­liche Medi­en­ver­bote

Im Juni hob das BVerwG das Compact-Verbot auf. Die nun vorliegenden Urteilsgründe zeigen Sensibilität für das Problem, das Vereinsrecht für Medienverbote einzusetzen, analysiert Paula Rhein-Fischer. Auch die AfD muss ihre Lehren ziehen.

Artikel lesen
Ein menschliches Skelett in Bewegung. 03.11.2025
Beweise

3D-Modell zur Analyse von Bewegungen von Tatverdächtigen:

Zweifel am Beweis­wert digi­taler Ske­lette

Bei den Taten im Budapest-Komplex werden 3D-Modelle zum Beweis der Täterschaft herangezogen.Die Berechnung erfolgt mit KI. Der Beweiswert im Strafverfahren ist daher höchst fraglich, meinen Dominik Brodowski und Anne Zettelmeier.

Artikel lesen
Das Bild zeigt einen Mann, der nachdenklich wirkt, während er über kontroverse Themen spricht, möglicherweise im Kontext rechtlicher Diskussionen. 01.11.2025
Podcast - Die Rechtslage

Bolz-Tweet / Diskriminieren in Gottes Namen / Jura-Noten-Irrsinn:

"Im Fall Bolz ist vor allem die Empörung unver­hält­nis­mäßig"

Einmal Provozieren auf Twitter und die Polizei kommt nach Hause? Dürfen die Kirchen bei Bewerbern diskriminieren? Horror-Noten und Willkürverdacht - wie fair ist das Jura-Studium? Dies und mehr in Folge 45 des LTO-Podcasts Die Rechtslage.
 

Artikel lesen
Petra Berg am Mikrofon 30.10.2025
Pressefreiheit

Saarland macht Vorschlag für die JuMiKo:

Poli­ti­ker­be­lei­di­gung auf Jour­na­listen aus­weiten

Die saarländische Justizministerin Petra Berg (SPD) drängt darauf, Angriffe auf Medienschaffende zielgerichteter im StGB zu ahnden. Unter anderem soll der umstrittene Tatbestand der Politikerbeleidigung auf Journalisten ausgedehnt werden.

Artikel lesen
Anwalt in Robe schaut traurig zu Boden (Symbolbild) 30.10.2025
Betrug

BGH zum Berufsrecht:

Ver­ur­teilter Jurist darf nicht wieder Anwalt werden

17 Jahre nach einer Verurteilung wollte ein Jurist wieder Anwalt sein. Einfach Zeit verstreichen zu lassen, reicht aber nicht aus, um nach dem Berufsrecht wieder des Anwaltsberufs würdig zu sein, so der BGH. Man müsse es aufrichtig wollen.

Artikel lesen
lto karriere logo

Deine Karriere beginnt hier.

Registrieren und nie wieder einen Top-Job verpassen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Straf­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Hil­des­heim

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Düs­sel­dorf...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Mün­chen Früh­jahr...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Mün­chen

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Hengeler Mueller
Dispute Resolution INSIGHTS: Lerne unser Team kennen

19.11.2025, Frankfurt am Main

Wegzüge und Zuzüge im Steuerrecht

10.11.2025

Logo von Fieldfisher
Real Estate Praxis Update: Der Blick ausländischer Investoren auf den Immobilienmarkt Deutschland

13.11.2025, Hamburg

Logo von e-fellows.net GmbH & Co. KG
LL.M. Day München

22.11.2025, München

§ 15 FAO - Designrecht / Produktschutz

10.11.2025, Hamburg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH