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Berlins Regierungschef und Bildungssenatorin sind ein Paar: Braucht es Regeln für Liebe im Kabi­nett?

von Hasso Suliak

05.01.2024

Katharina Günther-Wünsch und Kai Wegner

Liebe unter Kollegen: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner haben ihre Beziehung öffentlich gemacht. Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Noch kein Jahr steht Kai Wegner an der Spitze des Berliner Senats. Nun macht der Regierende Bürgermeister mit einer Beziehung Schlagzeilen, die auch eine politische Dimension hat – und eventuell auch eine rechtliche?

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Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (beide CDU) haben ihre Beziehung öffentlich gemacht. Wie Rechtsanwalt Christian Schertz am Freitag der dpa mitteilte, entschieden beide im Herbst 2023, eine Beziehung einzugehen. Sie hätten ihn gebeten, "dieses aus Gründen der Transparenz zu bestätigen, um Klarheit für alle Beteiligten in der professionellen Zusammenarbeit sicherzustellen".

Schertz erklärte weiterhin: "Unabhängig davon, dass eine derartige Konstellation keinen rechtlichen Bestimmungen widerspricht, ist es natürlich selbstverständlich, dass die Beteiligten im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung Privates und Berufliches strikt trennen." Der Anwalt bat zudem darum, die Privatsphäre von Wegner (51) und Günther-Wünsch (40) auch im Interesse ihrer Familien zu respektieren.

Kurz vor Jahresende hatte die Senatskanzlei mitgeteilt, dass sich Wegner und seine bisherige Partnerin, mit der er zwei Kinder hat, im September 2023 getrennt hätten. Vor wenigen Tagen berichteten zuerst die Zeitungen B.Z. und Bild über eine mögliche Beziehung von Wegner und Günther-Wünsch. Beide Berliner Regierungsmitglieder hatten sich dazu zunächst nicht geäußert. In Medien wurden Fragen nach einem möglichen Interessenskonflikt und möglichen politischen Konsequenzen aufgeworfen.

Vergleichbare Konstellation in der Privatwirtschaft verboten?

Ob die Angelegenheit rechtlich tatsächlich so unproblematisch ist, wie Promianwalt Schertz das sieht, darf zumindest bezweifelt werden. 

Befänden sich beide in einem Unternehmen oder gar einem Beamtenverhältnis, müsste einer von beiden gehen, glaubt der Berliner Tagesspiegel. "Compliance-Regeln in großen Firmen und Dienstgesetze für Staatsbedienstete schließen eine solche Partnerschaft aus", heißt es dort.

Die Zeitung zitiert den emeritierten Staatsrechtler Ulrich Battis: "Anders als in der Wirtschaft gibt es in der Politik keine klaren Compliance-Richtlinien. Und anders als in der Verwaltung oder dem Militär gibt es keine gesetzlichen Regelungen dazu. Dennoch ist Kai Wegner Vertreter des Dienstherrn aller Landesbeamten, denen eine ähnliche Beziehung per Gesetz verboten ist. Moralische Forderungen können demnach aufgestellt werden, die Beziehung selbst ist aber nicht illegal", erklärte Battis.

Auch der Spiegel befragte dazu am Donnerstag den Hamburger Compliance-Rechtler Rechtsanwalt Daniel Graewe: Dieser betonte ebenfalls, dass es einen Unterschied mache, ob eine solche Liebesaffäre in einem Unternehmen oder in der Politik stattfindet. "Aber natürlich haben wir eine neue Lage, wenn die Verliebten auf unterschiedlichen Hierarchiestufen im Unternehmen stehen, und erst recht, wenn es um direkte Vorgesetzte und Untergebene geht. Da kann man die Interessen des Unternehmens nicht einfach übergehen."

Grundsätzlich dürfe ein Unternehmen hierzulande derartige Beziehungen aber auch nicht verbieten. Graewe verwies dabei auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, das den Walmart-Konzern betraf. Das Unternehmen hatte laut Graewe seinen Kodex aus den USA eins zu eins in Deutschland anwenden wollen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz so verbieten wollen. "Damit ist Walmart allerdings vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf gescheitert; die Begründung: Verstoß gegen die Menschenwürde." 

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD): "Berlin ist Berlin"

Angesprochen auf die Beziehung zwischen Wegner und Günther-Wünsch, also Mitgliedern ein und desselben Regierungskabinetts, sagte der Compliance-Rechtler: "Praktisch ist das schon so, als säße da ein Vorstandschef an einem Tisch mit zehn anderen Vorständen, und mit einem von ihnen hat er eine Beziehung. Auch hier lässt sich nie der Anschein vermeiden, dass die mutmaßliche Partnerin Vorteile genießt. Man stelle sich nur vor, dass in einer schwierigen Finanzlage das Ressort der Bildungssenatorin von harten Einschnitten verschont bleibt. Wie sollen dann die anderen am Tisch den Gedanken aus ihrem Hinterkopf bekommen: Das bekommt die Senatorin nur, weil sie mehr als nur eine Senatorin ist. Ob es um Budgets geht oder darum, dass man bei einem Fehler nicht so kritisiert wird wie andere – für die Stimmung im Kabinett dürfte das ein Problem sein."

Ob es nun Sinn ergibt, solchen Missstimmungen im eigenen Regierungslager mittels spezieller Regeln vorzubeugen? Berlins benachbartes Bundesland Brandenburg jedenfalls hat nach Angaben von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bisher keine rechtliche Regelung für mögliche Beziehungen innerhalb der Regierung. "Man muss dann mit den Sachen umgehen, wenn sie da sind", sagte Woidke am Freitag in Potsdam.

Zum konkreten Fall wollte sich der Brandenburger Regierungschef nicht näher äußern und verwies auf den Senat des Nachbarlands. "Berlin ist Berlin - es ist eine andere Landesregierung", sagte Woidke. "Die entsprechenden Diskussionen laufen in Berlin, habe ich vernommen." Er sagte: "Ich habe mit Kai Wegner ein sehr gutes Verhältnis."

FDP-Vize Kubicki: "Privatleben von politischer Arbeit trennen"

Aber es gibt auch weniger gelassene Reaktionen aus der Politik auf die Berliner Kabinettsliebe. Etwa von FDP-Vize Wolfgang Kubicki: "Es ist deshalb ein Problem, weil Herr Wegner und Frau Günther-Wünsch immer dem Verdacht entgegenwirken müssen, ihr Privatleben von ihrer politischen Arbeit nicht trennen zu können", sagte Kubicki der Rheinischen Post, bevor der Regierungschef und die Senatorin ihre Beziehung bestätigten. In einem börsennotierten Unternehmen wäre eine solche Konstellation undenkbar, so Kubicki. "Es wäre besser, der Regierende Bürgermeister würde diese Compliance-Regeln auch beherzigen", meinte der FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident.

Wegner hatte als CDU-Landeschef im Februar 2023 die wegen Pannen wiederholte Wahl zum Abgeordnetenhaus gewonnen. Ende April wurde er Regierender Bürgermeister. Schon im Wahlkampf hatte er Günther-Wünsch für den Posten der Bildungssenatorin ins Gespräch gebracht und sie als "Powerfrau" und "absolute Expertin" für Bildungsthemen gelobt.

Die aus Dresden stammende Lehrerin sitzt erst seit September 2021 im Landesparlament und war dort zunächst bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Günther-Wünsch ist verheiratet, lebt von ihrem Mann aber seit geraumer Zeit getrennt. Mit ihrem Mann, der ein Kind mit in die Ehe gebracht hat, hat sie zwei leibliche Kinder und ein Pflegekind.

Beispiele von Liebesbeziehungen im Politikbetrieb gibt es diverse. Keine aber spielte sich bisher innerhalb derselben Regierung ab.

Prominentestes Exempel: Als der heutige Bundeskanzler 2011 aus der Bundespolitik als Regierender Bürgermeister ins Hamburger Rathaus wechselte, musste sich seine Ehefrau aus der Landespolitik zurückziehen. Die jahrelange Abgeordnete in der Bürgerschaft arbeitete anschließend zunächst für die SPD-Bundestagsfraktion in Berlin und wurde später Landesministerin in Schleswig-Holstein und Brandenburg. "Politisch halte ich es jedoch für vertretbar, wenn Ehepartner oder Lebensgefährten einer gemeinsamen Regierung angehören, sogar wenn ein Teil des Paares diese Regierung führt", erklärte sie damals. Im Dezember 2023 feierten Scholz und Ernst Silberhochzeit.
 
Mit Material von dpa

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Berlins Regierungschef und Bildungssenatorin sind ein Paar: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53569 (abgerufen am: 20.05.2025 )

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